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FORSCHUNG/225: Korbblütler der Wüsten Nordamerikas erstmals molekular untersucht (idw)


Universität Wien - 31.08.2010

Korbblütler der Wüsten Nordamerikas erstmals molekular untersucht


Über 1500 Gattungen und 22.000 Arten weltweit zählt die Familie der Korbblütler, darunter auch Sonnenblume und Kornblume. WissenschafterInnen um Carolin Anna Rebernig vom Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung der Universität Wien erforschen im Rahmen eines FWF-Projekts die Evolution von Melampodium leucanthum, einem Strauch, der ausschließlich in Wüstengebieten im Südwesten der USA und nördlichen Mexiko vorkommt. Erstmals wird damit die Biogeographie einer in allen Wüsten Nordamerikas verbreiteten und häufigen Pflanze mit molekularen Methoden untersucht. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift "Molecular Ecology" veröffentlicht.

Korbblütler zählen zu den artenreichsten Pflanzenfamilien in Europa. Mit 1528 Gattungen und etwa 22.750 Arten sind sie weltweit in allen Klimazonen vertreten; ihre Bandbreite reicht dabei von überwiegend krautigen Pflanzenarten über Halbsträucher und Sträucher bis zu Lianen. Im FWF-Projekt "Chromosomen und Evolution von Melampodium" untersuchen WissenschafterInnen um Carolin Anna Rebernig vom Department für Botanische Systematik und Evolutionsforschung der Universität Wien die Evolution von Melampodium leucanthum und ihren Verwandten. Dieser Korbblütler, ein etwa 50 cm hoher Halbstrauch mit weißen Blüten, ist ausschließlich in Wüstengebieten im Südwesten der USA und nördlichen Mexiko anzutreffen.

Melampodium leucanthum - Foto: privat

Melampodium leucanthum
Foto: privat


Wüste als unerforschtes Territorium

Während der Einfluss der eiszeitlichen Klimaschwankungen im arktischen und alpinen Raum seit einiger Zeit intensiv beforscht wird, ist über Gebiete, in denen heute trocken-warme Verhältnisse herrschen, relativ wenig bekannt. "Diese Breiten waren während der Eiszeit nicht vergletschert, von ihr trotzdem stark beeinflusst. Im Laufe der Eiszeiten führte die globale Abkühlung neben dem Sinken der Temperatur zu wesentlich mehr Niederschlägen. In den Zwischeneiszeiten wurde es von einem trockeneren und wärmeren Klima abgelöst", erklärt Rebernig.

Auf die Klimaschwankungen während des Pleistozäns (vor 2,588 Millionen Jahren bis ca. 9.660. v. Chr.) reagierte die Pflanze mit periodischen Standortveränderungen: "In Phasen geographischer Isolation haben sich in getrennten, klimatisch geeigneten Refugien einzelne genetische Linien herausdifferenziert, die sich im Holozän, wo es zu einer starken Ausdehnung der Wüsten kam, wieder zu vermischen begannen. "Die Ergebnisse bestätigen Untersuchungen, die an verschiedensten Tiergruppen aus diesem Gebiet bereits durchgeführt wurden - bei Pflanzen aber noch ausstanden.

Typisches Habitat in Texas - Foto: Privat

Typisches Habitat in Texas
Foto: Privat


Genetische Marker

Auch wurde von dem Team um Rebernig erstmals die Biogeographie einer in allen Wüsten Nordamerikas verbreiteten und häufigen Pflanze mit molekularen Methoden untersucht. Bei der Erforschung der Auswirkungen dieser Klimaveränderungen an Organsimen, von denen es keine ausreichenden Fossilienfunde gibt, bedienen sich die WissenschafterInnen genetischer Marker. "Molekulare Fingerabdruckmuster (AFLP - Amplified Fragment Length Polymorphism) und Sequenzierungen von Teilen der mütterlich vererbten Chloroplasten-DNA erlauben Rückschlüsse auf Änderungen im Verbreitungsgebiet einer Art als Reaktion auf deutliche klimatische Veränderungen", so Co-Autor Gerald Schneeweiss vom Department für Biogeographie der Universität Wien.


Unterschiedliche Chromosomenzahlen

Das Forschungsteam erhält damit nicht nur Auskunft darüber, in welchem Zeitraum die Pflanze ihr Areal besiedelt hat und auf welchem Weg sie dorthin gelangt ist. Untersucht wurde auch die auftretende Vervielfachung der Anzahl der Chromosomen, die einen wichtigen Mechanismus zur Artbildung darstellt. Bei Melampodium leucanthum gibt es Individuen mit 20 bzw. 40 Chromosomen (zweifacher bzw. vierfacher Chromosomensatz). Die WissenschafterInnen führen die auffällige geographische Verteilung der Polyploiden auch auf durch die Eiszeiten bedingte Perioden räumlicher Isolierung zurück.


Publikation
Carolin Anna Rebernig, Gerald M. Schneeweiss, Katharina E. Bardy, Peter Schönswetter, Jose L. Villasenor, Renate Obermayer, Tod F. Stuessy and Hanna Weiss-Schneeweiss 2010: Multiple refugia and Holocene range expansion of an abundant southwestern American desert plant species (Melampodium leucanthum, Asteraceae). Molecular Ecology 19: 3421-3443.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution84


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Wien, Alexander Dworzak, 31.08.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010