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FORSCHUNG/506: Kalzium-Taxis - Pflanzenforscher entdecken wichtige Transportproteine für Photosynthese (idw)


Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - 05.09.2018

Kalzium-Taxis: Pflanzenforscher entdecken wichtige Transportproteine für Photosynthese


Pflanzenforscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben Belege dafür gefunden, dass Kalzium in Pflanzen neben anderen Prozessen auch die Photosynthese reguliert. Bisher war nicht bekannt, wie dieser Stoff dabei zu seinem Wirkort gelangt. Prof. Dr. Edgar Peiter und Prof. Dr. Sacha Baginsky haben Transportproteine identifiziert, die diese Aufgabe erfüllen. Sie sind essenziell für eine effiziente Photosynthese und damit für das Wachstum von Pflanzen. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in einer Publikation gebündelt, die im Fachmagazin "New Phytologist" erschienen ist. In einem Folgeprojekt soll geklärt werden, welche Bedeutung diese Transportproteine bei Nutzpflanzen haben.

Bei der Photosynthese werden aus Kohlendioxid und Wasser mithilfe von Lichtenergie energiereiche Biomoleküle und Sauerstoff erzeugt. Damit ist sie ein zentraler physiologischer Prozess in Pflanzen und Grundlage des Lebens auf der Erde. Wird in dieser biologischen Maschinerie ein Parameter variiert, kann das weitreichende Veränderungen bewirken. "Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass sie bereits in all ihren Facetten verstanden worden ist. Vor allem ihre regulatorischen Mechanismen sind längst noch nicht alle entschlüsselt", sagt Prof. Dr. Sacha Baginsky vom Institut für Biochemie und Biotechnologie.

Das gilt vor allem für die kalziumabhängige Signalleitung. In allen Organismen reguliert Kalzium zelluläre Abläufe, indem es sich an spezielle Proteine bindet, was deren Funktion ändert. Mit ihrem Projekt, das im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 648 "Molekulare Mechanismen der Informationsverarbeitung in Pflanzen" gefördert wurde, konnten die halleschen Forscher nun zeigen, dass Kalzium auch die Photosynthese der Modellpflanze Ackerschmalwand entscheidend beeinflusst. Vor allem die Frage, wie die Pflanze es schafft, das am Stoffwechsel beteiligte Kalzium zu seinem Wirkort in den Chloroplasten zu transportieren, war bislang ungeklärt. Die Arbeitsgruppen von Peiter und Baginsky wiesen mit Beteiligung von Fachkollegen der Universität im belgischen Louvain-la-Neuve in Laborversuchen nach, dass sich die nun gefundenen Transportproteine in Membranen der Chloroplasten befinden und das Kalzium so dorthin gelangen kann, wo es benötigt wird.

Kalzium spielt in der Photosynthese eine entscheidende Rolle, da es essenziell an der Wasserspaltung beteiligt ist. Außerdem reagiert es mit Enzymen und beeinflusst so auch den Zuckerstoffwechsel von Pflanzen. "Wenn man die Regulation dieser komplizierten physiologischen Prozesse versteht, kann man versuchen, diese zu optimieren", sagt Prof. Dr. Edgar Peiter vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften mit Blick auf eine potenzielle praktische Anwendung dieser Erkenntnisse. "Wachstum, Ertrag und die Toleranz gegenüber Stress durch Umwelteinflüsse wie Trockenheit lassen sich möglicherweise dadurch beeinflussen."

"Anwendungsorientierte Grundlagenforschung" nennt Peiter das, was im Rahmen des interdisziplinären Projekts bisher zu Tage gefördert wurde. "Wir gehen davon aus, dass wir durch unsere Arbeit einen zentralen Regulator der Funktionen des Chloroplasten identifiziert haben", sagt Peiter.

In einem auf vier Jahre angelegten Anschlussprojekt soll nun untersucht werden, ob die gefundenen Transportproteine auch in Nutzpflanzen wie Getreide und Zuckerrüben eine so große Bedeutung haben wie in der Ackerschmalwand und ob sie für die Verbesserung von Produktivität und Stresstoleranz dieser Nutzpflanzen genutzt werden können. Das Projekt ist Teil der seit einem Jahr an der MLU angesiedelten und mit rund zwei Millionen Euro aus dem Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESF) geförderten internationalen Graduiertenschule mit dem Titel "Determinants of Plant Performance", in der elf Projekte auf dem Gebiet der Pflanzenforschung angesiedelt sind.

Die Entschlüsselung funktionaler Mechanismen spiele eine zentrale Rolle in der Pflanzenforschung. Denn nur mit diesem Wissen könne man in Landwirtschaft und Pflanzenzüchtung flexibel auf sich verändernde Umwelteinflüsse reagieren, was vor dem Hintergrund des Klimawandels zunehmend an Bedeutung gewinne. Edgar Peiter: "Unsere Landesregierung hat das erkannt und setzt einen starken Fokus auf die Pflanzenforschung."


Originalpublikation:
Frank, J. , Happeck, R. , Meier, B. , Hoang, M. T., Stribny, J. , Hause, G. , Ding, H. , Morsomme, P. , Baginsky, S. and Peiter, E. (2018),
Chloroplast-localized BICAT proteins shape stromal calcium signals and are required for efficient photosynthesis.
New Phytol.
doi:10.1111/nph.15407

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution167

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 05.09.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. September 2018

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