Veterinärmedizinische Universität Wien - 08.06.2017
Empfindlichkeit gegen ungerechte Behandlung liegt Wölfen und Hunden im Blut
Nicht nur Hunde, sondern auch Wölfe reagieren, ähnlich wie Menschen oder Primaten, auf ungleiche Behandlung. Das bestätigt eine neue Studie von VerhaltensforscherInnen der Vetmeduni Vienna. Im Versuch weigerten sich Wölfe und Hunde mitzuarbeiten, wenn nur der Partner mit einem Leckerli belohnt wurde oder sie selbst ein minderwertigeres bekamen. Da dieses Verhalten bei Wölfen wie bei Hunden gleichwertig ausgeprägt ist, ist diese Sensibilität gegenüber ungleicher Behandlung kein Effekt der Domestikation, wie bislang vermutet, sondern eine vererbte Fähigkeit gemeinsamer Vorfahren. Die Ergebnisse wurden in Current Biology veröffentlicht.
Ein Verhaltenstest zeigte, dass Wölfe und Hunde Ungerechtigkeit
erkennen können.
Bild: © Robert Bayer
Eine wichtige soziale Fähigkeit des Menschen ist es, einschätzen zu
können, dass man ungerecht behandelt wird. Dies ist vor allem wichtig,
wenn man mit anderen kooperiert. Verschiedene Affenarten reagieren ebenso
sensibel, wenn sie ungleich behandelt werden. Ob auch andere Tierarten
ungleiche Behandlung erkennen und darauf reagieren, ist kaum erforscht.
Bei Hunden gab es in verschiedenen Studien zumindest Anzeichen von
Abneigung gegen ungleiche Behandlung, etwa wenn sie selbst kein Futter
bekamen, aber ihr Partner für dieselbe Aktion schon. Dass sie diese
Fähigkeit besitzen, wurde bislang mit der Anpassung an den Menschen, der
Domestikation, erklärt.
Ihre nächsten Verwandten, die Wölfe, zeigen jedoch genauso Abneigung gegen ungleiche Behandlung. Das belegt eine neue Studie des Messerli Forschungsinstitutes und des Wolf Science Centers der Vetmeduni Vienna. Wenn die Tiere auf Kommando eines Trainers einen Summer drückten und dafür keine oder ein weniger bevorzugtes Leckerli als ihr Partner für dieselbe Aktion bekamen, dann verweigerten sie die Teilnahme an dem Versuch. Das Verhalten war ähnlich bei Wölfen und Hunden, die gleich aufgezogen wurden und somit die gleichen Erfahrungen hatten. Dies deutet auf eine von einem gemeinsamen Vorfahren vererbte Fähigkeit hin. Domestikation ist somit kein Faktor, warum Hunde auf eine ungleiche Behandlung reagieren.
Das Forschungsteam um Jennifer Essler und Friederike Range untersuchte das Verhalten beider Hundearten mit einem Nicht-Belohnungstest und einem Qualitätstest, bei denen die Tiere in zwei aneinandergrenzende Gehege gebracht wurden. Sie mussten dann abwechselnd auf Kommando mit der Pfote einen Knopf drücken, um eine Belohnung zu bekommen.
"Beim Nicht-Belohnungsversuch erhielt jedes Mal nur der Partner ein Leckerli. Das Versuchstier ging leer aus. Beim Qualitätstest gab es zwar für beide Vierbeiner eine Belohnung, das bevorzugte und damit hochwertigere Leckerli ging aber wieder an den Partner", erklärt Jennifer Essler. "Die Fähigkeit, diese ungleiche Behandlung zu erkennen, zeigte sich, wenn sie sich weigerten weiterzumachen." Interessanterweise arbeiteten die Tiere aber ohne Probleme weiter, wenn kein Partner anwesend war. "Das demonstriert, dass es nicht allein die Tatsache ist, dass sie selber keine Belohnung bekommen haben, weshalb sie aufhören, mit dem Trainer zu kooperieren", sagt Range. "Das Verweigern wird ausgelöst, weil der andere etwas bekommen hat, sie selber aber nicht."
Auch beim Qualitätstest weigerten sich Wölfe und Hunde, weiter mit dem Trainer zu kooperieren und den Summer zu drücken. "Diese Reaktion konnte in den bisherigen Versuchen nicht gezeigt werden. Es bestätigt aber noch eindeutiger, dass es Wölfe und Hunde wirklich verstehen, wenn sie ungleich behandelt werden", so Essler. Die Wölfe waren dabei jedoch noch um einiges sensibler als die Hunde.
Der Platz in der Rangordnung des Rudels war außerdem ein zusätzlicher Faktor, wann ein Tier den Versuch abbrach. "Bei den ranghohen Tieren löste die ungleiche Behandlung schneller Frust aus, da sie diese Situation, etwas gar nicht oder nur von schlechterer Qualität zu kriegen, nicht gewohnt sind", erklärt Range. "Die Ordnung in ihrem Rudel steht somit in direktem Zusammenhang mit ihrer Reaktion auf ungleiche Behandlung." Im Anschluss an die Versuche wurde außerdem bewertet, ob die Tiere mit dem Testpartner oder dem Experimentator in einem neutralen Gehege Kontakt aufnahmen. Wölfe, die ungerecht behandelt wurden, hielten Abstand zu den Menschen. Die Hunde dagegen nicht. "Auch wenn diese Vierbeiner nicht direkt mit Menschen zusammenleben, sind sie uns zugänglicher. Hier scheint die Domestikation das Verhalten der Hunde zu beeinflussen. Der enge Kontakt zum Menschen als Haustiere könnte ihr Verhalten in solchen Situationen demnach eher reduzieren, als es auszulösen", so Range.
Service:
Der Artikel "Domestication does not explain the presence of inequity
aversion in dogs" von Jennifer Essler, Sarah Marshall-Pescini und
Friederike Range wird am 8. Juni 2017 um 18:00 CET von Current Biology
veröffentlicht.
Über die Veterinärmedizinische Universität Wien
Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni Vienna) ist eine der
führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und
Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen
Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie
den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni Vienna beschäftigt 1.300
MitarbeiterInnen und bildet zurzeit 2.300 Studierende aus. Der Campus in
Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche
Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener
Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich
gehören ebenfalls zur Vetmeduni Vienna.
www.vetmeduni.ac.at
Über das Messerli Forschungsinstitut
Das Messerli Forschungsinstitut wurde 2010 mit der Unterstützung der
Messerli-Stiftung (Schweiz) unter Federführung der Veterinärmedizinischen
Universität Wien in Kooperation mit der Medizinischen Universität Wien und
der Universität Wien gegründet. Es widmet sich der Erforschung der
Mensch-Tier-Beziehung und ihrer Grundlagen in den Bereichen Ethik,
vergleichende Medizin sowie Kognition und Verhalten von Tieren. Dabei
zeichnet es sich durch einen breiten interdisziplinären Zugang (Biologie,
Humanmedizin, Veterinärmedizin, Philosophie, Psychologie,
Rechtswissenschaft) und eine starke internationale Ausrichtung aus.
www.vetmeduni.ac.at/messerli
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution1560
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Veterinärmedizinische Universität Wien, Mag.rer.nat Georg Mair, 08.06.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2017
Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang