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RATGEBER/226: Über Ruf und Wirkung der Sojabohne (SB)


SCHLUSS MIT DEM GERÜCHT ...,

... daß Sojamilch schädlich ist


Daß Naturprodukte generell nicht harmlos sind, wissen Naturheilkundige, Pharmazeuten und Umweltinteressierte schon lange. Schließlich stammen bereits die meisten Gifte, die seit Jahrhunderten in geringen Dosierungen auch als Heilmittel angewendet werden - wie das Morphin aus dem Schlafmohn, Digitalis aus dem Fingerhut wie auch alle möglichen anderen pharmazeutisch genutzten Alkaloide - aus der Natur. Abgesehen davon muß man nur an die vielen verschiedenen Möglichkeiten denken, sich mit Pilzen zu vergiften.

Es gibt allerdings manche Naturprodukte, deren guter Ruf weit über ihrer pharmazeutischen Wirksamkeit liegt, so daß man sie grundsätzlich für harmlos hält.

So sind Sojabohnen als gesundes Lebensmittel, als Eiweißlieferant für qualitativ hochwertige, fleisch-ersetzende Proteine und als mögliche, wohlschmeckende Nahrungsalternative für spezielle Diäten bei Allergien oder Nährstoffintoleranzen wie auch für die vegetarische oder vegane Lebensweise, bekannt. Es gibt, schlicht gesagt, kaum etwas besseres und das schon seit Jahrhunderten.

Nun soll sich vor einiger Zeit herausgestellt haben, daß Frauen in asiatischen Ländern weit weniger unter Wechseljahrsbeschwerden leiden als hierzulande, was im Zusammenhang mit dem hohen Prozentsatz an Sojaprodukten in ihrer Ernährung gesehen wird. Das zählte man zunächst zu den vielen positiven Eigenschaften der Sojabohnen hinzu.

Streng logisch hieß dies jedoch für die vermeintlich harmlosen Sojabohnen, daß sie einen Stoff enthalten mußten, der in irgendeiner Weise den Stoffwechsel von Frauen im entsprechenden Alter positiv beeinflußt. Das machte Soja nebenbei zu einem pharmazeutisch wirksamen und somit interessanten Naturprodukt.

Gesucht - gefunden:

Inzwischen hat man auch schon den pharmazeutisch relevanten Bestandteil in den Sojapflanzen isolieren können. Es sind die sogenannte Isoflavone, die u.a. ebenfalls in Rotkleesamen nachgewiesen werden konnten. Obwohl die Wirkung bei Wechseljahrsbeschwerden eher auf Vermutungen und Statistiken zurückgeht, also letztlich auf die recht subjektive Bewertung und Auswertung von Befindlichkeitsbeschreibungen, halten Naturheilmittelhersteller Soja seither für ein gutes Geschäft.

Inzwischen können nun Soja- oder Rotkleeprodukte als vermeintlich sanfte Alternative zur Hormonersatztherapie mit künstlichen Hormonen in Drogerien, Reformhäusern und Apotheken ohne Rezept bezogen werden und gelten nach wie vor als absolut harmlos und nebenwirkungsfrei. Sie werden daher gerne von Frauen eingenommen, die Angst vor zugeführten Hormonen haben, sich aber doch etwas von einer Medikation gegen die unangenehmen Beschwerden versprechen.

Seit man nun nachweisen konnte, daß Isoflavone tatsächlich die Wirkung von Östrogenen [angelsächsische Schreibweise: Estrogen] kopieren können, d.h. eine Art östrogene Wirkung besitzen, ist nun aber ihre Harmlosigkeit zunehmend in Frage gestellt. Zwar könnte eine jahrhundertelange folgenlose Nutzung der Bohnen in Asien durchaus als Argument ausreichen, doch das hielt die Verbraucherzentrale nicht davon ab, schon Ende November 2007 davor zu warnen, daß die natürliche Herkunft der Inhaltsstoffe keine Garantie für ihre Unbedenklichkeit sei.

Nahrungsergänzungsmittel gelten in Deutschland nicht als Medikamente, sondern als Lebensmittel. Sie durchlaufen deshalb kein Zulassungsverfahren, bei dem ihre Wirksamkeit und Unschädlichkeit überprüft wird. Soja- und Rotklee-Präparate enthalten so genannte Isoflavone, die dem menschlichen Hormon Estrogen ähneln und auch hormonähnlich wirken können.
(Global Press, 20. November 2007)

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät sogar zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einer langfristigen Einnahme der Produkte ab, da ihre Sicherheit nicht ausreichend belegt sei.

Schwerwiegende gesundheitliche Folgen wie die Förderung von Brustkrebs oder die Beeinträchtigung der Schilddrüsenfunktion können nicht ausgeschlossen werden, da keine entsprechenden Langzeitstudien vorliegen. Auch die günstige Wirkung der pflanzlichen Inhaltsstoffe auf die Wechseljahrsbeschwerden sind nicht ausreichend nachgewiesen.
(Global Press, 20. November 2007)

Besonders kritisch wird nun Säuglingsnahrung bewertet, die laut einer DPA-Meldung vom 22. November keine Sojaprodukte mehr enthalten sollte. Selbst Säuglinge, die aufgrund von Kuhmilch- oder Laktoseintoleranzen (bei angeborenem Laktasemangel) auf diese Form der Ernährung angewiesen sind, sollen Sojaprodukte nach Ansicht des Bundesinstituts für Risikobewertung nur mit ärztlicher Empfehlung und unter ärztlicher Kontrolle bekommen. Anlaß zu diesem neuerlichen Alarm habe vor allem ein Tierexperiment gegeben:

Mäuseversuche hätten gezeigt, dass eine hohe Zufuhr der Substanzen zu Veränderungen bei weiblichen Fortpflanzungsorganen sowie dem Immunsystem führen könne. Säuglingsnahrung aus Sojaeiweiß sei deshalb kein Ersatz für Kuhmilchprodukte und sollte nur unter ärztlicher Aufsicht gegeben werden, wenn medizinische Gründe vorlägen.
(dpa, 22. November 2007)

Es ist allerdings durchaus denkbar, daß dieser Versuch absichtlich überbewertet wird, um die Attraktivität bisher begehrter Sojaprodukte für normale Abnehmer künstlich herabzusetzen. Schließlich sind bisher aus Ländern, in denen Säuglinge Sojaprodukte schon quasi mit der Muttermilch und sogar im Mutterleib eingeflößt bekommen, weil Soja ganz einfach zum Grundnahrungsmittel der Mütter gehört, keine Mißbildungen an Fortpflanzungsorganen bekannt geworden. Das müßten sie aber, denn Isoflavone sind relativ kleine Moleküle, die sich durchaus im ganzen Körper der Mütter verteilen und somit auch in die Plazenta oder in die Muttermilch gelangen können. Darüber hinaus werden mehr als 50% der Gesamtproduktion an Sojabohnen (und hier vor allem gentechnisch veränderte Sojapflanzen) als Tierfutter verwendet und gelangen auf diese Weise auch in Kuhmilch und andere Milcherzeugnisse.

Das heißt weder durch Muttermilch noch durch Kuhmilch läßt sich eine Kontamination mit Sojaprodukten bzw. Isoflavonen völlig ausschließen. Wenn auch das BfR eine geringere Belastung von Muttermilch und Kuhmilch mit Isoflavonen gemessen haben will, bestätigt gerade dies doch das nicht zu leugnende ubiquitäre Vorkommen des fraglichen Stoffes.

Dagegen ist eine Agrarproduktion, um die gesamte Weltbevölkerung ausreichend mit pflanzlicher Nahrung zu versorgen, schon seit langem nicht gewährleistet.

Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang aber auch eine umfassende Vergleichsstudie der Universität von Minnesota über die "nachwachsenden Treibstoffe" Soja-Biodiesel und Mais-Ethanol, die in den Proceedings of the National Academy of Science am 11. Juli 2006 veröffentlicht wurde und in denen gerade das Sojaprodukt ausgesprochen günstig bewertet wurde. Hierzu ein Zitat aus dem heise online news- Artikel zu diesem Thema:

Im Unterschied zu anderen Studien kamen sie [gemeint sind die Forscher der Universität von Minnesota] zu dem Ergebnis, dass die Energieausbeute der beiden Kraftstoffe die zuvor aufgewendete Energie übertrifft: bei Soja-Biodiesel um 93 Prozent, bei Mais-Ethanol um 25 Prozent.
(heise online, 11. Juli 2007)

Im weiteren Text wird auf die wesentlich günstigeren Treibhausgasemissionen aufmerksam gemacht, die bei Soja-Diesel um 41% weit unter denen von gewöhnlichem Diesel liegen. Außerdem käme der Anbau von Sojabohnen mit weniger Dünger und Pestiziden aus als der von Mais.

Das alles deutet darauf hin, daß Sojabohnen in gewissem Sinne einen entscheidenden Paradigmenwechsel bei der industriellen Nutzung erfahren sollen. Verbraucher, die Sojaprodukte einfach nur essen, passen als Konkurrenz hier nicht mehr ins Konzept.

7. Dezember 2007