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ZOOLOGIE/915: Forscher entschlüsseln Erbgut des Braunbären (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 12.10.2011

Forscher entschlüsseln Erbgut des Braunbären - Einblick in genetische Anpassung an Klimawandel erwartet


Fertig! Einer Forschergruppe unter der Leitung von Prof. Axel Janke, Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), Frankfurt am Main, ist es vor kurzem gelungen, das Erbgut des Braunbären vollständig zu entziffern. Möglich wurde dies durch eine Zusammenarbeit mit dem norwegischen Forschungsinstitut Bioforsk und BGI, einem chinesischen Unternehmen, das sich auf Genom-Sequenzierung spezialisiert hat. Die Daten sollen nun mit den kürzlich veröffentlichten Erbgutinformationen von Eisbären und Pandabären verglichen werden. Damit könnte das Erbgut des Braunbären ausschlaggebend werden, wenn es darum geht, herauszufinden, welche Gene für die Anpassung an Umweltbedingungen entscheidend sind.

Männlicher Braunbär - Foto: © Alexander Kopatz, Bioforsk

Männlicher Braunbär
Foto: © Alexander Kopatz, Bioforsk

Braunbären sind gewaltige Tiere: die Riesen sind - gemeinsam mit dem Eisbär - die größten Landraubtiere der Welt. In einem der ersten deutschen Säugetiergenom-Projekte wurde jetzt das Genom dieses beeindruckenden Tieres nun vollständig entziffert. Als "Pilot-Bär", wie er von den Forschern genannt wird, diente ein männlicher Braunbär, der im Pasviktal im nördlichen Norwegen lebte und dessen Erbgut nun die Forschung über die Spezies beflügeln wird. Dazu trägt bei, dass ein Kooperationspartner des Projekts - die chinesischen Genomsequenzierer von BGI - vor kurzem das vollständige Erbgut des Eisbären veröffentlicht hat. Prof. Dr. Axel Janke, BiK-F, Leiter der Forschergruppe: "Wir haben jetzt den Bauplan vom Braunbären und Eisbären. Das ist eine hervorragende Basis, um die genetische Anpassung dieser Arten an unterschiedliche Klimabedingungen zu erforschen. Außerdem können mit den vorliegenden Erbgutinformationen neue Fragen zur Biologie der Bären untersucht werden, um diese großartigen Tiere besser verstehen und schützen zu können."


Erbgut des Braunbären ist wichtiger Bezugspunkt um Klimaanpassung des Eisbären zu verstehen

Das Braunbär-Erbgut ist für die Wissenschaftler so interessant, weil er ein naher Verwandter des Eisbärs ist - eine der bekanntesten vom Klimawandel bedrohten Arten. Wie BiK-F-Forscher vor kurzem herausfanden, entstanden die beiden Arten entstanden vor fast einer Million Jahren aus einem gemeinsamen Vorfahren und sind als Arten bedeutend älter als bis her angenommen. "Der Vergleich ihres Erbguts wird daher viel darüber aussagen, wie sie es jeweils geschafft haben, sich an die verschiedenen klimatischen Bedingungen ihrer Lebensräume anzupassen.", meint Axel Janke, und fährt fort "Die Bären sind sehr gute Studienobjekte um nachzuvollziehen, welche genetische Ausstattung es einem Säugetier ermöglicht, in der Arktis oder in der gemäßigten Klimazone zu überleben. Der Genvergleich von Mensch, Neandertaler und Schimpanse hat uns bereits wichtige Einblicke in die Evolution verschafft. Die Bären sind nun die zweite Gruppe von Säugetieren, in denen nahezu vollständige Genome von nahen Verwandten analysiert werden können. Damit wird der "Pilot-bär" aus dem Pasviktal für die Wissenschaft unsterblich"

Für die Frankfurter Forscher ist das Braunbär-Genom der Ausgangspunkt für eine Reihe von Gen-Analysen der Spezies, wie Axel Janke betont: "Im Erbgut des Braunbären ist die Geschichte der Art verewigt, aber es wird Jahre dauern, sie vollständig zu rekonstruieren. Selbst beim Menschen, von dem es mehrere komplett entschlüsselte Genome und mehrere Millionen von anderen Sequenzen und medizinische Daten gibt, hat die Genomforschung gerade erst begonnen. Trotzdem treibt die vergleichende Genanalyse der Medizin dieses Feld voran und wir profitieren von deren Techniken."


Braunbär-Genom ermöglicht auch innovative Studien zu deren Verbreitung

Neben einem besseren Verständnis der genetischen Anpassung an die Umwelt soll das Braunbär-Genom auch zu einem besseren Schutz der Braunbären beitragen. "Anhand der Daten können wir neue genetische Marker entwickeln, die für den Schutz und Management der Art dringend benötigt werden", so Dr. Hans Geir Eiken, dessen Institut Bioforsk skandinavische und russische Braunbärenpopulationen überwacht. Es gibt bereits eine Reihe von Studien an mütterlich vererbten mitochondrialen Genen, anhand derer die Populationsgeschichte und Migrationsmuster der Weibchen studiert werden. Im Gegensatz dazu sind bisher keine relevanten Genmarker aus dem Y-Chromosom der männlichen Tiere bekannt, um spezifisch auch deren Verbreitung und Wanderungen zu untersuchen. "Viele der sequenzierten Säugetier-Genome stammen von weiblichen Tieren. Die männlichen Y-Chromosom-Sequenzen fehlen", erläutert Hans Geir Eiken. Das jetzt vorliegende Genom eines männlichen Braunbären schließt diese Lücke und erlaubt zusätzliche Untersuchungen an der Populationsgenetik von männlichen Tieren. Sobald ein vorläufiger Genom-Zusammenbau und die ersten Analysen vorliegen, werden Eiken und sein Team daher mit den Arbeiten beginnen.

Das vollständige Säugetiergenom bietet darüber hinaus umfangreiches Material für weitere genetische und evolutionsbiologische Studien - beispielsweise zu den sogenannten "Springenden Genen" (Transposons). Obwohl in der Regel ein Drittel bis zur Hälfte der DNA eines Säugetiers aus diesen nicht-kodierenden Sequenzen besteht, sind deren Auswirkungen auf die Genfunktion, Evolution und Anpassung einer Art bisher unbekannt, weil bisher oft nur einzelne Loci (Genorte) untersucht werden konnte, aber selten ganze Genome von nahe verwandten Arten.

Um der Menge und Komplexität der verfügbaren Daten und Fragestellungen gerecht zu werden, besteht die BiK-F-Forschergruppe aus Experten auf den Gebieten der Bioinformatik, der Populationsgenetik und der Genetik von Transposons. Die Analyse der Daten in Zusammenarbeit mit Bioforsk hat bereits begonnen. Erste Ergebnisse werden in Kürze erwartet. Die Leitung des Forschungsprojekts obliegt Axel Janke, BiK-F, und Hans Geir Eiken, Bioforsk. Weitere Beteiligte sind die BiK-F-Wissenschaftler Dr. Björn Hallström, Dr. Frank Hailer, Dr. Maria Nilsson, Verena Kutschera und Vikas Kumar sowie Alexander Kopatz, Dr. Oddmund Kleven und Dr. Snorre Hagen von Bioforsk.


LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Frankfurt am Main

Mit dem Ziel, anhand eines breit angelegten Methodenspektrums die komplexen Wechselwirkungen von Biodiversität und Klima zu entschlüsseln, wird das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F) seit 2008 im Rahmen der hessischen Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich ökonomischer Exzellenz (LOEWE) gefördert. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und die Goethe Universität Frankfurt sowie weitere direkt eingebundene Partner kooperieren eng mit regionalen, nationalen und internationalen Institutionen aus Wissenschaft, Ressourcen- und Umweltmanagement, um Projektionen für die Zukunft zu entwickeln und wissenschaftlich gesicherte Empfehlungen für ein nachhaltiges Handeln zu geben.

Mehr unter:
www.bik-f.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution639


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Sabine Wendler, 12.10.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2011