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MELDUNG/018: In Harz gefangene Zeitreisende aus Afrikas Frühzeit gefunden (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 21.04.2010

In Harz gefangene Zeitreisende aus Afrikas Frühzeit gefunden

Wissenschaftler der Universität Jena analysiert fossile Pilze in Bernsteinfunden aus Äthiopien


Jena (21.04.10) Dieser Fund ist sensationell: In Äthiopien wurden in Bernstein eingeschlossene Fossilien aus der Kreidezeit gefunden, die etwa 95 Millionen Jahre alt sind. Es ist das erste Mal, dass solche Funde in Afrika gelangen. Der Kontinent ist äußerst arm an Fundstellen fossiler Harze, die meisten stammen aus Eurasien und Nordamerika und sind zudem wesentlich jünger.

"Der äthiopische Bernstein ist außergewöhnlich klar und farbintensiv", sagt der Hochschuldozent Dr. Heinrich Dörfelt von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er gehört zu einer Wissenschaftlergruppe, die mit der Auswertung der Funde betraut ist. In dieser Expertengruppe sind 20 Forscher aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Äthiopien, Italien, Großbritannien und den USA intensiv damit beschäftigt, anhand der Fossilien die Lebenswelt der Kreidezeit in Afrika zu rekonstruieren. Ihre vorläufigen Ergebnisse haben die Wissenschaftler in der renommierten Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlicht.

Heinrich Dörfelt bearbeitet die Pilze am Institut für Mikrobiologie der Jenaer Universität. Im äthiopischen Bernstein hat der Jenaer Biologe parasitische Pilze gefunden, die auf Pflanzen lebten und selbst Insekten als Nahrung dienten. "Eine dieser pilzlichen Inklusen hat sich als archaisch erwiesen", sagt Dörfelt. Dieser fossile Pilz soll Gegenstand einer eigenen Publikation werden.

Die meisten Fundstücke des Bernsteins sind um die fünf Zentimeter groß, einige erreichen jedoch sogar 25 Zentimeter. Der Bernstein stammt aus tropischen Wäldern, in denen urtümliche Nadelbäume Harz produzierten, in das Insekten, Spinnentiere, mikroskopisch kleine Pilze, Pflanzenreste, Bakterien und Fadenwürmer eingeschlossen wurden und so als Fossilien die Zeit überdauerten. Nun bieten die Funde eine einmalige Gelegenheit, in Lebensgemeinschaften Einblicke zu nehmen, die lange vor der Entstehung des Menschen existierten. Das Areal, in dem die Bernsteine entstanden, gehörte etwa 90 Millionen Jahre später zu den "Wiegen der Menschheit". In der Kreidezeit, als die Bernsteine entstanden, begann der Siegeszug der bedecktsamigen Pflanzen, die durch ihre gemeinsame Entwicklung mit Insekten und vielen anderen Organismengruppen nachhaltig die terrestrischen Lebensräume der gesamten Erde veränderten. Im Bernstein sind Zeitzeugen dieser Entwicklung konserviert. Unter den eingeschlossenen Insekten finden sich Parasiten, Räuber und Zersetzer. Zu den Zeitreisenden, denen einst flüssiges Harz zum Verhängnis wurde, gehören die älteste Ameise und die älteste Baldachinspinne Afrikas. Die Forscher machen sich nun daran, die einzelnen Fossilien detailliert auszuwerten. Ihre Ergebnisse lassen zahlreiche neue Einblicke in die Evolution dieser Organismengruppen erwarten.

Originalpublikation:
SCHMIDT, A. R., PERRICHOT, V., SVOJTKA, M., ANDERSON, K. B., BELETE, K. H., BUSSERT, R., DÖRFELT, H., JANCKE, S., MOHR, B., MOHRMANN, E., NASCIMBENE, P. C., NEL, A., NEL, P., RAGAZZI, E., ROGHI, G., SAUPE, E. E., SCHMIDT, K., SCHNEIDER, H., SELDEN, P. A. & VÁVRA, N.: "Cretaceous African life captured in amber" , in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), 5.4.10.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/pages/de/image114016
Sporen eines archaischen imperfekten Pilzes in Kot-Pellets von Insekten aus dem äthiopischen Bernstein.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution23


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Stephan Laudien, 21.04.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2010