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ORNITHOLOGIE/166: Albatros - archäologischer Fund in Amsterdam (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2009

Ornithologie aktuell

Albatros: Fund in Amsterdam


Am 19. Oktober 1977 wurden bei Grabungsarbeiten in Amsterdam in einer Tiefe von fünf Metern Teile des Oberschnabels eines großen Seevogels gefunden. Der Fund, der sich nun in der Sammlung des Archäologischen Dienstes für Denkmalschutz und Archäologie der Stadt befindet, gilt als erster Albatrosfund (Diomedea) auf holländischem Boden. In jüngster Zeit wurden verschiedene Albatrosse auf europäischen Meeren einschließlich der Nordsee beobachtet, bislang jedoch kein einziger in Holland. Deshalb gilt der Fund als etwas ganz besonderes. Die Fundstelle wurde im Jahre 1876 mit städtischem Abraum und Abfällen von Schiffen aufgefüllt und im Rahmen des Baues des Zentralbahnhofs mit Sand bedeckt. 1977 erfolgten umfassende Erdarbeiten im Zusammenhang mit dem Bau der U-Bahnlinie, die schließlich den Fund zutage förderten.

Im Unterschied zu Bäumen, die den Kohlenstoff unmittelbar aus der Luft beziehen, scheidet die C-14 Bestimmung zur Ergründung des Alters des 162 mm langen Oberschnabels bei Beutegreifern aus, da diese den Kohlenstoff über die Beute zu unspezifisch speichern. Dennoch gilt als wahrscheinlich, dass der Albatrosschnabel zu einem Vogel gehörte, der von einem Seefahrer oder Schiffsreisenden gefangen wurde und später als Überrest im Hafenabfall oder durch das Auffüllmaterial an die Fundstelle verbracht wurde. Demzufolge konnte der Schnabel aus der Zeit der großen Seefahrten des 17. und 18. Jahrhunderts mit holländisch-ostindischen Handelsbeziehungen stammen, deren Routen den Atlantik und Indischen Ozean bis nach Indien, Indonesien und Sri Lanka führten. Diese Schiffsrouten kreuzten verschiedene Brutgebiete von Albatrossen, die die Schiffe oft begleiteten. Auch im 19. Jahrhundert wurden diese Routen von Segel- und Dampfschiffen befahren, sodass der Schnabel vom frühen 17. Jahrhundert bis zum Jahre 1876 datiert wurde, dem Jahr, in dem der ursprüngliche Hafen aufgefüllt wurde. Eine Herkunft aus prähistorischer Zeit gilt nicht zuletzt aufgrund der Morphologie und Konsistenz als ausgeschlossen. Von den bislang 19 Albatrosnachweisen bzw. -hinweisen und -berichten in Europa, darunter auch einer aus dem Jahre 1912 vom Ammersee, gelten nur wenige als echt in dem Sinne, dass sie von einem wandernden Vogel in Europa stammen, der unmittelbar, d.h. ohne äußere menschliche Einwirkung, zum Fundort gelangten. (wir)

E. Soldaat u.a., Dutch Birding 31: 1-16, 2009.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 9/2009
56. Jahrgang, September 2009, S. 322-323
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2009