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ORNITHOLOGIE/155: Wanderung mit Rucksack - Satellitentelemetrie bei Vögeln (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2009

Wanderung mit Rucksack: Satellitentelemetrie bei Vögeln

Von Bernd-Ulrich Meyburg und Christiane Meyburg


Zugvögel auf ihren oft weiten Reisen in ferne Kontinente begleiten zu können, ist ein alter Menschheitstraum. Forscher haben in früheren Jahren einzelne mit Kleinsendern markierte Vögel über oft beträchtliche Strecken mit Kleinflugzeugen und sogar Fahrzeugen auf dem Boden verfolgt. Die vollständigen Jahresrouten zu dokumentieren - in neuester Zeit sogar in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren - gelingt jedoch nur mittels der Satellitentelemetrie. Durch die Einführung der GPS-Technik in die Satellitentelemetrie gibt es inzwischen neben der Zugvogelforschung viele weitere Anwendungsgebiete, wie z. B. die Erforschung des Verhaltens im Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiet. Genaue Analysen der Größe der Aufenthaltsräume (home ranges), der Habitatnutzung, des Territorialverhaltens, der Tagesaktivität, des Flugverhaltens (Flughöhe, Fluggeschwindigkeit) usw. sind jetzt möglich. Bernd und Christiane Meyburg schildern uns in ihrem Beitrag die rasante Entwicklung der Satellitentelemtrie.


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Am 21. Juli 2009 feiert die Satellitentelemetrie ihr 25-jähriges Bestehen als Forschungsmethode in der Ornithologie. An diesem Tage vor einem Vierteljahrhundert wurde der erste Vogel, ein Weißkopfseeadler, in den USA mit einem 170 g schweren Satellitensender (PTT = platform transmitter terminal) versehen, der bis zum 19. März 1985 Daten übermittelte.

Seither nahm die Satellitentelemetrie eine stürmische Entwicklung, insbesondere seit Beginn der 1990er Jahre. Dies fand z. B. auch darin seinen Niederschlag, dass 1998 ein Symposium über die Satellitentelemetrie in der Ornithologie während des 22. Internationalen Ornithologen-Kongresses in Durban (Südafrika) von uns abgehalten werden konnte.


Das Argos-System

Kernstück der Satellitentelemetrie ist das Argos-System. Es empfängt die Signale der Sender mithilfe von NASA-Satelliten, die die Erde in einer Höhe von durchschnittlich 850 km umkreisen. Die von den Satelliten empfangenen Daten werden über verschiedene, über die Erde verteilte Empfangsstationen zu zwei Zentren in Frankreich und in den USA weitergeleitet und dort jeweils parallel ausgewertet. Mithilfe dieses Systems ist es möglich, die Ortsveränderungen einzelner Individuen weltweit permanent über längere Zeiträume hinweg zu untersuchen. In neuerer Zeit dienen auch Handy-Netze zur Datenübertragung.


Von der Doppler- zur GPS-Ortung - ein Quantensprung

Bis vor acht Jahren wurden die Sender ausschließlich mithilfe des sogenannten Doppler-Phänomens durch das Argos-System geortet. Die Frequenz der Sender ändert sich scheinbar bei der Annäherung der Satelliten an dieselben, beim Überfliegen und beim sich wieder Entfernen. Durch diese scheinbare Frequenzänderung lassen sich zwei Ortungen links und rechts der Flugbahn des Satelliten berechnen, allerdings vermag Argos nicht festzustellen, welche der beiden Lokalisationen die Richtige ist. Doppler-Ortungen haben den großen Nachteil, dass sie nur in wenigen Fällen (ca. 1 bis 5 %) auf wenige Hundert Meter genau sind. Daher muss der Forscher sehr kritisch prüfen, welche Ortungen überhaupt berücksichtigt werden können. Viele Lokalisationen sind nämlich viel zu ungenau oder sogar völlig falsch. Das Argos-System liefert zwar eine Einschätzung der einzelnen Lokalisationen und teilt die Ortungen in wahrscheinlich genaue und weniger genaue ein. Da diese Genauigkeit aber nicht von Argos garantiert werden kann, bleibt es letztendlich dem Untersucher vorbehalten zu entscheiden, welche Ortungen er berücksichtigen will und welche er verwirft. Dabei sind Erfahrung und Kenntnis der untersuchten Art sehr wichtig. Oft lassen wir 80 bis 90 % der Ortungen unberücksichtigt. Die Doppler-Ortungen reichten aus, um die Zugwege und Überwinterungsgebiete recht präzise erforschen zu können; kleinräumige Ortsveränderungen im Brutgebiet waren mit dieser Methode jedoch nicht feststellbar.

Kurz nach der Jahrtausendwende wurden erstmals PTTs mit Solarbetrieb und GPS-Ortung verfügbar, die klein und leicht genug waren (zunächst 65 g), um damit größere Vogelarten markieren zu können. GPS (= Global Positioning System, deutsch: Globales Positionsbestimmungssystem) ist ein seit dem 26. Juni 1993 funktionierendes System des US-Verteidigungsministeriums bestehend aus 24 Satelliten.

Die GPS-Ortungen sind stets auf wenige Meter genau. Damit wurde eine exakte Analyse der Größe der Aufenthaltsräume im Brut- und Überwinterungsgebiet sowie in Rastgebieten möglich. Raum- und Habitatnutzung lassen sich präzise ermitteln. Die GPS-Daten zu Flughöhe, -geschwindigkeit und -richtung erlauben Aufschlüsse über das Verhalten der Tiere. Bisher war es methodisch sehr schwierig bis unmöglich, Flughöhen und -geschwindigkeiten genau zu messen. Die Datenübertragung erfolgt weiterhin über das Argos-System, sodass bei dieser Art von Telemetrie zwei verschiedene Satellitensysteme beteiligt sind. Inzwischen werden diese Sender auch mit einem Gewicht von 45 g, 30 g und 22 g vertrieben. Ferner gibt es 45 g und 105 g schwere GPS-Sender mit Batteriebetrieb. Der Vorteil der GPS-Satellitentelemetrie gegenüber der bisherigen Satellitentelemetrie mit Doppler-Ortung liegt nicht nur in der viel größeren Genauigkeit, sondern die Zuverlässigkeit der Ortungen kommt entscheidend hinzu. "Schlechte" Lokalisationen, mit denen die Forscher bisher stets zu kämpfen hatten, gibt es hier nicht.


Der lange Weg zum idealen Sender

Der Schwachpunkt des Systems sind die Sender, die bei Vögeln naturgemäß klein und leicht sein müssen. Diese müssen 1000-mal stärkere Signale senden, um von den Satelliten empfangen zu werden, als sogenannte Bodentelemetrie-Sender bei der VHF-Telemetrie (= Very high frequency-Telemetrie), bei der in der Regel Beobachter auf der Erde mit Handantennen die Signale empfangen und den Vogel orten. Von den knapp 10000 Vogelarten sind nur etwa 1500 groß genug, um selbst den kleinsten derzeit verfügbaren, knapp 5 g schweren Sender zu tragen. Unserer Auffassung nach sollte das Gewicht der Sender einschließlich der Befestigungsbänder 3 % des Körpergewichts der Vögel nicht überschreiten. Deshalb gibt es parallel zur Entwicklung immer kleinerer und leichterer PTTs auch die Entwicklung von sogenannen Geodatenloggern oder Geolocators. Bei ihnen erfolgt die Positionsbestimmung anhand des Sonnenauf- und Sonnenuntergangszeitpunktes. Sie sind deutlich kostengünstiger als PTTs, ihre Ortungen sind jedoch sehr ungenau. Außerdem werden die Daten nur gespeichert, nicht aber übermittelt, die Vögel müssen also wiedergefangen werden.

Fast schneller als von uns erwartet, gelang es immer kleinere Sender mit Solarbetrieb herzustellen und damit auch immer kleinere Arten zu untersuchen. Im Jahre 2000 wurden PTTs mit Doppler-Ortung mit einer Masse von ca. 18 g verfügbar, sodass wir ab 2001 auch Wespenbussarde und Milane besendern konnten.

Beim Verlauf der technischen Entwicklung der in der Satellitentelemetrie einsetzbaren Sender lassen sich drei Zeitphasen unterscheiden: der Zeitraum, in dem lediglich PTTs mit Batteriebetrieb und Doppler-Ortung zur Verfügung standen, die Phase, in der es dann Sender mit Solarbetrieb und Doppler-Ortung gab, und schließlich die letzte Phase, in der PTTs mit GPS-Ortung eingesetzt werden können. Die Zeiträume richten sich jeweils nach der Größe der Arten bzw. Sender.

Der führende Hersteller in den USA hat sich das Ziel gesetzt, dem theoretisch idealen Sender möglichst nahe zu kommen: Er soll praktisch nichts wiegen, so klein wie nur irgend möglich sein und beliebig viele Daten über einen unbegrenzt langen Zeitraum liefern können.

Wenn es gelingt nur 2g schwere PTTs herzustellen, könnte die Hälfte der Vogelarten damit telemetriert werden. Derzeit gibt es alle Komponenten um 4 g oder sogar nur 3 g schwere Sender mit Doppler-Ortung zu konstruieren. Bis 2010 können nach Schätzung des führenden Herstellers in den USA wahrscheinlich 18 g schwere Sender mit GPS-Ortung und bis 2011 sogar nur 12 g schwere GPS-Sender hergestellt werden.


Mit dem kleinsten Satellitensender der Welt ins südliche Afrika

Der Prototyp des kleinsten, nur knapp 5 g wiegenden Senders mit Solarbetrieb kommt diesem Ziel schon recht nahe. Er konnte von uns erstmals mit Erfolg bei einem adulten brandenburgischen Baumfalken-Weibchen eingesetzt und die Jahresroute erfolgreich dokumentiert werden.

Am 9. August 2008 wurde das Tier in der Nähe von Berlin gefangen und besendert. Nach dem Abzug in der zweiten Augusthälfte und nach kurzer Rast vom 6. bis 13. September auf der Insel Elba vor der Westküste Italiens verlief der Zug zunächst weiter in südlicher Richtung bis nach Nordafrika. Diese Richtung hielt der Falke weitgehend ein, bis er am 17. Oktober das südliche Angola, sein Hauptüberwinterungsgebiet, erreichte. Nach über zwei Monaten zog er in südöstlicher Richtung weiter und kam am 29. Dezember in Simbabwe an. Am 1. Januar 2009 erreichte er den südlichsten Punkt seiner Zugroute zwischen Bulawayo und Harare im zentralen Simbabwe. Die Zugstrecke ab Brutplatz ohne regionale Bewegungen in Angola betrug bis hierher über 10000 km. Ohne sich länger in Simbabwe aufzuhalten zog der Baumfalke sogleich wieder zurück ins Überwinterungsgebiet in Angola. Im Mai fand sich das Baumfalkenweibchen wieder an seinem alten Brutplatz in Brandenburg ein.

Es konnten interessante Daten über die genutzten Habitate im Überwinterungsgebiet, die Größe des home ranges im Winter, die Zuggeschwindigkeiten bei der Überwindung ökologischer Barrieren (z. B. der Sahara) usw. gewonnen werden.

Als eine wichtige ökologische Barriere stellte sich der äquatoriale Regenwald Westafrikas heraus. Hier wurde auffällig schnell gezogen, bis zu etwa 580 km pro Tag - teilweise auch nachts. Um bis zum nördlichen Rand des Gebietes zu gelangen, flog der Vogel am 14. April 2009 nach Sonnenuntergang noch ca. 260 km weit und erreichte seinen Übernachtungsplatz schon außerhalb dieses Habitats erst gegen Mitternacht. Auf einem 57 km langen Teilstück zog er dabei mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 34,2 km/h.

Doch auch im Überwinterungsgebiet verhielt sich der kleine Falke auffällig reisefreudig, was anhand von 543 Ortungen dokumentiert werden konnte. Von den knapp 25 Wochen im Süden hielt sich der Vogel bis sechs Wochen vor Beginn des Heimzugs nie auch nur eine Woche lang an einem Ort auf. Er legte während der Überwinterung vom 16. Oktober 2008 bis zum 7. April 2009 insgesamt mindestens 9025 km zurück. Diese Berechnung beruht auf der Addition der Entfernungen zwischen den 76 genau lokalisierten Übernachtungsplätzen, die etwas weniger als die Hälfte aller Schlafplätze ausmachen. Innerhalb Angolas lagen diese Punkte, die meist im Abstand von 48 Stunden ermittelt werden konnten, manchmal über 300 km auseinander. Die tatsächlich während der Überwinterung zurückgelegte Strecke dürfte somit weit größer gewesen sein.

Obwohl bisher weit über 5000 Baumfalken in den letzten Jahrzehnten in verschiedenen Ländern Europas beringt wurden, liegen bisher nur zwei Ringfunde aus Afrika südlich der Sahara vor. Dies zeigt, wie rasch der Kenntnisstand mittels der Satellitentelemetrie vorangetrieben werden kann.


Rekorde auf dem Zug: Schreiadler als Pionier in der Zugforschung

2004 wurden Satellitensender mit Solarbetrieb und GPS-Ortung verfügbar, die klein und leicht genug waren, um mittelgroße Vogelarten, wie z. B. Schreiadler damit zu markieren. Mit diesen Sendern haben wir seit 2004 in größerer Zahl Schrei-, aber auch Schell- und Fischadler markiert.

Das erste Schreiadlerweibchen, welches im Juli 2004 mit einem GPS-Sender in Brandenburg von uns versehen wurde, lieferte gleich auf dem ersten Herbstzug Überraschungen. Nicht selten wurde das Tier in Flughöhen über 2000 m ü. NN geortet, stets auf dem Zug und im Überwinterungsgebiet in Namibia.

36-mal wurden Fluggeschwindigkeiten von 80 km/h und mehr gemessen, dreimal 100 km/h und mehr, maximal 114 km/h. Alle hohen Geschwindigkeiten wurden südlich der Sahara festgestellt, lediglich einmal 80 km/h in Israel. Eine starke Häufung hoher Fluggeschwindigkeiten konnte besonders in Namibia verzeichnet werden, jeweils einmal 103 und 114 km/h während einmal 100 km/h in Tansania am 9. März 2005 auf dem Frühjahrszug aufgezeichnet wurden.

Die höchsten durchschnittlichen Fluggeschwindigkeiten jeweils im Verlauf einer Stunde erreichte das Schreiadlerweibchen bei seiner Ankunft im Überwinterungsgebiet in Namibia am 17. Januar 2006. Es legte innerhalb von sechseinhalb Stunden 379 km zurück, im Durchschnitt über 58 km/h. Dabei wurden dreimal aktuelle Geschwindigkeiten von 90 bis 100 km/h und einmal 114 km/h gemessen.


Riesige Überwinterungsgebiete bei Greifvögeln

Erstmals konnten mittels der GPS-Telemetrie auch die Überwinterungsaufenthaltsräume von Schreiadlern und anderen Arten, die teilweise riesige Ausdehnungen haben, sehr präzise erfasst werden. Bisher hatte man über die Raumbeanspruchung in dieser Phase kaum genaue Vorstellungen. So nutzte das erste markierte Schreiadlerweibchen mit GPS-Sender 41861 vom 9. Dezember 2004 bis zum 20. Februar 2005 eine Fläche von 76 700 km² in Namibia und Botswana. Zum Vergleich: Bayern hat eine Fläche von 70554 km². Aus diesem Zeitraum liegen 963 Ortungen vor, die auch eine Analyse der Tagesaktivität, der Habitatnutzung usw. ermöglichen. Im darauffolgenden Winter traf das Weibchen erst am 17. Januar 2006 im alten Überwinterungsgebiet in Namibia ein, da es viel länger unterwegs im Kongo und in Sambia gerastet hatte. Der Aufenthaltsraum bis zu seinem Abzug am 20. Februar war dieses Mal sehr viel kleiner. Bei diesem Vogel gelang es inzwischen in fünf aufeinanderfolgenden Wintern die Überwinterung mittels mehrerer Tausend GPS-Ortungen genau zu dokumentieren, bisher wohl einmalig in der Ornithologie. Weniger aufeinanderfolgende Überwinterungen konnten inzwischen bei etlichen weiteren Individuen dokumentiert werden. Ein noch größeres Überwinterungsgebiet im südlichen Angola hatte der erste bisher telemetrierte Baumfalke, über 300000 km².


Langzeit-Telemetrie

Die Beantwortung vieler Fragen, wie z. B. die nach der Ortstreue am Überwinterungsplatz, die Übereinstimmung oder das Abweichen der Zugrouten und Zugzeiten in verschiedenen Jahren usw., setzt das Telemetrieren einzelner Individuen über mehrere Jahre hinweg voraus. Einzelne der von uns eingesetzten Sender lieferten über fünf Jahre und länger Daten. Den Weltrekord hält ein adultes Schelladlerweibchen, welches im Sommer 1999 von uns besendert wurde und derzeit (Juni 2009) nach zehn Jahren noch immer Ortungen liefert. Es überwinterte stets im Göksu-Delta in der Türkei, wo es auch beobachtet und fotografiert wurde. Zwar wurden auch Weißstörche so lange telemetriert, dabei wurden aber ihre Sender ausgetauscht. Ein Schelladlermännchen, welches ein Jahr später besendert wurde und stets im Sudan überwinterte, lieferte sieben Jahre lang Daten, ebenso ein Schreiadlermännchen aus Mecklenburg-Vorpommern.


Batterie- oder Solarbetrieb? - schlechte Karten für Nordländer

Als wir 1992 mit der Satellitentelemetrie begannen, gab es nur Sender mit Batteriebetrieb. Durch entsprechende Programmierung wurde versucht, die Lebensdauer der Sender möglichst zu strecken. Dies hatte zur Folge, dass z. B. nur alle vier oder fünf Tage einige Stunden lang Ortungen erhalten wurden. Auf diese Weise gelang es, 1994/95 den Herbst- und Frühjahrszug nebst Überwinterung eines Schreiadlermännchens aus Mecklenburg-Vorpommern vollständig zu erfassen, auch wenn die Ortungspunkte auf den Zugrouten relativ weit auseinander lagen. Wahrscheinlich ist dies der erste Zugvogel überhaupt, bei dem das Ziel, eine vollständige Jahresroute dokumentieren zu können, erreicht wurde. In den meisten Fällen setzten damals die Batterien vor Beginn des Frühjahrszuges aus. Auch in neueren Telemetrie-Arbeiten werden daher oft nur die Herbstrouten beschrieben.

Uns kam es jedoch darauf an, vollständige Jahresrouten zu dokumentieren und möglichst sogar mehrere Jahresrouten ein und desselben Vogels zu vergleichen. Da dies mit Batteriebetrieb nicht erreichbar war, drängten wir den Hersteller unserer Sender immer wieder dazu, Sender mit Solarbetrieb herzustellen. Im Sommer 1993 war es soweit: Ein Seeadlernestling in Brandenburg konnte mit dem Prototyp eines Solar-Senders markiert werden. Als diese Sender dann auch schnell kleiner und leichter wurden, sind wir dazu übergegangen, nur noch Solar-Sender einzusetzen. Diese Sender liefern teilweise Tausende Ortungen eines einzigen Vogels.


Begrenzender Faktor: Licht

Bei ausreichendem Lichteinfall können die Sender mit Solar-Betrieb permanent senden und damit fast eine unbegrenzte Zahl von Ortungen liefern, was sich infolge der hohen Datenübertragungskosten bei Argos jedoch im Budget des Forschers schnell bemerkbar macht. Untersuchungen etwa in Afrika sind mit Solarsendern praktisch ohne irgendein technisches Limit möglich. Andererseits lassen sich Projekte weiter entfernt vom Äquator mit dieser Technik wohl nicht realisieren.

Der Seeadler, der am 14.7.1993 von uns besendert worden war, lieferte tausend Ortungen bis zum 1.8.1994. Dieser Sender hatte noch keine spezielle Programmierung. Sobald er ausreichend aufgeladen wurde, begann er zu senden. Anderenfalls stellte er wieder seinen Sendebetrieb ein. Der Jungadler hielt sich das ganze Jahr über, bis auf einen kurzen Ausflug nach Polen, in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg auf. Dabei zeigte sich, dass in den Wintermonaten 1993/94 die Lichtverhältnisse zum permanenten Senden nicht ausreichten und die Zahl der Ortungen sehr stark sank.

Da wir uns jedoch überwiegend mit ziehenden Arten befassen, traf uns diese Erkenntnis weniger, und wir setzten die Besenderung von Nichtziehern nicht weiter fort. Erst bei der Telemetrie von Rotmilanen in Deutschland und Kaiseradlern in der Slowakei trat dieses Problem wieder auf. Schrei-, Schell-, Fisch- und Schlangenadler, Wespenbussarde und Schwarzmilane, die wir untersuchen, ziehen gerade rechzeitig ab. Lediglich auf dem Herbstzug im Oktober kann es manchmal Engpässe und damit Lücken bei den Ortungen geben.

Aus den oben genannten Gründen stellt die Dokumentation der Frühjahrszüge eine besondere Herausforderung dar. In geradezu idealer Weise gelang im Frühjahr 1998 bei einem adulten Schreiadlerweibchen die Dokumentation des Heimzugs, der 64 Tage lang dauerte. Es konnten u. a. sämtliche Übernachtungsplätze auf der 10753 km langen Zugstrecke geortet werden, sodass sich z. B. lückenlos die einzelnen Tagesstrecken berechnen ließen. Der Adler hatte im Krüger-Nationalpark in Südafrika und im angrenzenden Mosambik überwintert, ca. 9000 km Luftlinie vom Brutplatz entfernt. Er verließ am 21. Februar sein Winterquartier und traf am 25. April um 15.15 Uhr (GMT) am Horstplatz ein, was direkt beobachtet werden konnte. An 51 Tagen zog der Vogel im Durchschnitt 211 (18 bis 406) km täglich. Dazwischen wurden insgesamt 13 Rasttage eingelegt, wobei es sich bei vier Tagen in Ostungarn um eine durch Schlechtwetter bedingte "Zwangspause" handelte. Die Ankunft am Brutplatz in Deutschland wurde aufgrund der Zuggeschwindigkeit auf 15 Minuten genau vorausberechnet.

Das Weibchen legte ab Anfang März in Zimbabwe an elf Tagen jeweils über 300 km zurück. Am 14. März bewältigte der Vogel mit 406 km beim Zug in Tansania und Uganda die längste Tagesstrecke auf dem Frühjahrszug. Der Zug war beim Durchqueren der Sahara nicht eindeutig schneller als in den übrigen Bereichen. Insgesamt blieb die Zuggeschwindigkeit ab Anfang März bis zur Ankunft am Brutplatz relativ gleichmäßig.


Seltenheits-Kommissionen und Satellitentelemetrie

Da immer mehr Vögel telemetriert werden, ist es nicht verwunderlich, dass diese - meist unbemerkt - auch Länder, besuchen, in denen sich Seltenheits-Kommissionen für sie interessieren. So zogen 2008 gleich drei junge Schreiadler von uns telemetriert, von Feldbeobachtern jedoch unbemerkt durch die Schweiz, wo zuvor in über einem Jahrhundert nur sechs Individuen dieser Art nachgewiesen wurden. Der Durchzug eines jungen Schelladlers durch Deutschland 2008 führte zu einer Umfrage bei den Seltenheits-Kommissionen in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland, ob denn diese Nachweise anerkannt würden (Falke 2009, H. 1). Die Satellitendaten wurden für sicherer befunden als Feldbeobachtungen. Dabei wurde nicht zwischen GPS- und Doppler-Ortungen unterschieden. Nachweise, die nur auf Doppler-Lokalisationen beruhen, sollten auf jeden Fall von einem Telemetrie-Spezialisten überprüft werden.


Welche Sender für welche Arten?

Welche Vogelarten können mit welchen PTTs telemetriert werden? Dies ist eine Frage, die oft an uns herangetragen wird. Entscheidend ist zunächst das Vogelgewicht. Der Sender einschließlich Befestigung sollte 3 % des Vogelgewichts nicht überschreiten, um die Beeinträchtigung zu minimieren. Dadurch ist die Satellitentelemetrie bei kleineren Vogelarten nach wie vor nicht möglich. Ideal für die Satellitentelemetrie sind mittelgroße bis große Arten, die sich viel im Freien und außerhalb der Brutzeit nahe am Äquator aufhalten. Bei diesen Arten können GPS-PTTs mit Solarbetrieb eingesetzt werden, die ein Maximum an Ortungen über lange Zeiträume erwarten lassen. Ideale Arten in diesem Sinne sind z. B. Fischadler und Schwarzmilan. Je stärker eine Art von diesem Schema abweicht, umso ungünstiger sind die Voraussetzungen. Schwierig sind kleinere Arten zu telemetrieren, die in nördlichen Breiten überwintern.


Was bringt die Satellitentelemetrie für den Artenschutz?

Entsprechend der alten "Weisheit" "ich kann nur schützen, was ich auch kenne" liegt der Nutzen des ungeheuren Wissenszuwachses durch die Satellitentelemetrie auf der Hand. Ein besonders krasses Beispiel war die Telemetrie eines jungen Schreiadlers im Oktober 2008. Dieser wurde am 12.10.08 in der Nähe von Sharm El Sheik im Süden der Sinai-Halbinsel geortet. Vier Tage später wurde das Tier zusammen mit 26 weiteren Jungadlern in den Kläranlagen der Stadt verendet aufgefunden. Diese Zahl entspricht fast der Hälfte des jährlich in Deutschland ausfliegenden Nachwuchses. Sofort von uns eingeleitete Nachforschungen ergaben, dass dort Zugvögel in großer Zahl, darunter viele seltene Greifvögel, regelmäßig tot aufgefunden werden. Jetzt geht es darum, die Todesursache festzustellen und für Abhilfe zu sorgen. Ähnlich gelang es bei nicht wenigen anderen Tieren die Todesursache (Anflug gegen Elektrizitätsleitungen, Abschuss, Vergiftung, Ertrinken im Meer usw.) festzustellen und manchmal sogar die Kadaver zu untersuchen.

Die Sinai-Halbinsel ist eine wahre Todesfalle für große Greifvogelarten, besonders Jungadler. Das Überqueren des Golfs nach Afrika ist für sie gefährlich, die Route nach Nordwesten über Suez finden sie offenbar häufig nicht. Bei Altadlern, die sich ebenfalls vereinzelt in den Süden der Halbinsel verirrt hatten, konnten wir wiederholt den Umweg von über 500 km über Suez telemetrisch dokumentieren, bei einem Jungadler auch das erfolgreiche Überqueren des Golfs von der Südspitze der Halbinsel aus.


Beringen oder besendern?

In manchen Publikationen über Beringungsergebnisse wird über die Satellitentelemetrie reflektiert und darauf hingewiesen, dass trotz dieser Technik die Beringung noch erforderlich sei, so als ob beide Methoden in Konkurrenz zueinander stehen würden. Hier soll noch einmal betont werden, dass dies absolut nicht der Fall ist, im Gegenteil, beide Methoden ergänzen sich. Wir haben stets, sofern irgend möglich, bei der Besenderung die Vögel auch mit Ringen der jeweils zuständigen Beringungszentralen und Farbringen (Kennringen) markiert. Das hat hauptsächlich zwei Gründe: Die Sender liefern nur eine begrenzte Zeit lang Daten und manche Tiere entledigen sich auch der Sender, indem sie die Haltebändchen durchbeißen. In manchen Fällen gelang uns der Nachweis dafür nur durch Beringung und Wiederfang. Da der Wiederfang nur selten gelingt, versehen wir die Vögel möglichst auch mit Kennringen, um so später an den einzelnen Brutplätzen sicherer feststellen zu können, ob die besenderten oder neue Individuen dorthin zurückkehren.


VHF oder UHF-Telemetrie?

Deutlich länger als die Satellitentelemetrie, auch UHF-Telemetrie (UHF = Ultra High Frequency, > 300 MHz) genannt, gibt es die VHF-Telemetrie (VHF = Very High Frequency, 30 bis 300 MHz), die auch als konventionelle oder Bodentelemetrie bezeichnet wird. Zur Ortung sind jedoch im Regelfall mindestens zwei Beobachter vor Ort erforderlich, die mithilfe von Yagi-Antennen und Empfangsgeräten eine Winkelpeilung durchführen. Da der Fehler der Peilung mindestens 5° beträgt, sind die Ortungen entsprechend ungenau, wenn es nicht zur angestrebten direkten Beobachtung des untersuchten Vogels kommt. VHF und UHF-Telemetrie können sich jedoch ergänzen. Im Idealfall können beide Methoden gleichzeitig eingesetzt werden, z. B. wenn es darum geht, das Verhalten im Brutgebiet genau zu untersuchen.

Für Untersuchungen zum Zugverhalten ist die VHF-Telemetrie jedoch ungeeignet. In den USA verfolgte man mit konventionellen Sendern versehene Vögel mit Kleinflugzeugen. Auf diese Weise konnten einige Erkenntnisse gewonnen werden. Der Aufwand war jedoch sehr groß. Oftmals ging vorzeitig der Kontakt verloren. Die vielen politischen Grenzen und auch ökologischen Barrieren schreckten in Europa von vornherein von derartigen Unternehmungen ab.


Bernd Meyburg begann 1962 sich mit Greifvögeln zu beschäftigen und hat seit 1992 etwa 150 Individuen, die 15 Arten angehören, mit Satellitensendern versehen. Christiane Meyburg ist seit 1971 an fast allen Greifvogelprojekten beteiligt, seit 1992 maßgeblich an der Verwaltung und Auswertung der vielen Tausend Telemetriedaten.
Die bisher hervorgegangenen Veröffentlichungen sind unter www.Raptor-Research.de abrufbar.


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Literatur zum Thema:

Meyburg B.-U. & M.Fuller (2007): Satellite tracking. Pp. 242-248 in: Bird, D. M. & K. L. Bildstein (Hrsg.): Raptor Research and Management Techniques. Hancock House Publishers, Surrey, Canada. [pdf: www.Raptor-Research.de]

Meyburg, B.-U. & C. Meyburg (2007): 15 Jahre satellitentelemetrische Untersuchungen an Greifvögeln. Alauda 75: 265-286. [pdf: www.Raptor-Research.de]

Meyburg, B.-U., C. Meyburg, J. Matthes & H. Matthes (2006): GPS-Satelliten-Telemetrie beim Schreiadler Aquila pomarina: Aktionsraum und Territorialverhalten im Brutgebiet. Vogelwelt 127: 127-144. [pdf: www.Raptor-Research.de]

Meyburg , B.-U., C. Meyburg, J. Matthes, & H. Matthes (2007): Heimzug, verspätete Frühjahrsankunft, vorübergehender Partnerwechsel und Bruterfolg beim Schreiadler Aquila pomarina. Vogelwelt 128: 21-31. [pdf: www.Raptor-Research.de]

Informationen im Internet:
www.argos-system.org/manual/
www.Raptor-Research.de


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Zu welchen Fragen sind bei Vögeln Ergebnisse von der Satellitentelemetrie zu erwarten?


Ergebnisse zum Zugverhalten
Verlauf der Zugrouten ziehender Arten (unterscheiden sich die Zugrouten einzelner Individuen in verschiedenen Jahren, evtl. Unterschiede zwischen Alt- und Jungvögel)
Navigation und Orientierung (Unterschiede Jung- und Altvögel, Rückschlüsse auf angeborenes Verhalten und Erfahrung)
geographische Lage der Überwinterungsgebiete
Familienauflösung bzw. Familienzusammenhalt während des Zuges
Zur Frage des Überquerens von ökologischen Barrieren (Gewässer, Gebirge, Wüsten usw.)
Zur Frage, welche Strukturen als Leitlinien des Vogelzugs dienen
Konzentrationspunkte (bottlenecks): Ziehen alle Individuen dort durch und zu welchem Zeitpunkt? Ist eine Erfassung der Gesamtpopulation verschiedener Arten an diesen Punkten durch direkte Beobachtung möglich?
Zugperiode Unterschiede adulte/immature/juvenile Vögel Unterschiede Männchen/Weibchen
Zugdauer Unterschiede Weg- und Heimzug Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Brut- und Überwinterungsgebiet Unterschiede adulte/immature/juvenile Vögel Unterschiede von Jahr zu Jahr
Zuggeschwindigkeit Variation während des gesamten Zuges Individuelle Unterschiede Länge der Tagesstrecken Tatsächliche Durchschnittsgeschwindigkeiten Aktuelle Geschwindigkeiten Tagesprofil des Zugverhaltens Abhängigkeit vom Wetter Abhängigkeit vom Alter des Zugvogels (juvenil, immatur, adult) Abhängigkeit von der Beteiligung und Nichtbeteiligung von Altvögeln am Brutgeschäft Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Überwinterungs- und Brutgebiet

Rastgebiete
- Geographische Lage, Größe und Zahl der Rastgebiete auf der Zugstrecke
- Ökologische Bedingungen in den Rastgebieten
- Aufenthaltsdauer und Verhalten in den Rastgebieten



Ergebnisse zur Dispersion und Dismigration
- bei Arten mit gering ausgeprägtem Zugverhalten


Ergebnisse zum Überwinterungsverhalten
- Geographische Lage der Überwinterungsgebiete
- Größe und Zahl der Streifgebiete (home ranges) im Überwinterungsgebiet
- eventuelles Nomadisieren
- Festhalten an ein und demselben Gebiet in verschiedenen Jahren (Winterortstreue)
- Verhalten im Überwinterungsgebiet


Hängen Zug und Bruterfolg voneinander ab?
 Wodurch kommt es zu verspäteter/verfrühter Frühjahrsankunft am Brutplatz
 (Witterungseinflüsse während des Zuges, verspäteter/verfrühter Abzug
 aus dem Überwinterungsgebiet, Einfluss von Klimaveränderungen)


Verhalten im Brut- und Übersommerungsgebiet
- Verhalten nichtbrütender Altvögel (Ankunft, Reviergröße, evtl. Nomadisieren)
- Verhalten von Altvögeln ohne Bruterfolg (Festhalten am Brutplatz nach Brutverlust?)
- Verhalten immat. Vögel (Größe des Aufenthaltgebietes, Nomadisieren?)


Festhalten am Brutplatz (Brutplatztreue) und Ansiedlungsverhalten
- jährliche Rückkehr zu demselben Brutplatz oder Brutplatzwechsel
- Ansiedlungsverhalten von Erstbrütern



Paarzusammenhalt über mehrere Jahre hinweg
- Ortsehe?


Verbleib immaturer Vögel bis zur Brutreife während der Brutzeit
- Rückkehr ins Brutgebiet/Daueraufenthalt im Überwinterungsgebiet?
- Größe der Streifgebiete, Nomadisieren


Verluste auf dem Zug
- durch menschliche Verfolgung (Feststellung von Schwerpunkten der Verfolgung)
- durch Fehlnavigation
- durch sonstige Verlustursachen


Schicksal ausgewilderter Individuen
(verletzte, gepflegte Greifvögel, Wiederansiedlungsprogramme etc.)


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Satellitentelemetrie während der Tagung der European Ornithologists' Union, Zürich 21. bis 26. August 2009
Ornithologen aus ganz Europa und anderen Kontinenten treffen sich alle zwei Jahre, um Kontakte zu knüpfen und Ideen zu neuen Forschungsprojekten auszutauschen. Die 7. Konferenz findet in Kürze in der Schweiz statt. Unter www.eou2009.ch/ sind alle Informationen zu dieser internationalen Tagung zu finden. Ein Symposium beschäftigt sich ausschließlich mit der Satellitentelemetrie, ein weiteres mit der GPS-Technik in der Ornithologie. Außerhalb dieser Symposien gibt es zahlreiche weitere Vorträge und Poster zu diesen Themenkomplexen.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2009
56. Jahrgang, Juli 2009, S. 256-263
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juli 2009