Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn - 04.11.2015
Wie Organe von Pflanzenzellen miteinander "chatten"
Ein Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn hat eine Grundlage der Kommunikation in Pflanzenzellen entschlüsselt: Das Protein "MICU" steuert an zentraler Stelle in den Zellkraftwerken die Kalziumionen-Konzentration. Mit diesen chemischen Signaturen regeln die Pflanzen zum Beispiel die Ausbildung von Organen und reagieren auf Wasserstress. Die Ergebnisse könnten in Zukunft auch dazu dienen, Nutzpflanzen zu optimieren. Die renommierte Fachzeitschrift "The Plant Cell" berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe über die Resultate.
Dr. Markus Schwarzländer (rechts) und Dr. Stephan Wagner mit
Anzuchtexemplaren der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana).
Foto: © Barbara Frommann/Uni Bonn
Pflanzen reagieren in vielfältiger Weise auf Reize ihrer Umwelt: Wird
das zur Verfügung stehende Wasser knapp, drosseln sie die Verdunstung aus
ihren Blätter. Kommt ein Schädling daher, wappnen sie sich zum Beispiel
mit chemischen Keulen. Möchte ein Bodenpilz zum gegenseitigen Vorteil in
einer Art Wohngemeinschaft mit einer Pflanzenwurzel leben, dann sprechen
beide Partner über ihre Pflichten. "All diese Feinjustierungen erfordern
ein großes Maß an Kommunikation zwischen den einzelnen Organen der
Pflanzenzellen", sagt Dr. Markus Schwarzländer, Leiter einer
Emmy-Noether-Gruppe am Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und
Ressourcenschutz der Universität Bonn.
Wenn verschiedene Bestandteile von Pflanzenzellen miteinander kommunizieren, nutzen sie keine Worte, sondern Kalziumionen - also positiv geladene Kalziumatome. "Die Information ist in den Schwankungen der Kalziumkonzentration der unterschiedlichen Zellkompartimente codiert", erläutert Dr. Schwarzländer. Wie kann ein einzelnes Ion so viele Informationen beinhalten und weiterleiten? Das fragen sich Wissenschaftler, seit bekannt ist, wie verschiedene Zellkompartimente miteinander "chatten".
Einen Lichtstrahl ins Dunkel bringt nun ein Forscherteam um Dr. Schwarzländer, der mit Wissenschaftlern aus Italien, Frankreich, England, Australien sowie dem Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und der Universität Münster neue Erkenntnisse zur Kalziumionen-Kommunikation der Pflanzen gewonnen hat. Anhand der Zellkraftwerke (Mitochondrien) der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) entdeckten die Wissenschaftler, dass das Protein "MICU" eine zentrale Stellung in der Steuerung der Kalziumionen-Konzentration in den Mitochondrien einnimmt.
"Bei Säugetieren gibt es ein ganz ähnliches Protein, das ebenfalls die Menge an Kalziumionen reguliert", sagt Dr. Stephan Wagner aus dem Team von Dr. Schwarzländer. Es bringt die Mitochondrien der Säuger wie ein Turbolader dazu, mehr Energie bereitzustellen. Die Wissenschaftler spekulierten, dass es sich dabei um einen interessanten Kandidaten handeln könnte, waren dann aber doch überrascht, als sie mit dem eng verwandten pflanzlichen "MICU" eine zentrale Relaisstation im Kommunikationssystem von Arabidopsis ausfindig machten. "Die beiden sich ähnelnden Proteine in Tieren und Pflanzen sind offenbar aus einem gemeinsamen Vorfahren hervorgegangen, haben aber im Lauf der Jahrmillionen eigene Charakteristika entwickelt", sagt Dr. Schwarzländer.
Indem die Forscher das Gen mit dem MICU-Bauplan im Arabidopsis-Genom zerstörten, konnten sie experimentell herausfinden, welchen Einfluss das Protein auf die Kalzium-Kommunikation der Pflanzen hat. Sie koppelten die Mitochondrien mit einem fluoreszierenden Sensorprotein. Anhand der unterschiedlichen Fluoreszenzintensitäten war es nun möglich, Veränderungen in den Kalzium-Konzentrationen der Zellkraftwerke in der lebenden Pflanze sichtbar zu machen. "Wir konnten eindeutig Einflüsse auf die Kommunikation der Mitochondrien feststellen", berichtet Dr. Wagner. Das ausgeschaltete MICU-Gen sorgte unter anderem für veränderte Eigenschaften der Zellatmung.
"Mit unseren Erkenntnissen haben wir die Grundlage geschaffen, Einfluss auf die Kalzium-Signale in spezifischen Teilen der Pflanzenzelle zu nehmen", fasst Dr. Schwarzländer zusammen. Da Arabidopsis als experimentelles Modell für viele Feldfrüchte gilt, lassen sich die Erkenntnisse in Zukunft möglicherweise auch für die Optimierung von Nutzpflanzen anwenden. Wenn man zum Beispiel beliebigen Pflanzen über veränderte Kalzium-Signale beibringen könnte, sich mit stickstofffixierenden Bodenbakterien zu verbünden, ließe sich viel Dünger in der Landwirtschaft einsparen, blicken die Forscher in die Zukunft.
Publikation: The EF-Hand Ca2+ Binding Protein MICU
Choreographs Mitochondrial Ca2+ Dynamics in Arabidopsis, Fachjournal "The
Plant Cell", DOI: 10.1105/tpc.15.00509
Weitere Informationen unter:
http://www.plantcell.org/content/early/2015/11/03/tpc.15.00509.abstract
Publikation im Internet
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http://idw-online.de/de/institution123
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Johannes Seiler, 04.11.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2015
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