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GENETIK/248: Plattwurm-Erbgut entschlüsselt (idw)


Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. - 24.01.2018

Plattwurm-Erbgut entschlüsselt

Sequenzierung des Genoms von Schmidtea mediterranea soll die Erforschung der Regeneration von Gewebe voranbringen


Der Plattwurm Schmidtea mediterranea ist ein Tier mit fast unglaublichen Regenerationsfähigkeiten. Selbst wenn die Tiere in kleinste Gewebeteile zerschnitten werden, regeneriert aus jedem Stück wiederum ein perfekt proportionierter Mini-Plattwurm. Diese Fähigkeit beruht auf besonderen adulten Stammzellen, von welchen jede Einzelne in der Lage ist, einen kompletten Wurm zu bilden. Wie Schmidtea mediterranea dieses Kunststück vollbringt ist bisher kaum verstanden. Wissenschaftler des Dresdner Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden und des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien haben nun das Erbgut des Plattwurms komplett entschlüsselt. Von der Entschlüsselung dieses Genoms erhoffen sich die Forscher wichtige Erkenntnisse für die Regenerationsforschung, die Stammzellbiologie und vergleichende Bioinformatik.

Ein vollständig entschlüsseltes Genom ist essenziell für das Verständnis biologischer Eigenschaften von Organismen. Bisherige Versuche zur Entschlüsselung des Erbguts von Schmidtea mediterranea haben jedoch nur einen Katalog an 100.000 Basenpaare kurzen Sequenzstücke ergeben, da ein Großteil des Genoms aus unzähligen, fast identischen Kopien derselben Sequenz besteht.

Neue Methoden für die Sequenzierung

Die Forschungsgruppen um Jochen Rink und Eugene Myers am Dresdner Max-Planck-Institut haben deshalb mit der auf Einzelmolekülmessungen basierenden Sequenziertechnologie der Firma Pacific Biosciences einzelne DNA-Moleküle über eine Länge von bis zu 40.000 Basenpaare direkt "ausgelesen". Im Vergleich mit den nur 100 bis 500 Basenpaare langen Sequenzstücken herkömmlicher Entschlüsselungsmethoden lassen sich nun repetitive Abschnitte im Genom sehr viel leichter überbrücken.

Siegfried Schloissnig vom Institut für Theoretische Studien war in erster Linie für die Entwicklung des neuartigen Softwaresystems "Marvel" verantwortlich, welches die langen Sequenzstücke effektiver und besser zusammenzusetzen kann als bisherige Systeme. Durch die Entschlüsselung des Plattwurm-Genoms produzierte fielen acht Terabyte an Daten an - eine Datenmenge, die selbst den Hochleistungsrechner-Cluster in Heidelberg drei Wochen lang beschäftigte.

Fehlende Gene

Die Analyse hat ergeben, dass im Genom von Schmidtea mediterranea überraschenderweise hoch konservierten Gene wie MAD1 und MAD2 fehlen. Die beiden Gene sind praktisch in allen Organismen vorhanden und sorgen während der Zellteilung dafür, dass beide Tochterzellen die gleiche Anzahl an Chromosomen erhalten. Trotz des MAD1/2-Genverlustes ist diese Kontrollfunktion bei Plattwürmern jedoch vorhanden. Warum dies so ist, ist noch unklar.

"Wir kennen bereits einige der Gene, die für die Regeneration eines Plattwurmkopfes notwendig sind. Jetzt können wir auch nach den regulierenden Sequenzen suchen, welche die Kopfgene nur am vorderen Ende eines Gewebestückes aktivieren", erklärt Jochen Rink vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik. Seine Forschungsgruppe hat zudem viele verschiedene Planarien-Arten aus der ganzen Welt zusammengetragen, von denen viele die Fähigkeit zur Regeneration verloren haben. "Wir werden jetzt auch die Genome dieser Arten entschlüsseln und miteinander vergleichen. Auf diese Weise können wir herausfinden, warum sich manche Tiere regenerieren, während es so viele andere nicht können", erklärt Rink.


Originalveröffentlichung:
Markus Alexander Grohme, Siegfried Schloissnig, Andrei Rozanski, Martin Pippel, George Young, Sylke Winkler, Holger Brandl, Ian Henry, Andreas Dahl, Sean Powell, Michael Hiller, Eugene Myers, Jochen Christian Rink
Schmidtea mediterranea and the evolution of core cellular mechanisms.
Nature; 24 January, 2018
(DOI: 10.1038/nature25473)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution207

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.,
Dr. Harald Rösch, 24.01.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2018

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