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ORNITHOLOGIE/215: Dünnschnabel-Walvögel - Planktonjäger im Südpolarmeer (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2010

Planktonjäger im Südpolarmeer: Dünnschnabel-Walvögel

Von Petra Quillfeldt und Juan F. Masello


Das Südpolarmeer gehört zu den vom Klimawandel am stärksten beeinflussten Meeresökosystemen. Die Erhöhung der Meerestemperatur, Versäuerung und Veränderungen in den Meeresströmungen sind der Grund für eine Verschiebung der Häufigkeiten von Primärproduzenten und Zooplankton im Südlichen Ozean. Um die Prozesse und ihre Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften dieser auch ökonomisch bedeutsamen Meeresgebiete besser zu verstehen, werden neben Daten über kommerziell genutzte Arten wie Tintenfische und Fische auch Informationen über das tiefer im Nahrungsnetz stehende Zooplankton benötigt. Dünnschnabel-Walvögel ernähren sich in diesen weiten Meeresgebieten von Zooplankton, das besonders schnell auf geänderte Umweltbedingungen reagiert. Über Veränderungen in der Nahrungszusammensetzung, im Rhythmus der Kükenversorgung und in der Nutzung von Überwinterungsgebieten passen sich die Walvögel an die neuen Bedingungen in ihrem Lebensraum an, sodass sich die Art ideal für Untersuchungen zum Meeresklimawandel eignet.


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Dünnschnabel-Walvögel (Pachyptila belcheri) gehören wie Albatrosse, Sturmvögel, Sturmschwalben und Sturmtaucher zur Ordnung der Procellariiformes (Röhrennasen). Wie die Namen schon andeuten, sind Röhrennasen vor allem in den stürmischen Polarmeeren zu Hause, es gibt aber auch tropische Arten. Ihre charakteristischen Lebensläufe zeichnen sie als sehr langlebige Arten aus, die sich mit nur einem Ei alle ein bis zwei Jahre sehr langsam fortpflanzen. Auch die Kükenentwicklung erfolgt langsamer als beispielsweise bei Singvögeln, da die Küken nur unregelmäßig und mit Unterbrechungen gefüttert werden.

Die Brutsaison der Dünnschnabel-Walvögel liegt in der Zeit des Südsommers, von Oktober bis März. In ihrem Brutgebiet auf den Falkland-Inseln und anderen Inselgruppen am Rand des Südpolarmeeres bilden die Vögel Kolonien, die über mehrere Jahre mit denselben Paaren bestehen bleiben können. Sie graben entweder Gänge in weiche Bodenschichten oder beziehen geeignete Höhlen unter Steinen in felsigeren Teilen der Insel. In mehreren Fällen wurde beobachtet, dass beide Partner gemeinsam ein neues Nest bezogen, wenn ihr bisheriges Nest nicht mehr verfügbar war. Die Vögel erkennen ihren Partner sowohl am charakteristischen Geruch als auch an der Stimme. In der Paarungszeit hört man in der Kolonie zahlreiche Paare im Duett rufen, besonders in dunklen Nächten ist auch der Himmel voller rufender Vögel.

Zwischen Paarung und Eiablage im November wird die Insel für einige Zeit ruhig. Die Weibchen bleiben auf dem Meer um Reserven für das einzige, große Ei zu sammeln. Nach der Eiablage brüten beide Altvögel und wechseln sich dabei im Schnitt alle sieben Tage ab. Wenn sich der Partner verspätet, kann das Ei zeitweise verlassen werden. Der Embryo stirbt dabei nicht ab, sondern verlangsamt seine Entwicklung. Trotzdem kommt es in diesem Stadium zu vielen Fehlbruten, häufig ist die Nahrung in dieser Jahreszeit noch knapp. Nach dem Schlupf werden die Küken noch wenige Tage gehudert und danach tagsüber allein im Nest gelassen. Im Schnitt verbringen die Küken 52 Tage im Nest. Um zu erfassen, wie häufig die Küken dabei nachts von den Altvögeln versorgt werden, wurden die Altvögel im Brutgebiet mit Hilfe von Radiotelemetrie beobachtet. Die Nahrungsflüge der mit einem ein Gramm leichten Sender versehenen Altvögel dauerten von einem bis zu acht Tage. Dadurch entstehen charakteristische Wachstumskurven mit deutlichen Zu- und Abnahmen im Gewicht der Küken je nach Fütterung. Kurz vor dem Schub der Schwungfedern erreichen die Küken mit 35-40 Tagen ihr höchstes Gewicht, das in guten Jahren weit über dem der Altvögel liegt.

Während der langen Nahrungsflüge fliegen die Vögel zum Teil bis in antarktische Meeresgebiete Hunderte Kilometer weiter südlich. Erste mit Hilfe von Geolokatoren (Lichtloggern) gewonnene Daten haben dies inzwischen bestätigt. So können Dünnschnabel-Walvögel ausgedehnte Hochseegebiete nutzen und lokalen Schwankungen im Nahrungsangebot großräumig ausweichen. Im Gegensatz zu den ebenfalls auf den Falkland-Inseln brütenden Pinguinarten konnten Walvögel dadurch trotz einer Reihe sehr schlechter Brutsaisons bislang anscheinend stabile Populationsgrößen erhalten.

Ab Ende Februar werden die ersten Küken flügge und verlassen die Kolonie. In der kommenden Zeit müssen sie auf dem Meer allein zurechtkommen und lernen effektiv Nahrung zu finden. Zahlreiche Todfunde an südlichen Küsten, etwa in Südbrasilien und Argentinien belegen, dass viele Jungvögel dabei scheitern. An bestimmten Küstenabschnitten werden in einigen Wintern Tausende Vögel tot an die Küsten gespült. In diesen sogenannten "Wrecks" befinden sich meist diesjährige Jungvögel. Es dauert einige Jahre, bis die Jungvögel den ersten Brutversuch unternehmen.


Große Kolonien ermöglichen Koexistenz mit Fressfeinden

Wie bei vielen anderen Röhrennasenarten sind auch die Kolonien der Dünnschnabel-Walvögel ein Magnet für Fressfeinde. Zum Schutz gegen natürlich auftretende Prädatoren wie Falklandskuas und Falkland-Caracaras legen Dünnschnabel-Walvögel ihre Nester in selbst gegrabenen, mehrere Meter lange Gänge umfassenden Erdhöhlen an. Auch kommen die Walvögel nur nachts im Schutz der Dunkelheit in die Kolonie. Dennoch zeugen zahlreiche Reste von Walvögeln davon, dass einzelne Skuas Altvögel beim Anflug auf die Kolonie erbeuten, und Caracaras wurden beim Ausgraben von Nestern beobachtet. Auch kleine Säugetiere machen den Walvögeln zu schaffen. Die Inseln, auf denen die großen Brutkolonien entstanden sind, waren ursprünglich frei von Landsäugetieren. Durch Robben- und Walfänger sowie Siedler im 19. Jahrhundert wurden jedoch Kaninchen, Katzen, Mäuse und Ratten auf New Island ausgewildert bzw. eingeschleppt. Dass es auf einer Insel mit so vielen "Neubürgern" den Dünnschnabel-Walvögeln gelang, ihre größte weltweit bekannte Kolonie mit etwa zwei Millionen Brutpaaren aufrechtzuerhalten, liegt wohl an zwei Hauptfaktoren. Zum einen sind die Dünnschnabel-Walvögel wie auch andere Seevögel nur im Südsommer, von November bis März, auf der Insel - im Winter müssen sich die Säuger mit der kargen Vegetation begnügen. Zum anderen reduzieren die verschiedenen Säuger ihre Zahl gegenseitig, indem z. B. Katzen die Kaninchen, Mäuse und Ratten jagen. So bleibt die Zahl der eingeschleppten Fressfeinde gering und hat auf die sehr große Zahl der Walvögel nur einen kleinen Einfluss. Anders würde das bei kleinen Kolonien aussehen, und dieser Umstand hindert wohl die Walvögel an der Besiedelung anderer Inseln im Falkland-Archipel.



Kleine Erwärmung, große Wirkung

Die Falkland-Inseln liegen auf dem Patagonischen Schelf. Durch die Meerenge zwischen Südamerika und der Antarktischen Halbinsel, die Drake-Passage, wird kaltes, nährstoffreiches Wasser aus dem Südpolarmeer nach Norden geleitet und erreicht das Archipel als Falkland- bzw. Malvinas-Strom. Dadurch haben die Dünnschnabel-Walvögel, die auf New Island brüten, Zugang zu kälteliebenden Zooplanktonarten. Der globale Klimawandel beeinflusst Meeresökosysteme unter anderem durch eine Erhöhung der Meerestemperatur, Versäuerung und Veränderungen in den Meeresströmungen, die eine Verschiebung der Häufigkeiten von Primärproduzenten und Zooplankton zur Folge haben, die wiederum als Symptome eines "regime shift" gedeutet werden. So werden beispielsweise bei den Primärproduzenten weniger Kieselalgen beobachtet, und im Zooplankton treten mehr gelatinöse Formen wie Salpen auf, die nur wenigen Tieren als Nahrung dienen. Dieses Zooplankton, zu dem im Südwestatlantik insbesondere kleine frei schwimmende Krebstiere (Krill- und Amphipodenarten) gehören, bietet zahlreichen Organismen, darunter Fischen, Tintenfischen und auch Walvögeln Nahrung.

Während der ersten Jahre unserer Studie (2002-2005) kam es zu einem graduellen Anstieg der Meeresoberflächentemperatur, danach wieder zum Abfall. Zusätzlich traten kurzzeitige Warmwassereinflüsse auch innerhalb der Brutsaisons auf. Zeiten mit warmem Meerwasser schlugen sich zeitgleich in niedrigen Fütterraten und geringer Körperkondition der Küken nieder. Dabei waren deutliche Effekte schon bei 0,5 bis 1° C Wassertemperatur über dem langjährigen Mittel zu sehen. Dies zeigt, wie sensibel Dünnschnabel-Walvögel auf Veränderungen im Nahrungsangebot reagieren. In Jahren mit gutem Nahrungsangebot blieben die Altvögel weniger lang dem Nest fern. Die längsten beobachteten Nahrungsflüge waren dann nur fünf Tage lang, und meist kamen die Altvögel sogar jede Nacht zum Küken zurück. Die Jungen wachsen in solchen kalten - und somit bezüglich des Nahrungsangebotes vorteilhaften - Jahren schneller und fliegen auch einige Tage früher aus. In den wärmsten Jahren änderte sich zudem die Nahrungszusammensetzung. Dünnschnabel-Walvögel füttern ihre Küken normalerweise vor allem mit 1 bis 2großen Flohkrebsen (Amphipoda), wichen in warmen Jahren aber auch auf noch kleinere Krebstiere aus, die 2 bis 3 mm großen Ruderfußkrebse (Copepoda).


Wie reagieren die Küken auf schlechte Versorgung?

Überrascht hat uns, dass sich schlechtere Versorgung der Küken in wärmeren Jahren nicht in einem geringeren Bruterfolg niederschlug. Das lag daran, dass die meisten Küken bis zum Flüggewerden überlebten, auch wenn sie dafür länger benötigten und viel leichter waren als die Jungen in den besseren Jahren. Die Küken kommunizierten ihren größeren Hunger an die Altvögel, indem sie mehr und intensiver bettelten. So stiegen die Zahlen der Bettelrufe, mit denen die Küken die heimkehrenden Altvögel begrüßten, von 300 Rufen auf über 1000 Rufe und die Dauer des Bettelns nach der Ankunft des Altvogels von 14 Minuten auf über 40 Minuten an. Die Küken zeigten also deutliche Anzeichen von schlechter Versorgung, die sich in Studien an anderen Seevögeln auf die weitere Entwicklung durch reduzierte kognitive Fähigkeiten und ein schlechter ausgebildetes Immunsystem auf Überleben und Fitness auswirkte. Unsere bisherigen Untersuchungen zeigen allerdings, dass die Küken der Dünnschnabel-Walvögel die Folgen der unterschiedlichen Umweltbedingungen auf ihre Entwicklung weitgehend abpuffern konnten. Zum Beispiel war die Entwicklung ihres Immunsystems nur vom Alter, aber nicht von ihrer Körperkondition abhängig. Das könnte die Küken vor Spätfolgen der schlechteren Versorgung schützen und erklären, warum Altvögel selbst in schlechten Jahren ihr einziges Küken bis zum Flüggewerden füttern. Küken hatten außerdem eine eingeschränkte Hormonantwort auf akute Stressoren und sparten dadurch Energie. Außerdem machte dieses Verhalten die Tiere zu einer besonders guten Studienart, denn tägliche Nestkontrollen hatten keinen Einfluss auf das Kükenwachstum oder den Hormonstatus der Küken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Dünnschnabel-Walvögel eine sehr gute Indikatorart für Veränderungen im Meeresökosystem des Südwestatlantiks darstellen. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass der Bruterfolg allein wenig aussagekräftig ist und dass sich auch Populationstrends nur relativ langsam verändern werden. Dagegen ermöglichen Verhaltensmessungen wie die Fütterraten der Altvögel und die Bettelraten der Küken ein sehr zeitnahes Monitoring der Zooplankton-Abundanz. Solche Parameter können als frühzeitige Warnung für Veränderungen im Ökosystem genutzt werden.



Hochflexibles Zugverhalten

Während das Zugverhalten einiger der größten Seevogelarten, vor allem der Albatrosse, seit einigen Jahren erfolgreich mit Satellitensendern verfolgt werden kann, ist das bei kleineren Arten noch nicht möglich. Auch Beringungsmethoden oder Radiotelemetrie, wie sie an Land eingesetzt werden, haben auf dem offenen Ozean wenig Erfolgsaussichten. Trotz dieser Schwierigkeiten konnten wir einige Details im Zugverhalten von Dünnschnabel-Walvögeln entschlüsseln. Um Näheres über die Überwinterungsorte zu erfahren, wurden von Brutvögeln auf New Island je eine kleine Feder entnommen sowie Flügel von Tieren gesammelt, die Skuas zum Opfer gefallen waren. Kleine Proben dieser Federn wurden dann mit einem hochsensiblen Massenspektrometer auf ihren Gehalt an stabilen Isotopen der Elemente Kohlenstoff und Stickstoff untersucht. Insbesondere das schwere Isotop C13 des Kohlenstoffs ist im Meer nicht gleichmäßig verteilt. Seine Häufigkeit in den Algen, die die Grundlage der ozeanischen Nahrungsnetze bilden, nimmt mit geringerer Meerestemperatur ab. Dadurch haben die Tiere im Nahrungsnetz des Antarktischen Ozeans einen niedrigeren Gehalt an C13 als Tiere in gemäßigten Meeresgebieten. Die Federn der Dünnschnabel-Walvögel werden im Winter erneuert und speichern die Information über den Aufenthaltsort in einem charakteristischen Isotopenmuster. Die Untersuchungen zeigten, dass Dünnschnabel-Walvögel vor allem ein Gebiet in antarktischen Gewässern zur Mauserzeit im Winter aufsuchen. Dort blieben die meisten Vögel für die gesamte Mauserzeit. Einzelne Walvögel mauserten jedoch auch weiter nördlich vor Südamerika. Wir wollten daher herausfinden, ob es sich bei den etwa 10 % der Vögel, die in südamerikanischen Meeresgebieten mausern, um eine genetisch getrennte Gruppe handelt. Auch dies konnte anhand der stabilen Isotope bestimmt werden. Beringte Vögel, die in mehreren Jahren beprobt wurden, hatten zwar eine Tendenz, wieder in das gleiche Gebiet zu fliegen, konnten aber auch im jeweils anderen Gebiet mausern. Zudem kam es auch vor, dass ein Vogel im Laufe des Winters erst in die Antarktis und später weiter nach Norden wanderte. Die Ergebnisse zeigen, dass nicht nur die Art, sondern auch einzelne Dünnschnabel-Walvögel ein hoch flexibles Verhalten zeigen. So können sie in den riesigen Meeresgebieten mit ihren oft unvorhersagbaren, durch Wetterlagen und ozeanografische Zyklen bestimmten Gebieten erfolgreich den Winter überleben, ihr Federkleid erneuern und Reserven für die kommende Brutsaison anlegen. Über die genauen Überwinterungsorte werden wir hoffentlich bald mehr wissen, wenn wir im Dezember 2010 die ersten mit Geolokatoren (Lichtloggern) ausgerüsteten Altvögel wieder fangen.

Stabile Isotope in Federn bleiben über die Zeit erhalten. Um historische Trends in der Zugrichtung zu verfolgen, kann man daher auch Isotopenmuster in alten Federproben messen, zum Beispiel an Museumsexemplaren. Wir haben eine solche Untersuchung durchgeführt und dafür Museen in aller Welt angeschrieben oder aufgesucht. Vor allem im Zeitraum 1913-1915 war eine größere Zahl von Walvögeln gefangen worden. Von diesen Vögeln hatten die meisten (55 %) in gemäßigten Meeresbreiten gemausert, während das in der Zeit von 2003-2005 nur noch 8 % taten. Gemeinsam mit Daten von Wrecks deutet dies darauf hin, dass die Dünnschnabel-Walvögel in den letzten Jahren durch die Erwärmung des Meerwassers im Winter vor Südamerika nicht mehr ausreichend Nahrung finden und auf südlichere Gebiete ausweichen.


Dr. Petra Quillfeldt leitet die AG Seevogelökologie an der Vogelwarte Radolfzell. Neben den Projekten auf New Island arbeitet sie an antarktischen und pazifischen Seevögeln sowie Wasservögeln und Sittichen.

Dr. Juan F. Masello ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Vogelwarte Radolfzell. Er arbeitet an Sittichen, und leitet das Burrowing Parrot Project. Seit 2001 ist er an Seevogel-Projekten beteiligt.


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Literatur zum Thema:

Quillfeldt P, Masello JF, Strange IJ 2003: Breeding biology of the Thin-billed prion Pachyptila belcheri at New Island, Falkland Islands, in the poor season 2002/2003: Egg desertion, breeding success and chick provisioning. Polar Biology 26: 746-752.

Quillfeldt P, Strange IJ, Segelbacher G, Masello JF 2007: Male and female contributions to provisioning rates of Thin-billed prions Pachyptila belcheri in the South Atlantic. J. Ornithol. 148: 367-372.

Quillfeldt P, Strange IJ, Masello JF 2007: Sea surface temperatures and behavioral buffering capacity in Thin-billed prions: breeding success, provisioning and chick begging. Journal of Avian Biology 38: 298-308.

Quillfeldt P, McGill RAR, Strange IJ, Masello JF, Weiss F, Brickle P, Furness RW 2008: Stable isotope analysis reveals sexual and environmental variability and individual consistency in foraging of Thin-billed prions. Marine Ecology Progress Series 373: 137-148.

Quillfeldt P, Schenk I, McGill RAR, Strange IJ, Masello JF, Gladbach A, Roesch V, Furness RW 2008: Introduced mammals coexist with seabirds at New Island, Falkland Islands: Abundance, habitat preferences and stable isotope analysis of diet. Polar Biology 31: 333-349.

Quillfeldt P, Voigt CC, Masello JF 2010: Plasticity versus repeatability in seabird migratory behaviour. Behavioral Ecology and Sociobiology 64: 1157-1164.

Quillfeldt P, Masello JF, McGill RAR, Adams M, Furness RW 2010: Moving polewards in winter: a recent change in migratory strategy of a seabird. Frontiers in Zoology 7: 15 (11pp.)

Quillfeldt P, Michalik A, Veit-Köhler G, Strange IJ, Masello JF in press: Inter-annual changes in diet and foraging trip lengths in a small pelagic seabird, the thin-billed prion Pachyptila belcheri. Marine Biology.

Weiterführende Links:
AG Quillfeldt am MPI-O www.orn.mpg.de/nwg/abtquillfeldt.html
New Island www.falklandswildlife.com


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Eine Nacht voller Walvögel

Eine wolkenlose Nacht - die Sterne sind so hell, dass wir fast keine Taschenlampe brauchen, um den Weg in die Kolonie der Walvögel zu finden. Die Milchstraße zeichnet sich deutlich ab, über uns steht das Kreuz des Südens. Wir sind auf New Island am westlichen Zipfel des Falkland-Archipels und hier als Menschen deutlich in der Unterzahl. Die Insel wird tagsüber von den Rufen Tausender Pinguine erfüllt, vom Pfeifen der Magellangänse, die ihre Territorien gegen Nachbarn und Greifvögel verteidigen, und an den Küsten bellen die Seelöwen und schnaufen die Delfine beim Auftauchen aus den kalten Wellen des Südwestatlantiks. Nachts jedoch beherrschen zwei Millionen Brutpaare der Dünnschnabel-Walvögel die Insel. Diese faszinierenden Hochseevögel nutzen den oft reich gedeckten Tisch kleiner Zooplankton-Krebse im Falklandstrom. Was passiert jedoch, wenn wärmere Wasserströme diese reichen Nahrungsquellen zeitweise versiegen lassen? Um diese und andere Fragen zur Ökologie und zum Verhalten der Walvögel zu untersuchen, sind wir nun die fünfte Saison auf der Insel. Da die Walvögel in der Nacht ihre Nester aufsuchen, um die Jungen zu füttern, und ihre Nester außerdem in Gängen unter der Erde graben, mussten wir uns nicht nur im Tagesrhythmus, sondern auch in der technischen Ausrüstung anpassen. Gerade wollen wir einen Altvogel mit einem Radiosender versehen, um ihn in den kommenden drei Wochen bei jedem seiner Besuche am Nest ohne weitere Störungen aufspüren zu können. Kalter Wind aus Südwest weht uns um die Nase, als wir aus der Feldstation in die Nacht hinaustreten. Wind aus der Antarktis, der reiches Futter für die Walvögel verspricht und für uns gute Chancen, unseren Zielvogel in seinem Nest zu finden.


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Geschichte und Forschung auf New Island

New Island ist eine kleine Insel im Südwesten des Falkland-Archipels, etwa 200 km östlich von Stanley und 350 km von der argentinischen Küste entfernt. Die Insel ist heute eines der schönsten Naturschutzgebiete im Südwestatlantik und hat sowohl für die Zahl der brütenden Seevögel als auch für die Vielfalt von BirdLife International den Status Important Bird Area erhalten. Besonders bedeutend ist New Island für eine kleine Hochseevogelart, den Dünnschnabel-Walvogel, der hier mit geschätzten zwei Millionen Paaren brütet. Weiterhin dient die Insel unter anderem Esels-, Magellan- und Felsenpinguinen, Schwarzbrauenalbatrossen, Blauaugenkormoranen, Blutschnabelmöwen und Magellangänsen als Brutgebiet.

Dabei hat New Island in der Vergangenheit viele Eingriffe verkraften müssen. Als Ian Strange, der Gründer des New Island Conservation Trust, im Jahr 1973 die Insel erwarb, hatte sie über 100 Jahre lang der Schafzucht gedient. Die Insel war von Drahtzäunen in Weidegebiete geteilt, von denen einige mit eingeführten Grasarten bewachsen und viele von Erosion gekennzeichnet waren. Von Schafzüchtern ausgesetzte Schweine sollten die "Plage" der Walvögel durch Ausgraben "mildern", damit die Schafe nicht in deren Bruthöhlen einbrachen und sich verletzten. In den Seevogelkolonien wurde Guano abgebaut, an moorigen Stellen der Torf, und Eier der Albatrosse und Pinguine wurden in großer Zahl für den eigenen Bedarf und zum Verkauf gesammelt. Schon lange vor dieser Zeit hatten Robbenfänger auf der Insel Seelöwen gejagt, sowie Tausende Pinguine zur Ölgewinnung getötet. Von 1908 bis 1916 war eine Walfangstation auf der Insel ansässig. Spätestens auf diese Zeit geht auch die Einführung von Mäusen und Ratten zurück. Kaninchen wurden als zusätzliche Fleischquelle ausgewildert. Um die Mäuse zu kontrollieren, wurden später auch Katzen frei laufen gelassen. Bisher sind nur die Schafe, Schweine und Zäune verschwunden - die Katzen, Kaninchen, Mäuse und Ratten, gemeinsam mit eingeführten Grasarten und Ginster gehören bislang zum historischen Erbe der Insel. Seit 1995 verwaltet der New Island Conservation Trust die Insel, der sie von der Familie Strange übernommen hat mit dem Ziel, das Eiland dauerhaft zu schützen und Forschungsprojekte im Sinne des Artenschutzes zu unterstützen. Dünnschnabel-Walvögel stehen seit dem Jahr 2002 im Mittelpunkt eines durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Regierung der Falkland-Inseln unterstützten Forschungsprojektes. Die Freilandarbeiten auf New Island werden logistisch durch den New Island Conservation Trust und durch Ian, Maria und Georgina Strange unterstützt. Ohne die durch den Trust bereitgestellte Infrastruktur und den großen Einsatz der Familie Strange wären unsere Arbeiten auf dieser abgelegenen Insel wohl kaum möglich.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2010
57. Jahrgang, September 2010, S. 370-376
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2010