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FORSCHUNG/652: Der richtige Riecher - wie wir uns beschnuppern (idw)


VolkswagenStiftung - 20.11.2009

Der richtige Riecher

Wie wir uns beschnuppern: Forschungsergebnisse von Lichtenberg-Professorin Trese Leinders-Zufall von der Universität des Saarlandes erscheinen bei Nature Neuroscience


Viele Säugetiere, darunter auch der Mensch, haben einen wirklich guten Riecher für ihre Artgenossen: Über Duftstoffe, sogenannte Pheromone, können sie zum Beispiel das Geschlecht, den sozialen Status und sogar den Gesundheitszustand eines anderen Individuums erschnuppern. Tatsächlich lösen solche Pheromone beim Empfänger komplexe Verhaltensänderungen in Bezug auf Partnerwahl, Aggressionen und soziales Miteinander aus. Spezialisierte Nervenzellen (Neurone) im Vomeronasalorgan der Säugernase detektieren die Pheromone mithilfe von Rezeptormolekülen (Sensoren) auf der Zelloberfläche und regulieren durch elektrische Signale das Hormonsystem. Wie diese Regulation von außen aber im Detail funktioniert und welche Botenstoffe und Rezeptoren an diesem Prozess beteiligt sind, ist noch weitgehend unbekannt.

Ein wichtiger Schritt zum besseren Verständnis des Mechanismus ist nun Professorin Dr. Trese Leinders-Zufall vom Institut für Physiologie der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes gelungen. Seit dem Jahr 2008 erforscht die gebürtige Niederländerin im Rahmen einer von der VolkswagenStiftung mit rund 1,34 Millionen Euro ausgestatteten Lichtenberg-Professur die Grundlagen der Pheromonkommunikation bei Säugetieren am Vomeronasalorgan von Mäusen. Neue Erkenntnisse werden in der Dezemberausgabe des renommierten Fachmagazins Nature Neuroscience veröffentlicht. Sie sind jetzt vorab Online erschienen und abrufbar unter:
www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/index.html .

Bereits 2004 gelang Dr. Trese Leinders-Zufall der Nachweis, dass aus dem Immunsystem stammende Peptidmoleküle - das sind Ketten aus mehreren Aminosäuren - bei Mäusen als Pheromone fungieren. Diese werden von einer speziellen Untergruppe sensorischer Nervenzellen im vomeronasalen Organ erkannt und dienen als Individualitätssignal: eine Art duftender Fingerabdruck, der im Empfängerindividuum das Partnerwahlverhalten beeinflusst. Nun fanden die Wissenschaftlerin und ihre Kollegen heraus, dass diese Nervenzellen die Peptide nur dann erkennen können, wenn ein bestimmtes Gen, das Riech-Rezeptorgen V2r1b, in der Zelle aktiv ist. Schalteten die Forscher dieses Gen aus, funktionierte auch die Peptiddetektion nicht mehr.

Außerdem konnten die Forscher zeigen, dass die untersuchten Nervenzellen äußerst sensitive Detektoren für Peptide sind: Schon geringste Konzentrationen des Botenstoffs (vergleichbar mit dem Zwanzigstel eines Salzkorns gelöst in einem wassergefüllten 50m-Schwimmbecken) reichen für eine Aktivierung der Nervenzelle. Zudem ist die Peptiderkennung hoch spezifisch. Die Neurone sind in der Lage, sogar Peptide voneinander zu unterscheiden, die in ihrer Kettenstruktur nur durch eine einzelne Aminosäure voneinander abweichen.

Die gleichen Peptide, die von Neuronen im vomeronasalen Organ der Maus erkannt werden, finden sich auch auf der Oberfläche von Körperzellen, wo sie von spezialisierten Proteinkomplexen "präsentiert" werden. Anhand der Peptide können die Abwehrzellen des Immunsystems Freund von Feind unterscheiden - also körpereigene und gesunde von fremden oder infizierten Zellen. Dies spricht für einen gemeinsamen Ursprung und eine "Co-Evolution" der Erkennungsmechanismen bei Immunabwehr und Pheromonkommunikation.

Bei ihren Forschungen arbeitet Dr. Trese Leinders-Zufall eng mit Professor Dr. Peter Mombaerts vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt am Main, Tomohiro Ishii von der Tokyo Medical and Dental University, Professor Dr. Thomas Boehm vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg im Breisgau und Professor Dr. Frank Zufall vom Institut für Physiologie der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes zusammen. Mit den nun veröffentlichen Erkenntnissen haben die Wissenschaftler eine molekulare Grundlage für die Peptiderkennung im vomeronasalen Organ der Säugetiere gelegt, die für die weitere Forschung auf diesem Gebiet unerlässlich ist.

Die jetzt in Nature Neuroscience erschienene Publikation mit dem Titel "Structural requirements for the activation of vomeronasal sensory neurons by MHC peptides" kann ab sofort als Advanced online publication heruntergeladen werden unter:
www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/index.html .

Download der Publikation unter:
www.nature.com/neuro


Hintergrund Lichtenberg-Professuren

Mit ihrer Förderinitiative "Lichtenberg-Professuren" gibt die VolkswagenStiftung einen Anstoß für die Eröffnung alternativer Qualifizierungs- und Berufungswege an deutschen Hochschulen. Der Leitgedanke hinter dieser Initiative lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Ziel ist es, herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Verbindung mit innovativen Lehr- und Forschungsfeldern zu fördern und damit auch zu einer Profilbildung der besten unter den deutschen Hochschulen beizutragen - im Interesse des Wissenschaftsstandortes Deutschland. Mit den Lichtenberg-Professuren sollen also in einem Zug sowohl thematische als auch strukturelle und forschungspolitische Akzente gesetzt werden. 25 solcher Professuren hat die Stiftung seit dem Jahr 2003 an 17 deutschen Hochschulen eingerichtet; zuletzt kamen im Sommer 2009 vier weitere hinzu, die ihre Arbeit allerdings noch nicht aufgenommen haben.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution458


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
VolkswagenStiftung, Dr. Christian Jung, 20.11.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2009