Schattenblick →INFOPOOL →NATURWISSENSCHAFTEN → BIOLOGIE

ORNITHOLOGIE/154: Die Farben der Vögel - Teil 3 (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2009

Die Bedeutung von Farben: Warum sind Vögel bunt?

Von Friederike Woog


In den bisherigen zwei Artikeln zum Thema "Vögel und Farben" haben wir gesehen, dass Vögel durch eine Fülle verschiedener Farbpigmente und Strukturfarben bunt werden und die meisten Arten über ein ausgezeichnetes Farbsehvermögen verfügen, bis hinein in den ultravioletten Bereich. Der dritte und letzte Beitrag von Friederike Woog ist der Frage gewidmet, welche Bedeutung Farben für Vögel haben.


*


Da Vögel Farben sehr gut wahrnehmen können, ist davon auszugehen, dass Farben auch eine wichtige Bedeutung für die Tiere haben. Tatsächlich dienen sie der Kommunikation mit Artgenossen: Buntes Gefieder beispielsweise überzeugt einen potenziellen Partner oder dient der Einschüchterung von Rivalen. Der Einsatz farbiger Strukturen in der Vogelwelt ist vielseitig, sodass hier nur eine kleine Auswahl näher betrachtet wird. Dabei schildern wir neben klassischen Beispielen auch solche, die erst in jüngster Zeit mit modernen Forschungsmethoden untersucht wurden.


Farben zur Kommunikation

Innerhalb einer Art können Farben der Kommunikation zu verschiedenen Zwecken dienen. Von überragender Bedeutung sind sie im Zusammenhang mit der Fortpflanzung, der Partnerwahl, dem Balz- und Paarungsverhalten bis hin zur Jungenaufzucht. Farben dienen vor allem dazu, um den Geschlechtspartner auf sich aufmerksam zu machen, sich gegen Paarungskonkurrenten durchzusetzen und den Paarungspartner von der eigenen Qualität zu überzeugen.


Qualitätssignale

Schlagen die männlichen Pfauen ihre großen, bunten Räder, picken die Weibchen meist "unbeteiligt" herum, und "tun so", als würden sie dieses Gehabe gar nicht beachten. Dem ist jedoch nicht so: Die Pfauen mit den größten, schönsten Rädern haben tatsächlich mehr Erfolg bei den Damen, was sich in ihrer erhöhten Nachkommenschaft niederschlägt. Warum verhalten sich die Weibchen so? Das Rad des Pfauenhahns signalisiert seinen Gesundheitszustand, seine Fitness. Nur ein starker, gesunder Hahn ist in der Lage, ein farbenprächtiges Gefieder auszubilden. Kein Pfauenweibchen lässt sich mit einem zerzausten, gar von Parasiten geplagten Partner ein. Dieses Verhalten der Pfauen beschrieb bereits Charles Darwin im Jahre 1871 in seinem Werk "Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl". Ausgehend von der Beobachtung, dass Pfauenhähne Weibchen um sich scharen, folgerte er, dass es die Weibchen sind, die ihren Paarungspartner wählen. Damit hatte Darwin viele seiner Zeitgenossen vor den Kopf gestoßen: Dass durch die natürliche Selektion nur die Erfolgreichsten überleben und sich fortpflanzen, das leuchtete vielen noch ein. Ebenso plausibel erschien, dass Männchen um Weibchen konkurrieren und um sie kämpfen. Dass jedoch die Weibchen die Wahl treffen, konnten sich die meisten Wissenschaftler damals nicht vorstellen.


Damenwahl der besten Ornamente

Heute ist bekannt, dass im Tierreich tatsächlich meist Damenwahl herrscht. Dies ist leicht zu erklären, denkt man an die unterschiedlichen zeitlichen und energetischen Investitionen der Geschlechter bei der Fortpflanzung. Im Allgemeinen bebrüten die Weibchen die Eier, bei vielen Arten kümmern sich allein die Weibchen um den Nachwuchs (z. B. Enten). Zudem können Weibchen rein physisch weniger Nachkommen erzeugen, während für Männchen auch Nebensprünge möglich sind. Daher ist es für die Weibchen sehr wichtig, wählerisch zu sein. Meist präsentieren sich die Männchen in prächtigeren Farbkleidern, während die Weibchen tarnfarben sind. Dies erscheint nur folgerichtig, da gut getarnte Weibchen auf dem Nest von Räubern übersehen werden und sich während der Jungenaufzucht erfolgreich vor Feinden verstecken können. Aber es gibt auch den umgekehrten Fall: Die Weibchen sind kräftiger gefärbt und zeigen "männliches Balzgehabe". In diesen Fällen wählen die Männchen die Weibchen aus, um deren Gelege sie sich nach der Eiablage ganz alleine kümmern. Ein Beispiel sind die in der Arktis und Tundra brütenden Wassertreter (Phalaropus spp.).


Wie ehrlich sind die Signale?

Wenn auffällige Signale etwas über die Fitness ihres Trägers aussagen, dann sollte sich das anhand der Faktoren zeigen lassen, die Einfluss auf den Fortpflanzungserfolg haben. Für verschiedene Vogelarten mit Partnerwahl der Weibchen wurde untersucht, ob die Wahl eines auffälliger gefärbten Geschlechtspartners tatsächlich mit Vorteilen verbunden war. Dabei kam folgendes heraus:

Die Qualität des Territoriums war bei 21 von 22 Studien besser,
die Qualität der Nahrungsressourcen war bei 4 von 6 Studien besser,
die Versorgung der Brut durch das Männchen war bei 12 Studien besser, bei 5 schlechter, und bei 11 Studien ließ sich kein Unterschied feststellen,
das Immunsystem war bei 10 Studien besser, bei 19 Studien schlechter; bei 17 ließ sich kein Zusammenhang nachweisen.

Obwohl die Farbsignale also oft "ehrlich" sind, ist das nicht in allen Bereichen und bei allen Arten immer der Fall. Farben sagen daher nur manchmal etwas über den Gesundheits- und Ernährungszustand ihrer Träger aus. Hier spielen die physiologische Bedeutung der Farbpigmente und der Aufwand, Farben hervorzubringen eine Rolle.


Farben als Gesundheitsbarometer

Die im Beitrag "Die Farben der Vögel" (FALKE 2009, H. 1) erwähnten gelb bis rot färbenden Carotinoide müssen mit der Nahrung aufgenommen werden. Sind sie in ein Ornament eingebaut, wie zum Beispiel im Schnabel der Amsel oder der Gesichtshaut der Schmutzgeier, stehen sie dem Immunsystem nicht mehr unmittelbar zur Verfügung. Vermutlich haben intensiver gefärbte Individuen einen Überschuss an Carotinoiden aufgenommen, sodass genügend für ihr Immunsystem als auch für ihre Ornamente zur Verfügung steht. Es könnte aber auch sein, dass Tiere mit gutem Immunsystem mit weniger Carotinoiden auskommen und diese in sekundären Geschlechtsmerkmalen wie Schnabel, Gesichtsmaske etc. zur Schau stellen können. In beiden Fällen gilt: Schöne, bunte Individuen sind gut ernährt, gesund und zeigen so ihre Fitness an - ein perfektes Auswahlkriterium. Dies ließ sich für Amseln anhand der Schnabelfarbe tatsächlich nachweisen.


Orangeschnäbel gegen Gelbschnäbel

Bei Amselmännchen variiert die Schnabelfarbe je nach Carotinoidgehalt von blassgelb bis orange. Weibchen bevorzugen Männchen mit tiefer orange gefärbtem Schnabel. In verschiedenen Studien waren mit Orangeschnäbeln verpaarte Weibchen schwerer und hatten mehr Nachwuchs, als solche mit einem blassen Partner. Die Schnabelfarbe ist auch ein Signal an Rivalen: Männchen mit orangefarbenen Schnäbeln werden von ebenfalls orangeschnäbligen Männchen rigoroser aus dem Revier vertrieben als Gelbschnäbel. Die Schnäbel künstlich mit Krankheitserregern infizierter Amselmännchen verblassen. Sie scheinen die Carotinoide für die Abwehrreaktion vom Schnabel ins Immunsystem zu verlagern. Im Gegensatz zu Carotinoiden im Gefieder, die während der Mauser eingelagert werden und dort fest verbleiben, vermitteln im Schnabel eingelagerte Carotinoide also den aktuellen Stand der Dinge.


Sexuelle Signale von Aggression und Dominanz

Nicht nur Carotinoide, sondern auch die vom Organismus selbst produzierten Melanine zeigen den sozialen Status, die Dominanz und Kampffähigkeit eines Männchens an. Ein solcher Zusammenhang ließ sich in 19 von 27 Studien nachweisen (z. B. beim Haussperling, Erlenzeisig, Grauammer, Buchfink oder der Tannenmeise). Melaninornamente spielen vor allem eine Rolle bei der Auseinandersetzung der Männchen untereinander. Oft haben dominantere Männchen neben größeren melaninhaltigen Ornamenten auch einen höheren Testosterongehalt. Dies ist beispielsweise bei Haussperlingen der Fall, wo dominante Männchen einen größeren Kehlfleck haben. Da für einige Arten ein negativer Zusammenhang zwischen Testosterongehalt und der Stärke ihres Immunsystems nachgewiesen wurde, könnte man argumentieren, dass es sich nur Männchen mit gutem Immunsystem "leisten" können, größere Ornamente auf Melaninbasis aufzubauen. Es kommt noch hinzu, dass bei der Melanogenese, also der Erzeugung von Melanin, freie Radikale und andere Zellgifte entstehen können. Tiere, die dennoch Ornamente mit Melaninen aufbauen, sollten also fähig sein, diese Gifte unschäd lich zu machen. Hier ergibt sich eine interessante Verquickung mit den Carotinoiden, die freie Sauerstoffradikale binden können, wodurch sie als Pigmentbildner ausscheiden.

Individuen mit Ornamenten auf Carotinoid- und Melaninbasis würden somit ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, genügend Carotinoide mit der Nahrung aufnehmen zu können, um sie auch unter "erschwerten Bedingungen" als Signal einzusetzen.


Rote Flecken als "Hirschgeweih"

Beispiele hierfür sind einige Wida-Arten der Gattung Euplectes. Je nach Art haben sie rote oder gelbe Flecken an den Schultern oder der Brust. Lange ging man davon aus, diese Flecken wären wichtig für die Partnerwahl. Bei Hahnenschweif-Widas (Euplectes progne) signalisiert die Größe der Flecken jedoch anderen Männchen den Dominanzstatus: Männchen mit großen Flecken sind ihren Rivalen mit kleinen Flecken bei der Eroberung eines Territoriums überlegen. Die Farbflecke haben also eine ähnliche Funktion wie ein Hirschgeweih, das Rivalen von vornherein die Kampfstärke anzeigt, ohne dass es zu einer Auseinandersetzung kommen muss. Für die Weibchen sind die roten oder gelben Flecken hingegen bedeutungslos: Sie treffen ihre Wahl anhand der Länge der Schwanzfedern.

Haushühner bevorzugen Hähne mit roten Kämmen - je größer, desto lieber. Das Gefieder beachten sie dabei nicht. Aber sagt die Größe des Kamms tatsächlich etwas über die Qualität seines Trägers aus? Hähne mit großen Kämmen haben mehr Sexualhormone (Testosteron) im Blut, sind dominanter und besser ernährt. Daher werden auch die Söhne der Henne die Merkmale dieses Vaters aufweisen, und so wieder ihrerseits Erfolg beim weiblichen Geschlecht haben.

Ähnlich verhält es sich bei den Blaufußtölpeln. Während der Balz zeigen sich die Partner gegenseitig ihre blauen Füße. Weibchen bevorzugen Männchen mit dem intensiveren Blau. Auch hier spiegelt das Blau den Ernährungszustand wider - hungernde Männchen bekommen schnell blasse Füße. Anders als Haushähne beteiligen sich Blaufußtölpelmännchen beim Füttern der heranwachsenden Küken. Die Entscheidung der Weibchen ist daher einleuchtend: Sie bevorzugen ein Männchen, das den Nachwuchs gut versorgen wird.


Farbsignale der Weibchen

Untersuchungen zur Bedeutung von Farbsignalen weiblicher Tiere sind weitaus seltener. Bislang lässt sich nur sagen, dass es auch hier eine große Vielfalt der Funktionen gibt, und dass die kräftiger gefärbten Tiere nicht immer auch die gesünderen sind. Bei weiblichen Mornellregenpfeifern, Staren und Nacktschnabelhähern (Gymnorhinus cyanocephalus) konnte eine deutliche Rolle der Gefiederfärbung in der sexuellen Konkurrenz der Weibchen untereinander festgestellt werden, bei anderen Arten war dieser Zusammenhang schwächer oder nicht vorhanden. Oft schwierig davon zu trennen ist die nicht-sexuelle soziale Komponente der Färbung. So verteidigten beispielsweise intensiver gefärbte Kolibriweibchen der Gattung Heliangelus bessere Nahrungsterritorien als die blasser gefärbten.


"Geheimsignale" in Ultraviolett

Besondere Beachtung verdienen Signale, die auf UV-Reflexion basieren, da man über sie noch recht wenig weiß. Da Ultraviolett für Vögel eine ganz "normale" Farbe ist, spielen innerartliche UV-Signale in ihrem Leben eine wichtige Rolle. Ein Beispiel sind UV-reflektierende Partien im Gefieder, die bei der Partnerwahl bedeutsam sind. Wissenschaftler haben derartige Federpartien bei auffälligen Papageien, aber auch bei den "unscheinbaren" Trauerschnäppern nachgewiesen. Bei manchen Arten bevorzugen Weibchen Männchen mit stärker UV-reflektierendem Gefieder (nachgewiesen für Blaumeisen, Wellensittiche, Trauerschnäpper). Einige Vögel haben andere Farbpräferenzen. Weibliche Stare wählen Männchen, die wenig ultraviolettes und grünes Licht reflektieren, jedoch hohe Anteile an violettem und rotem Licht.


"Ultraviolettmeisen"

Wie sehr uns die Welt im ultravioletten Bereich verborgen ist, zeigen Blaumeisen, deren Geschlechter für uns schwer zu unterscheiden sind. Für Blaumeisen ist das kein Problem: Das Gefieder der weiblichen Tiere reflektiert weniger UV-Licht als das der männlichen. Besonders die für uns blau erscheinenden Gefiederpartien reflektieren UV-Licht stärker als blaues Licht: Daher sollten Blaumeisen eigentlich Ultraviolettmeisen heißen! Hoch im Kurs bei den Weibchen stehen Männchen, deren blaue Haube das UV-Licht besonders stark reflektiert - dies sind vor allem ältere und damit erfahrenere Tiere.


Erfahrung und Ultraviolett beim Trauerschnäpper

Ähnliche Verhältnisse liegen beim Trauerschnäpper vor. Zwar sind Männchen oft schwarz, doch gibt es auch "weibchenfarbene" bräunlichgraue Individuen. Für die Tiere selbst liegt jedoch ein ausgeprägter Sexualdimorphismus vor: Die leicht glänzenden schwarzen Gefiederpartien des Männchen reflektieren ultraviolettes Licht und sind so für Vögel deutlich sichtbar. Auswahlversuche in Volieren zeigten, dass sich weibliche Trauerschnäpper immer Männchen mit intensiveren und größeren UV-reflektierenden Gefiederpartien aussuchten. Die biologische Bedeutung dieser Auswahl wurde bei Messungen im Freiland deutlich. Früher aus Afrika zurückkehrende Trauerschnäppermännchen besetzen die Territorien mit den besten Bruthöhlen. Nachzügler müssen nehmen, was übrig bleibt. Die Weibchen kommen durchschnittlich zehn Tage später als die Männchen im Brutgebiet an, bevorzugen jedoch die frühen Rückkehrer. Bisher ging man davon aus, dass diese Wahl vor allem anhand der Qualität der Bruthöhlen getroffen wird. Das Gefieder der frühen und meist erfahrenen, älteren Vögel reflektiert das UV jedoch stärker als das der Spätankömmlinge. Für die ultraviolett sehenden Weibchen ist die Auswahl eines erfahrenen Männchens (mit einer guten Bruthöhle) also kein Problem!


Farben im sozialen Feld

Bei den bisherigen Beispielen ging es vor allem um die Bedeutung der Färbung im Kontext des Fortpflanzungsverhaltens. Farbmuster spielen aber auch sonst im Zusammenleben und in der Auseinandersetzung mit anderen Arten eine wichtige Rolle.


Innerartlich erleichtern Flügelmuster das Erkennen von Artgenossen und tragen damit zum Zusammenhalt von Schwärmen bei (z. B. bei Watvögeln). Bei der Jungenaufzucht setzen Farbsignale entscheidende Schlüsselreize, um das Sperren der Nestlinge beziehungsweise das Fütterungsverhalten der Alttiere auszulösen: Der rote Fleck an der Schnabelspitze der Silbermöwe lässt das Küken nach dem Schnabel picken und löst damit das Füttern aus. Umgekehrt stellen die sperrenden Rachen mit ihrer auffälligen Färbung (z. B. gelber Schnabelrand vor dem blutroten Schlund bei Bartmeisen) einen starken Reiz dar, den die Elterntiere mit Fütterungsverhalten beantworten. Die wohl ausgefeiltesten Farbmuster gibt es bei den brutparasitischen Witwenvögeln Südafrikas. Hier ahmen die Nestlinge komplexe Rachen- und Schnabelmuster nach, die auch bei den Wirtsvögeln vorkommen. Die Erkennung von Mustern und Farben findet also auch artübergreifend statt.


Prachtkleid oder Tarnkleid?

Die Farbmuster im Vogelrachen werden nur kurzfristig gezeigt. Ein ähnlich rascher Wechsel zwischen Verbergen und Präsentieren ist häufig anzutreffen und kann in ganz unterschiedlichem Zusammenhang stehen: Goldhähnchen beiderlei Geschlechts verbergen die gelben bis roten Gefiederabschnitte ihres Kopfgefieders gewöhnlich unter schlichtem Federkleid und richten sie nur bei der Balz oder zur Abschreckung auf. In ähnlicher Weise zeigen nordamerikanische Stärlinge (Agelaius) ihre roten Schulterflecken nur beim Territorialgesang.

Neben dem raschen Verbergen und Präsentieren farbiger Körperpartien, wie beispielsweise dem Kopfgefieder der Goldhähnchen, gibt es einen länger dauernden Wechsel von Farbkleidern: Junge Tiere der meisten Vogelarten sind zunächst zur besseren Tarnung gegen Raubfeinde kryptisch gefärbt. Viele junge Männchen legen in ihren ersten Lebensjahren noch ein "weibliches Kleid" an, um nicht mit den territorialen Männchen aneinander zu geraten (z. B. viele Webervögel, Schwimmenten). Auch der saisonale Gefiederwechsel, der wegen der ständigen Abnutzung erforderlich ist, geht oft mit einer Änderung der Gefiederfärbung einher. Viele Vogelmännchen wechseln ihr buntes Gefieder nach der Balz in ein schlichtes Kleid und sehen dann oft den Weibchen ähnlich.


Weiß wie Schnee?

Schneehühner präsentieren sich sommers im braun gesprenkelten, winters im weißen "Tarnkleid". Misst man die UV-Reflexion von Schnee und vergleicht dies mit der UV-Reflexion weißer Gefiederpartien bei den Vögeln, sind große Unterschiede zu erkennen. Bestimmte Bereiche des Gefieders reflektieren UV und unterscheiden sich deutlich von Schnee, andere nicht. Mit anderen Worten: Wer UV sehen kann, kann auch zumindest Teile der weißen Vögel im weißen Schnee bestens erkennen. Die Vögel sehen sich also gegenseitig sehr gut, sie werden sicherlich auch von Falken und anderen Greifvögeln ausgemacht; den Polarfüchsen und Menschen bleiben sie dagegen verborgen. Der Umstand, dass manche Arten ihre UV reflektierenden Federpartien zur Balz einsetzen, könnte eine Erklärung dafür sein, dass viele weiß gefärbte arktische Vögel nicht ganz auf sie verzichten können.


Prachtkleid durch Abnutzung des Gefieders

Aber nicht nur ein Gefiederwechsel, auch die Abnutzung der Federn kann zu einem ganz anderen Erscheinungsbild beitragen. So kommt das eigentliche Brutkleid beim Star erst nach Abstoßen der weiß gefleckten Federränder zum Vorschein. Die weißen Spitzen seines Brustgefieders verschwinden dann ganz und bringen erst so seine irisierende schwarze Färbung voll zur Geltung. Auch der schwarze Kehllatz des männlichen Haussperlings wird mit zunehmender Gefiederabnutzung größer. Männliche Schneeammern und Schneefinken sehen im frischen Gefieder ganz anders aus als wenn dieses abgenutzt ist - erst dann kommt das wahre Brutkleid zur vollen Geltung.

Die Erforschung der Farben bei Vögeln, ihres Farbsehvermögens sowie die biologische Bedeutung der Farben hat in den letzten Jahren eine Fülle neuer Erkenntnisse erbracht und reicht weit bis in vielfältige Wissenschaftszweige von der Immunbiologie bis hin zu den Nanowissenschaften. Wir dürfen hier in naher Zukunft weitere spannende Ergebnisse erwarten, aus diesem aktuell sehr aktiven Forschungsbereich der Ornithologie.


Dr. Friederike Woog ist Kustodin der ornithologischen Sammlung am Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart. Die von der Autorin entwickelte Wanderausstellung "Viva Color - Farben der Natur" ist ab Herbst 2009 verfügbar. Auf Anfrage wird gerne ein Exposé zugeschickt.
Weitere Informationen: woog.smns@naturkundemuseum-bw.de



Literatur zum Thema:

Hill, G. E. & K. J. McGraw (Hrsg., 2006): Bird Coloration. Vol. 1:
Mechanisms and Measurements; Vol. 2: Function and Evolution.
Harvard University Press. Harvard.

Woog, F. (2004): Farben der Natur, Sehen und gesehen werden.
Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde, Serie C, 56: 1-71.
Bezug: Naturkundemuseum Stuttgart, Frau Dehner,
dehner.smns@naturkundemuseum-bw.de


*


Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 7/2009
56. Jahrgang, Juli 2009, S. 266-271
mit freundlicher Genehmigung des AULA-Verlags
AULA-Verlag GmbH, Industriepark 3, 56291 Wiebelsheim
Tel.: 06766/903 141; Fax: 06766/903 320
E-Mail: falke@aula-verlag.de
Internet: www.falke-journal.de

Erscheinungsweise: monatlich
Einzelhelftpreis: 4,80 Euro
Das Jahresabonnement für 12 Hefte ist im In-
und Ausland für 49,- Euro zzgl. Porto erhältlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2009