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LABOR/067: Eine kleine Seifenblasenblubberologie - Teil 1 (SB)


SCHABERNACK UND EXPERIMENTE FÜR HOBBYALCHIMISTEN

Seifenblasen - Faszination bis zum Platzen


"Kinderspiele" heißt ein Bild, das Pieter Breughel d.Ä. 1560 malte und auf dem schon spielende Kinder mit Seifenblasen abgebildet sind. Doch Seifenblasen bezaubern und beschäftigen lange nicht mehr nur Kinder.

Die Faszination an den schillernden zarten Schwebekugeln ist schon so alt wie die Seife selbst, also etwa 5000 Jahre, und hat sich bis in die heutige Zeit erhalten. Mit der Erfindung der Tenside (waschaktive, chemische Substanzen, die aber keine klassischen Seifen sind) und ihre Anwendung in modernen Waschlösungen entwickelte sich, relativ unbemerkt von der ernsten Wissenschaft, eine Wissenschaft der Seifenblasen, eine regelrechte "Seifenblasenblubberologie", die - unabhängig voneinander - von Chemikern, Physikern, Mathematikern, Geschichtsforschern und Praktikern, aber auch Zauberkünstlern, Illusionisten und sogar einige Architekten ernsthaft verfolgt und ergänzt wird.

Die beiden Urväter der Seifenblasenblubberologie waren wohl Joseph Antoine Ferdinand Plateau (1801 bis 1883), der sich mit der Physik von Oberflächen beschäftigte und u.a. eine spezielle Seifenblasenlösung erfand, sowie Charles Vernon Boys, der schon um die Jahrhundertwende populäre Vorlesungen über Seifenblasen vortrug.

Während sich Physiker, Mathematiker und Architekten mit den physikalischen Phänomenen der Seifenblase wie Oberflächenspannung, Druckverhältnisse, Benetzungseigenschaften oder mit der Berechnung sogenannter "Minimalflächen", kurz gesagt mit der Statik eines Seifenfilms, befassen, geht es den Chemikern und den verschiedenen "Künstlern", die mit Seifenblasen arbeiten, in erster Linie darum, optimale Seifenfilme für ihre Experimente zu entwickeln - also um die chemische Zusammensetzung einer Seifenblasenlösung, die langlebige, besonders zähe oder auch besonders große Seifenblasen gewährleistet. Eins dieser "Geheimrezepte", die einfach nachgemischt werden können, stellen wir im Anschluß vor.


Schaumschläger der Geschichte

Da die Sumerer schon sehr früh die Reinigungskraft besonders kaliumreicher Asche nutzten, ist es nur logisch, daß sie auch die Erfinder der ersten und einfachsten Seifen wurden. Den waschwirksamen Grundstoff für die Seifenherstellung, besagte kaliumhaltige Pottasche, gewannen sie aus verbrannten Dattelpalmen, aus Tannenzapfen und den anspruchslosen Tamaripflanzen, die selbst im Lande der Sumerer, auf den salzreichen Wüstenböden des heutigen Iraks, gediehen.

Chemisch ist Pottasche nichts anderes als eine Verbindung aus Kalium, Kohlenstoff und Sauerstoff, Kaliumkarbonat oder K2CO3 genannt. Die blasenbildende Seife entstand erst beim Waschen, wenn also fettverschmutzte Wäscheteile mit Wasser und zumeist in Leinensäckchen eingenähter Holzasche gekocht und die Fette dabei verseift wurden.

Anders gesagt wurde die für den weiteren Waschvorgang nützliche Seife eigentlich erst durch den Schmutz (d.h. den darin enthaltenen Fettsäuren) beim Kochen mit Lauge gebildet.

Die alten Ägypter entdeckten darüber hinaus, daß auch Soda oder, wie es noch genannt wird, Natriumkarbonat bzw. kohlensaures Natron, diese waschwirksamen Eigenschaften besitzt. Sie hatten das Soda als natürlich vorkommendes Mineral in den ausgetrockneten Salzseen der Wüste oder als Bodenkruste auf ausgelaugten, verwüsteten Böden gefunden (Soda wird jedoch auch durch Verbrennen von Meerespflanzen gewonnen, die Natriumchlorid, also Kochsalz, enthalten - ebenfalls aus Asche).

Vor ca. 5.000 Jahren sollen Sumerer damit begonnen haben, Seife direkt herzustellen, indem sie entweder die sogenannten Saponine (seifenwirksame Pflanzensubstanzen) aus Pflanzen extrahierten oder durch Kochen der Pflanzen- oder Holzasche mit Fett oder Pflanzensäften die ersten klassischen Seifen herstellten. Diese Seifen wurden jedoch weder zum Reinigen von Kleidungsstücken noch zur Körperpflege verwendet, sondern man nutzte sie zunächst als Haarpomade bzw. als Medizin zur Behandlung von Hautkrankheiten.

Diese Technologie (abgeschaut oder selbst neu entdeckt) entwickelten die Römer im 2. Jahrhundert nach Christus weiter. Doch erst mit der Ausbreitung des Islam, der im 7. Jahrhundert von Mohammed gegründet wurde, verbreitete sich gegen Ende des selben Jahrhunderts die Kunst des Seifenkochens über Spanien nach Europa, wobei vor allem die Araber hierin besonderes Geschick bewiesen. Über Frankreich gelangte sie dann ein weiteres Mal nach Italien.

Die Städte Sevilla und Alicante in Spanien, Montpellier und Marseille in Frankreich, Genua und Savona in Italien wurden wegen ihrer wertvollen Seifen regelrecht berühmt und entwickelten sich zu blühenden mittelalterlichen Handelszentren. Allen gemeinsam war, daß die Pflanzen, aus denen die Ausgangsprodukte für die Seifenherstellung gewonnen werden konnten, hier gut gediehen oder in greifbarer Nähe waren: Olivenbäume und Meerespflanzen.

Von da aus breitete sich die Kunst des Seifensiedens auch nach England, den Niederlanden und nach Deutschland hin aus, wo sie vor allem im Rheinland Einzug hielt. Mit diesen Zentren wurde naheliegenderweise praktisch der Grundstein für die chemische Industrie gelegt, die sich auch heute noch in diesen Gebieten konzentriert.

Kölns Aufschwung als Zentrum für Parfümerie ist ebenfalls auf die Entwicklung parfümierter Seifen zurückzuführen. Diese Entwicklung reichte etwa bis ins 19. Jahrhundert.

Bis dahin wurden vor allem gezielt zwei Seifenarten hergestellt. Man unterschied chemisch zwischen Natriumseife (im Volksmund Kernseife genannt), die als feste Stückseife oder als Flocken erhältlich war, und Kaliumseife, besser bekannt als Schmierseife.

Seife - insbesondere Kernseife - war ein absoluter Luxusgegenstand, den sich nur gut Betuchte leisten konnten. Allerdings wissen wir, daß gerade zu jener Zeit Adelskreise Seife äußerst ordinär fanden, und sich statt dessen mit Pudern und Parfüms mehr oder minder trocken reinigten, wenn man hier überhaupt von Reinigung sprechen konnte.


Haltbare Blubberblasen

Seit Anfang der Seifengeschichte kennt man somit auch schillernde Blasen und Schäume verschiedenster Qualitäten. Und wo Schaum ist, finden sich auch bald erfindungsreiche oder verspielte Naturen ein, die ihn willentlich aufschlagen und ihre Experimente damit treiben. Spätestens seit dem Mittelalter war aber schon bekannt, mittels eines Strohhalms oder eines kleinen Meerschaumpfeifchens luftige Seifenblasengebilde aufsteigen zu lassen - zur Freude von Generationen an Kinderherzen ...

Aber ebenfalls zu ihrem Kummer zerplatzen doch gerade die schönsten und prächtigsten Seifenblasen nach kurzer Zeit und das umso schneller, je einfacher die verwendete Seifenlösung ist. Mit einer Lösung aus Kern- oder Schmierseife, ja selbst der vielfach vorgeschlagenen einfachen Mischung aus Spülmittel und Glyzerin, läßt sich zwar einigermaßen durchschnittlicher Seifenschaum schlagen, doch für anspruchsvolle Blubberblasen sind solche Seifenfilme, die oft schon vor dem eigentlich Start von der Seifenfilm-Öse platzen, noch lange nicht haltbar genug.

Heutzutage läßt sich ohnehin ein passabler Schaum als fertige Seifenblasenmischung gleich mit einer passenden Öse erwerben und dieser Spaß gehört bereits zu den Klassikern in Spielzeuggeschäften, die auch schon Mischungen und größere Ösen für noch anspruchsvollere Schaumschläger und Blasenmacher anbieten. Doch begeisterte Blubbertechnologen haben diese Fertigpackungen schnell aufgebraucht - und, Hand aufs Herz, den Zauber selbst anzumischen ist doch der doppelte Spaß...

Eine durchaus präsentable Blasenshow ergibt der früher unter Kindern und Jugendlichen kursierende Geheimtip einer Mischung aus Seifenlösung (Spüli), destilliertem Wasser und Glycerin (2:1:1). Hergestellt wird sie, indem man das gleiche Maß - je nach Menge eine Verschlußkappe, ein ausgedienter Meßbecher für Waschmittel o.ä. - jeweils zweimal mit Seifenlösung und je einmal mit den anderen beiden Flüssigkeiten füllt, alles in eine passende Flasche gibt und ordentlich durchschüttelt. Fertig ist die Lauge!

Nun kann man mit einem Strohhalm oder besser noch einem Stück Schlauch, dessen unteres Ende man mit der Seifenlösung benetzt, durch vorsichtiges Blasen Seifenblasen erzeugen. Natürlich kann man die Mischung auch als Ersatz in das ausgediente Seifenblasenröhrchen oder sonstige Gerät füllen, das im Spielzeuggeschäft erworben wurde. Auch das früher übliche Meerschaumpfeifchen, das man vielleicht nochmal als Plastikversion im Spielzeuggeschäft oder im Trödel findet, eignet sich immer noch sehr gut als Blasegerät für diese Mischung.

Äußerst wichtig ist hierbei jedoch die Qualität der Seifenlösung. Die bereits erwähnten Spülmittel eignen sich nur sehr schlecht. Den haltbarsten Schaum ergeben beachtenswerterweise Autowaschmittel oder auch flüssige Haushaltsreiniger (Aber Vorsicht! Auf keinen Fall runterschlucken!! sollten sie versehentlich in den Mund gelangen).


Rezeptur:

* 2 Teile Seifenmittel (z.B. flüssiger Haushaltsreiniger, Autoshampoo, usw.)
* 1 Teil destilliertes bzw. entmineralisiertes Wasser
* 1 Teil Glycerin


* Meßlöffel, Verschlußkappe oder Meßbecher
* Strohhalm, Schlauch oder Meerschaumpfeifchen bzw. Seifenblasenröhrchen
* ein passendes Schüttelgefäß mit verschließbarem Deckel


Eine nicht unwesentliche Funktion bei der Filmbildung kommt dem sogenannten destillierten oder entmineralisierten Wasser und dem Glycerin zu. Man verwendet destilliertes oder entmineralisiertes Wasser, da es keine gelösten Calciumsalze (oft auch Kalksalze genannt) enthält. Calcium, das in sogenanntem "harten Wasser" in besonders hoher Konzentration vorhanden ist, bindet die Tenside und verhindert damit einen großen Teil der Seifenwirkung. Es bildet statt dessen eine eigene, unlösliche "Kalkseife". Man kann diese piddelartige Begleiterscheinung manchmal noch in Waschlaugen finden, wenn man alternative Waschlösungen verwendet und seine Wäsche in kalkhaltigem Leitungswasser wäscht. Aber die meisten modernen Waschmittel sind chemisch so ausgeklügelt, daß sie auch für kalkhaltiges bzw. hartes Wasser ein entsprechendes Mittelchen beinhalten, das diese unliebsame Reaktion verhindert.

Natürlich kann man in Gegenden, die für ihr weiches Wasser bekannt sind, auch ganz schlichtes Leitungswasser nehmen. Wasser ist wichtig, denn es ist selbst ein wesentlicher Bestandteil der Seifenblasenhaut. Das hygroskope (wasseranziehende und -bindende) Glycerin erhöht die Zähigkeit und somit das Überleben dieser Haut. Es klebt die Wasser- und Seifenmoleküle regelrecht zusammen und verhindert auf diese Weise einerseits das schnelle Abfließen des Wasseranteils in den tieferen Bereich der Seifenblase (der gewissermaßen einfach an der Blasenhaut herunterrutscht und vom Blasenboden abtropft), wodurch der Film auf der darüberliegenden Seite immer dünner wird, bis er platzt. Außerdem verhindert Glyzerin ein vorzeitiges Austrocknen, da es Wasser stark an sich bindet, also auch Feuchtigkeit aus der Umgebung anzieht.

Es versteht sich von selbst, daß die Erforschung der physikalischen und chemischen Eigenschaften dieser drei Grundbestandteile die Basis jeder Seifenblasenblubberologie darstellen, bzw. vier, denn auch die Zusammensetzung der Luft innerhalb und außerhalb der Blase kann auf die Seifenblase Einfluß nehmen. Daß die Zusammensetzung dieser Basis auf vielfache Weise ergänzt und verändert werden kann, um Schönheit und Persistenz der vielleicht vergänglichsten Kunstgebilde aller Zeiten maßgeblich zu beeinflussen, ist der Forschungsgegenstand dieser Lehre, die einem aufmerksamen Beobachter an den seltsamsten Orten begegnen wird, von den Dächern mancher Fußballstadien über geblasene, gläserne Weihnachtskugeln bis hin zu den Buckyballs der Nanowelt oder Liposomen in der Kosmetikindustrie ... das alles und was man an den Seifenblasenlösungen verändern muß, um gigantische Seifenblasen zu machen ... kriegen 'ma später!

Kurzum: In der Beschäftigung mit Seifenblasen steckt sehr viel mehr, als nur verträumte Faszination oder Kinderspiel...

Fortsetzung folgt

Erstveröffentlichung 1998
Überarbeitete Fassung 29. November 2011