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PLANET/392: Die Suche nach dem Lebenselixier (MaxPlanckForschung)


MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftsmagazin der Max-Planck-Gesellschaft 3/2009

Die Suche nach dem Lebenselixier

Von Thorsten Dambeck


Ob unter der Mitternachtssonne des Mars oder in der ewigen Dämmerung des Saturnmonds Enceladus: Forscher folgen der Spur des Wassers im Planetensystem. Mit im Boot Wissenschaftler aus den Max-Planck-Instituten für Kernphysik in Heidelberg und für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau.


Kaum jemand kannte diesen winzigen Trabanten. Seit seiner Entdeckung vor 220 Jahren hatte er sich nie besonders hervorgetan. Lediglich die Fachwelt wusste, dass Enceladus als Mond des Saturn seine Runden zieht. Auch den beiden Voyager-Sonden, die vor mehr als zwei Jahrzehnten auf Stippvisite vorbeischauten, war nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Doch die ausgedehnten Studien von Cassini - der unbemannte Späher umkreist den Ringplaneten seit 2004 - haben Enceladus in den Fokus der Forscher gerückt. Regelmäßig überfliegt die amerikanisch-europäische Raumsonde dessen eisbedeckte Landschaften und entdeckte: Der kaum 504 Kilometer durchmessende Minimond hat es buchstäblich in sich.

So schießen am Südpol von Enceladus riesige Fontänen aus Wasserdampf und Eispartikeln ins All. Der Quell dieses Schauspiels sind mehrere jeweils über 100 Kilometer lange Bodenrisse, oder genauer, aktive Stellen in diesen Rissen. Die Planetenforscher nennen sie Tiger Stripes. Diese Pforten in die Unterwelt des Mondes sind ungewöhnlich warm, stellenweise übersteigen die Temperaturen um mehr als 100 Grad das Umgebungsniveau. Befindet sich dort auch flüssiges Wasser im Untergrund?


Beim Thema Wasser werden Wissenschaftler hellhörig

Immer dann, wenn es um Wasser im Sonnensystem geht, werden Planetologen hellhörig. Flüssiges Wasser gilt schließlich als eine Art Lebenselixier, als eine Vorbedingung für Leben, wie es von der Erde bekannt ist. Es ist durchaus denkbar, dass es eine ähnliche Rolle auch auf anderen planetaren Körpern spielt oder gespielt hat.

Nach heutigem Kenntnisstand scheiden jedoch die Oberflächen der Monde und Planeten aus, nur auf der Erde konnten sich dauerhaft Gewässer bilden. Denn nur unser Heimatplanet kreist gerade im passenden Abstandsbereich um das Zentralgestirn. Etwas näher, bei etwa 90 Prozent der Distanz Erde-Sonne, würden die Temperaturen bereits 100 Grad Celsius überschreiten. In umgekehrter Richtung fällt dagegen das Quecksilber: Schon auf dem Mars ist alles einst vorhandene Wasser zu Eis gefroren.

Unter der rissigen Eiswüste des Enceladus scheint es dagegen warm genug zu sein; neueste Belege dazu liefert der Cosmic Dust Analyzer (CDA) an Bord von Cassini: Das Instrument entdeckte Partikel aus Wassereis, die zusätzlich das Element Natrium enthalten. "Ihr Fundort ist der E-Ring des Saturn - ein Staubring, der zwar viel größer, aber auch schwächer ist als die bekannteren A- und B-Ringe, die man schon im Amateurteleskop erkennt", sagt Ralf Srama vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, der das CDA-Experiment leitet.


In Saturns E-Ring gelingt dem Detektor eine Premiere

"Enceladus zieht seine Bahn im E-Ring, der kleine Mond speist dabei überwiegend die Partikel dieses Rings", so Srama. Der CDA bringt rund 17 Kilogramm auf die Waage und ist ein sogenannter Staub-Detektor. Dabei wird der Begriff "Staub" nicht wie im Alltagsdeutsch verwendet. Es geht um winzige Teilchen, die im Sonnensystem an vielen Stellen umherschwirren; sie werden in Mikrometern (tausendstel Millimeter) gemessen. "Mit seinem Massenspektrometer kann CDA die chemischen Elemente solcher Partikel entschlüsseln", erklärt Srama.

Die technischen Vorgänger des Instruments flogen schon auf mehreren Weltraummissionen, im E-Ring des Saturn gelang jedoch eine Premiere: nämlich die gefrorenen Salzwassertröpfchen eines außerirdischen Gewässers aufzufangen - eines unterirdischen Sees auf Enceladus.

Der sechstgrößte Saturnmond erhält nur etwa ein Prozent der Sonnenwärme, mit der die Erde versorgt wird. Zur Mittagszeit erreichen die Temperaturen an seiner Oberfläche durchschnittlich minus 198 Grad Celsius. Völlig andere Verhältnisse herrschen jedoch unter seiner "Haut": Jüngst veröffentlichte Modellrechnungen bieten einen Erklärungsansatz, warum die Südhalbkugel geologisch jung und aktiv ist - ganz anders als die uralte Nordhalbkugel. Demnach hat in Enceladus' Eismantel eine Konvektionsbewegung stattgefunden, bei der warmes Eis unter dem Südpol aufstieg und kaltes Eis, wohl am Nordpol, abwärts strömte.

Um eine solche Strömung anzutreiben, bedarf es einer Hitzequelle. Wahrscheinlich wird diese von der Gezeitenreibung gespeist. Denn die Umlaufbahn des Trabanten ist leicht elliptisch, er ändert also rhythmisch seinen Abstand zum Saturn, den er in 33 Stunden einmal umrundet. Im gewaltigen Gravitationsfeld des Ringplaneten zerren die Gezeitenkräfte beständig an dem Mond und kneten ihn dabei gleichsam durch, woraus eine beträchtliche innere Wärmeentwicklung resultiert.


Was lässt die Fontänen spritzen?

Die Forscher rätseln, ob die Konvektion bis heute andauert und ob Gezeitenwärme allein zur Erklärung der Strömung im Eis ausreicht. Beobachtungen jedenfalls zeigen, dass in der Tiefe immer noch genügend Hitze existiert, um das Seewasser vor dem Einfrieren zu bewahren und die Aktivität der Fontänen anzutreiben.

Denn dass sich dort ein solcher See verbergen muss, folgt aus den jüngsten CDA-Messungen. Bereits vor Jahren hatten Planetologen gefolgert: Wenn unter der Kruste von Enceladus wirklich flüssiges Wasser existiert und dieses bis zum warmen Gesteinskern des Mondes reicht, so müssten aus den dortigen Mineralien Natriumchlorid und weitere Salze ausgelaugt werden. Nun ist das Alkalimetall im Massenspektrometer des CDA-Instruments aufgespürt worden.

Frank Postberg vom Max-Planck-Institut für Kernphysik hat die Daten von 1000 E-Ring-Partikeln ausgewertet. Es sind Teilchen, deren Durchmesser zwischen einem und einem zehntel Mikrometer liegen - etwa so fein wie die Partikel in Zigarettenrauch. "Alle bestehen hauptsächlich aus Wassereis", sagt Postberg. "Etwa sechs Prozent der Partikel sind jedoch anders, sie enthalten bis zu zwei Prozent an Salzen, hauptsächlich Natriumchlorid. Auch in irdischen Ozeanen ist Kochsalz das am häufigsten gelöste Mineral."

Die Spektren zeigen zusätzlich Natriumkarbonat, Natriumbikarbonat und geringe Mengen an Kaliumsalzen. Der Heidelberger Wissenschaftler, der von der Chemie über die Physik zu den Planeten kam, geht davon aus, dass diese Verbindungen aus einem salzigen See stammen. Denn nur wenn das Wasser in der Tiefe noch flüssig ist, kann es seine Salzfracht auf dem Weg zur kalten Oberfläche mitführen. Dabei werden die Tröpfchen gleichsam schockgefroren. Die meisten dürften wieder auf die Oberfläche fallen, manche schaffen es jedoch bis zum E-Ring und umkreisen dann den Saturn.

Im Innern der Tröpfchen sind die chemischen Verhältnisse im verborgenen See unter Enceladus' Eispanzer konserviert. Die überwiegende Population der untersuchten E-Ring-Partikel, rund 90 Prozent, ist hingegen sehr salzarm, vergleichbar destilliertem Wasser. Postberg: "Diese Teilchen stammen aus einer Wolke aus Wasserdampf über dem See. Sie entstehen, wenn der mitgerissene Dampf zu reinen Wassereisteilchen kondensiert."

Wie muss man sich das Gewässer vorstellen? "Der See steht mindestens auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern mit dem darüber liegenden Wasserdampf in Kontakt. Man kann also von großen, mit Dampf gefüllten Kammern ausgehen, die sich nach oben kaminartig verjüngen", erklärt Postbergs Institutskollege Sascha Kempf, der wissenschaftliche Leiter des CDA-Experiments. Höchstwahrscheinlich sei der heutige Salzwassersee auf Enceladus kein globales Phänomen, sondern auf das Südpolgebiet begrenzt. Dafür spricht auch ein weiteres Indiz, das Cassinis Kamera im Oberflächenrelief des Südpols abgelichtet hat: eine große, etwa 500 Meter tiefe Senke - und darunter könnte sich der See befinden.


Trockentäler und Inseln als Beweis früherer Fluten

Enceladus ist nicht der erste Trabant im eisigen Hinterhof des äußeren Sonnensystems, dem flüssiges Wasser unter seiner Kruste zugeschrieben wird. Bereits in den 1990er-Jahren fiel der Jupitermond Europa den Planetologen auf. Dort soll der Ozean in der Tiefe sogar globale Ausmaße besitzen. Auch weitere zwei der vier großen Jupitertrabanten, Ganymed und Kallisto, könnten Flüssigzonen unter ihren Eiskrusten verbergen.

Wenn Wissenschaftler den Blick zurück in die Frühzeit der Planeten wagen, stoßen sie schnell an die Grenzen ihres Wissens. Das gilt auch für unseren Nachbarplaneten, den Mars. Zwar wissen die Planetologen seit Jahrzehnten, dass in dessen Frühzeit Wasser - auch in flüssiger Form - existierte. Riesige, teils gewundene Trockentäler samt stromlinienförmiger Inseln belegen noch nach Jahrmilliarden die erodierende Kraft der damaligen Fluten. Verbreitet sind auch die Relikte von Deltas. Sie entstanden, als die Wassermassen in stehende Gewässer mündeten, etwa Seen in den Senken von Einschlagkratern. Doch rätseln Forscher immer noch, ob der junge Mars nur kurze feuchte Klimaphasen erlebte oder ob das Wasser über lange geologische Zeiträume auf der Oberfläche vorhanden war.

Heute könnte es flüssiges Wasser in der dünnen und kalten Gashülle jedenfalls nur unter besonders günstigen Umständen und nur kurzzeitig auf der Oberfläche geben. Zweifelsfrei wurde es bislang nirgends beobachtet. Wassereis ist hingegen weit verbreitet, sowohl an den Polkappen als auch als Bodeneis in mittleren Breiten. Kann das Eis bisweilen schmelzen? Können, wenn sich das Klima wandelt, sogar lokale habitable Zonen entstehen? Rückzugsräume für potenzielle Mikroben, die womöglich bis heute in der eisigen Wüstenei überdauert haben?

Eine mögliche Mars-Oase hatte die Raumsonde Phoenix zum Ziel, mit der die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA im Mai 2008 erstmals in den hohen Norden des Wüstenplaneten vorstieß. Auch dort, bei 68,2 Grad areografischer Breite (das entspricht etwa dem nordschwedischen Kiruna) vermuteten Marsforscher Wassereis dicht unter der Oberfläche. Anders als die beiden seit Jahren im Einsatz befindlichen Marsmobile Spirit und Opportunity war der dreibeinige Phoenix stationär. Sein Auftrag: mit einem fast zweieinhalb Meter langen Schaufelarm diverse Bodenproben einsammeln und ihre chemische Zusammensetzung analysieren.

Die ersten Hinweise auf Eis im Untergrund lieferte nach wenigen Tagen die Robotic Arm Camera (RAC) aus dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Dem gerade 415 Gramm leichten Gerät gelang ein spektakuläres Bild: Darauf sind gleißend helle Bodenschichten zwischen den Tellerfüßen von Phoenix zu erkennen. Offenbar hatten die Abgasstrahlen der zwölf Landetriebwerke lockeres, rund fünf Zentimeter dickes Deckmaterial weggeblasen und das Eis zutage gefördert.


Im Untergrund ist das Eis über lange Zeit stabil

Die Fotos der frisch ausgehobenen Gräben zeigten einen weiteren Beleg für Eis - ebenfalls helle, teils weiße Stellen. "Ist das Eis einmal ausgegraben und seiner thermischen Isolierschicht beraubt, beginnt es sich zu verändern", sagt Walter Goetz, der am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung die Phoenix-Daten auswertet. Freigelegt beginnt das Eis zu sublimieren, das heißt, es verdampft ohne zuvor aufzutauen. Im Untergrund ist es jedoch über lange Zeiträume stabil.

Hauptaufgabe der RAC war es, die Probennahme mit dem Schaufelarm zu dokumentieren. Die chemische Untersuchung sorgte für einige Überraschung: Das TEGA-Instrument (Thermal Evolved Gas Analyzer) an Bord von Phoenix fand nur geringe Mengen an Wassereis. Es zeigte sich als frei werdendes Gas im eingebauten Massenspektrometer, als die Bodenproben schrittweise erhitzt wurden. Die geringen Wassermengen unter 295 Grad Celsius sprechen für einen trockenen Boden ohne Eis und ohne Wasser, das an den Oberflächen der Bodenmineralien haftet.

Dieses Ergebnis lässt sich offenbar mit der speziellen Probe erklären. Denn es stellte sich als schwierig heraus, den klumpigen eishaltigen Boden in die TEGA-Öfen zu bugsieren. Bei höheren Temperaturen, die bis auf 1000 Grad Celsius gesteigert wurden, fand das Instrument dann aber doch Wasser. "Das ist möglicherweise H2O, das als Kristallwasser in den Mineralien des Marsbodens gebunden ist", erklärt Physiker Goetz. Zusätzlich fahndete das Wet Chemisty Laboratory nach löslichen Substanzen im Boden. Die nötige Feuchtigkeit dazu lieferte irdisches Wasser - Phoenix hatte es eigens mitgebracht.

Beide Instrumente enthüllten eine bemerkenswerte Bodenchemie: Erstmals maßen sie einen basischen pH-Wert, der etwa bei 7,7 liegt. Am Äquator, wo Spirit und Opportunity den Mars erkunden, ist das anders. Ihre Bodenuntersuchungen sprechen für ein eher saures Ambiente. "Außerdem wurden Perchlorat-Salze identifiziert", sagt Goetz. Diese Verbindungen aus Sauerstoff und Chlor seien eine ziemliche Überraschung. Sie könnten darauf hindeuten, dass der Boden einst aufgetaut war.

Manche Forscher halten es sogar für möglich, dass die Frostschutzwirkung des Perchlorats selbst bei Temperaturen bis zu minus 70 Grad Celsius Wasser flüssig halten könnte. Als Indiz werden auch Fotos der RAC ins Feld geführt: Darauf sind auf einem Landebein von Phoenix kleine runde Gebilde zu erkennen, die als Tropfen gedeutet werden. Nach dieser Hypothese handelt es sich um Bodeneis, das in den letzten Sekunden des Abstiegs von der Hitze der Landetriebwerke geschmolzen wurde und dabei nach oben spritzte.


Im Marsboden lagert auch ein wenig Kalziumkarbonat

Das TEGA-Instrument entdeckte im Marsboden außerdem einige Prozent Kalziumkarbonat. Lange hatten Planetologen vergeblich versucht, es auf dem Roten Planeten dingfest zu machen. Skeptiker argumentierten: Wenn der Mars einst tatsächlich für längere Zeit wasserreich war, so müsste sich mit dem Kohlendioxid seiner Gashülle fast zwangsläufig Kalziumkarbonat in messbaren Mengen gebildet haben.

Jetzt spürte Phoenix das Karbonat im Marsboden tatsächlich auf. Von zahlreichen Mineralienkörnchen, allerdings noch unbekannter chemischer Zusammensetzung, liegen nun auch farbige Porträtfotos vor. Einige könnten das neu gefundene Kalziumkarbonat enthalten. Die Porträts der winzigen Partikel stammen von der Mikroskopkamera, zu der die Max-Planck-Forscher in Katlenburg die Hardware beisteuerten.

Auch die Daten der kanadischen Wetterstation an Bord von Phoenix zeigen die Rolle von H2O auf dem heutigen Mars. Mit den zurückgestreuten Strahlen eines Lasers wurde die vertikale Schichtung der Wolken aus Eiskristallen über dem Vehikel ermittelt. Als an der Landestelle Hochsommer herrschte, fanden die Mars-Meteorologen Wolken oberhalb von zehn Kilometer Höhe.


... die weiteren Aussichten: verbreitet Bodennebel

Weiter im Marsjahr fielen am Boden die Nachttemperaturen bis unter minus 90 Grad Celsius. Die Untergrenze der Schneewolken sank ebenfalls, bis auf eine Höhe von vier Kilometern. Dazu meldete der Wetterautomat an das Kontrollzentrum fast allnächtlich Bodennebel. In den kälteren Tagesstunden konnten Phoenix' Augen das gefrorene Wasser sogar sehen: Die Bordkamera fotografierte immer wieder dünne Schichten aus hellem Reif, der bei höherem Sonnenstand wieder vom Marsboden verschwand.

In einer kürzlich erschienenen Nature-Publikation kommt das Phoenix-Team zu folgendem Fazit: Es verdichten sich die Hinweise auf periodisch im Boden der Landestelle vorhandenes flüssiges Wasser. Die dafür nötigen günstigeren Klimaphasen könnten durch zyklische Änderungen der Rotationsachsen-Neigung des Mars und der Parameter seiner Umlaufbahn eingeleitet werden. Phasenweise könnte in der jüngeren geologischen Vergangenheit die Landestelle also tatsächlich lebensfreundlich gewesen sein.

Inzwischen ist die Phoenix-Mission abgeschlossen. Es war erst die sechste erfolgreiche Marslandung überhaupt. Naturgemäß liegen also die Daten von der Oberfläche des Roten Planeten nur punktuell vor.

Trotzdem suchen Marsforscher Antworten auf die große Frage nach der Klimageschichte des Erdnachbarn: Wohin verschwand das Marswasser und welche Prozesse ermöglichten dies? Oder, wenn das Nass heute lediglich gefroren ist, wo verbergen sich diese einst so beträchtlichen H2O-Mengen? Für ein Gesamtbild sind auch die Messungen der beiden baugleichen schwedischen ASPERA-Instrumente wichtig, die auf zwei ESA-Sonden seit mehreren Jahren Mars und Venus umrunden. Mit ASPERA (Analyzer of Space Plasma and Energetic Atoms) lassen sich die Prozesse studieren, die heute zum Verlust des Wassers führen.

Klar ist, dass in den höheren Schichten der Atmosphären die Wassermoleküle von den energiereichen UV-Strahlen der Sonne gespalten werden. Auf dem verhältnismäßig kleinen Mars sorgt die geringe Schwerkraft dafür, dass ein Teil der leichten Wasserstoffatome schon als neutrale Teilchen entweichen kann. Anders dagegen auf den gewichtigeren Planetengeschwistern Venus und Erde: Dort muss das H-Atom zuerst ionisiert werden, um in größeren Höhen durch das induzierte Magnetfeld des Sonnenwinds einen zusätzlichen Kick weg vom Planeten zu bekommen.

Solche Puzzlestücke tragen die Wissenschaftler mit ihren Messungen zusammen. Sie hoffen auf eine Verlängerung der Planetenmissionen, über die bei der europäischen Raumfahrtagentur ESA im Herbst entschieden wird. Denn es bedarf noch langer Jahre der akribischen Forschung, bis ein vollständiges Bild der Geschichte des Wassers in unserem Sonnensystem vorliegt.


Herschel hilft mit HIFI

Das im Mai 2009 gestartete europäische Weltraumteleskop Herschel wird ebenfalls bei der Wassersuche im Planetensystem helfen. Mars, die Gasriesen sowie die Saturnmonde Titan und Enceladus stehen auf der To-do-Liste. Bei den Gasplaneten werden die Forscher insbesondere die Stratosphären unter die Lupe nehmen. Wie kommt der Wasserdampf dorthin? Zwar geht man von Wasser im Innern der Riesenplaneten aus; bis in die Stratosphären kann dieses aber wahrscheinlich nicht gelangen. "Eigentlich müssten diese Atmosphärenschichten knochentrocken sein", erklärt Paul Hartogh, der das Beobachtungsprogramm vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung aus leitet.

Messungen zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist. "Beim Jupiter vermuten wir Kometeneis als Quelle, das bei Einschlägen eingetragen wird", so Hartogh. Andere denkbare Ursachen sind interplanetare Staubkörner, die auch Wassereis enthalten, oder - etwa im Fall des Saturn - eishaltige Ringpartikel. Herschels HIFI-Instrument (Heterodyne Instrument for the Far-Infrared) soll es ermöglichen, zwischen diesen unterschiedlichen Prozessen zu unterscheiden. HIFI ist das empfindlichste, je für das ferne Infrarot gebaute Spektrometer. Es wurde in internationaler Zusammenarbeit entwickelt. Unter der Koordination des niederländischen Institute for Space Research waren auch mehrere Max-Planck-Institute beteiligt. Das Instrument soll die räumliche Verteilung ermitteln, insbesondere die Vertikalprofile des Wasserdampfs in den Gashüllen der Planeten.


Glossar

Cassini
Eine Sonde, die nach dem französischen Astronomen Giovanni Domenico Cassini (1625 bis 1712) benannt ist. Das im Jahr 1997 gestartete Raumschiff - ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen NASA und der europäischen ESA - kreist seit Juli 2004 im Saturnsystem. Cassini trug die kleine Sonde Huygens an Bord, die am 14. Januar 2005 auf dem Saturnmond Titan landete.

Massenspektrometrie
Verfahren, um das Verhältnis von Masse und Ladung von Teilchen zu bestimmen. Die Probe wird zunächst in die Gasphase überführt. Dann wird das Gas ionisiert, die ionisierten Teilchen werden im elektrischen Feld beschleunigt und analysiert. Mittels der Massenspektrometrie lassen sich chemische Elemente oder Verbindungen bestimmen.

Saturnringe
Sie wurden im Jahr 1656 von Christiaan Huygens als solche identifiziert. Man unterscheidet gewöhnlich sieben Komponenten, die von A bis G bezeichnet sind. Das System hat einen Durchmesser von 960 000 Kilometer und ist nur wenige hundert Meter dünn. Die Ringe bestehen aus unzähligen einzelnen Brocken.

Sonnenwind
Gas, das ständig von der Sonnenkorona in den interplanetaren Raum abströmt. Dieses Plasma enthält geladene Teilchen - im Wesentlichen freie Elektronen, Wasserstoffkerne (Protonen) sowie Heliumkerne. Der Sonnenwind "bläst" in Erdentfernung mit durchschnittlich 400 Kilometer pro Sekunde und ist unter anderem die Ursache für die Bildung der Gasschweife von Kometen.


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Quelle:
MaxPlanckForschung - Das Wissenschaftmagazin der Max-Planck-Gesellschaft
Ausgabe 3/2009, Seite 16-25
Herausgeber: Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2010