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PLANET/346: Vom Staubkorn zum Planeten (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum 2/08 - Universität Bayreuth

Vom Staubkorn zum Planeten

Von Prof. Falko Langenhorst
Lehrstuhl für Experimentelle Geowissenschaften, Bayerisches Geoinstitut


Mein zentrales Forschungsgebiet ist die Planetologie. Diese Forschungsrichtung umfasst all jene grundlegenden geologischen Prozesse, die bei der Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems, insbesondere der Erde und der anderen terrestrischen Planeten wirksam waren. Diese Prozesse reichen von der Kondensation der ersten festen Materie aus dem Sonnennebel (vor 4,57 Milliarden Jahren) über die Akkretion von Kleinkörpern (Asteroiden, Kometen) und Planeten durch kosmische Kollisionen (Impakte) bis zur vollständigen Differentiation der Planeten in Eisenkern, Silikatmantel und -kruste. In diesem weiten Themenfeld beschäftige ich mich vor allem mit Impaktprozessen und den Zuständen und Vorgängen im Inneren der terrestrischen Planeten.

Zur Entschlüsselung dieser Prozesse werden zum einen natürliche Minerale aus Meteoriten oder irdischen Hochdruckgesteinen analysiert. Zum anderen werden aber vor allem Experimente durchgeführt, mit denen sich die Bedingungen bei kosmischen Kollisionen oder im Erdinneren nachahmen lassen. Diese experimentellen Methoden sind in den letzten Jahrzehnten zu einem der zentralen Ansätze der Geowissenschaften geworden, da sie ein grundlegendes Prozessverständnis und eine quantitative Kalibrierung der Vorgänge ermöglichen. Zur Erlangung dieser Erkenntnisse werden die experimentell hergestellten Proben mit unterschiedlichen spektroskopischen, chemischen und strukturellen Methoden untersucht. Dabei verwende ich insbesondere die analytische Transmissionselektronenmikroskopie, mit der sich die mikrochemischen (z.B. Entmischungen und Zonierungen) und -strukturellen (Gitterdefekte) Charakteristika von Mineralen bis in den atomaren Maßstab hinein studieren lassen. Da diese "Nanosignaturen" nicht nur ein Fingerabdruck geologischer Prozesse sind, sondern auch die chemischen und physikalischen Eigenschaften von festen Materialien allgemein kontrollieren, sind diese Untersuchungen auch für die Materialwissenschaften wichtig. Letztere Aktivitäten zielen auf ein Verständnis der Struktur-Eigenschafts-Beziehungen von Materialien mit technischer Anwendung (z.B. Hartstoffe). Im nun Folgenden sollen nur ausgewählte Beispiele für geowissenschaftliche Forschungsthemen gegeben werden.


Stardust - eine Mission zum Ursprung des Sonnensystems

Aktuell werden Proben der Stardust-Mission der NASA am Bayerischen Geoinstitut untersucht (Abb. 1). Die winzigen (wenige Mikrometer groß) Staubkörner wurden aus dem Schweif des Kometen Wild 2 aufgefangen und Anfang 2006 zur Erde zurückgebracht. Kometen sind primitive Kleinkörper, die im Prinzip nur aus Staub und Eis bestehen. Sie sind vor etwa 4,6 Milliarden Jahren im äußeren Sonnensystem entstanden und seither unverändert geblieben. Mit isotopengeochemischen und transmissionselektronenmikroskopischen Untersuchungen lassen sich daher Informationen über den Ursprung des Sonnensystems gewinnen; die ersten Ergebnisse dieser Untersuchungen sind zum Teil sehr überraschend. Entgegen ursprünglicher Vorstellungen zeigte sich nämlich, dass es sich bei den Staubteilchen nicht um interstellare Partikel (Staub von anderen Sternen) handelt, sondern um Materie aus unserem eigenen Sonnensystem. Die mikrochemischen Analysen am Transmissionselektronen mikroskop ergaben darüber hinaus, dass die Staubteilchen im inneren Sonnensystem nahe der Sonne entstanden sein müssen und von dort über einen noch nicht vollständig verstandenen Transportmechanismus nach außen gelangt sind.


Impakt - Gefahr aus dem All

Zu Beginn des Sonnensystems spielten Kollisionen zwischen Himmelskörpern im Sonnensystem (Impakte) eine wichtige Rolle. So ist z.B. das Erde-Mond-System wahrscheinlich erst durch eine gewaltige Kollision ("Giant Impact") zweier Protoplaneten entstanden. Impakte finden aber auch bis in die heutige Zeit statt, wie die 1994 beobachteten Einschläge des Kometen Shoemaker-Levy-9 auf dem Jupiter eindrucksvoll belegen. Ein weiteres instruktives Zeugnis für die Bedeutung von Impaktereignissen ist der 200 km große Chicxulub-Krater in Mexiko, der vor 65 Millionen Jahren durch den Einschlag eines 10 km großen Asteroiden geschaffen wurde (Abb. 2). Dieses Ereignis hat das Massenaussterben an der Kreide-Tertiär-Grenze ausgelöst. Zum Verständnis der Aussterbemechanismen wird in so genannten Stoßwellenexperimenten mit Karbonaten und Sulfaten der Chicxulub-Impakt simuliert. Dabei reicht das verwendete experimentelle Instrumentarium von Pressluft-, Leichtgas- und elektrischen Entladungskanonen über Sprengstoffanordnungen bis hin zu Lasertechniken, mit denen Drücke bis in den Megabar-Bereich bei mehreren 1000°C erreicht werden können. In solchen dynamischen Experimenten ließ sich z.B. zeigen, dass die bei großen Impakten freigesetzten Kohlendioxid-Mengen deutlich überschätzt werden und dass die dramatischen Veränderungen an der Kreide-Tertiär-Grenze vermutlich auf der Freisetzung anderer klimawirksamer Gase wie Schwefeloxide beruhen.


Hochdruckexperimente - eine Reise zum Mittelpunkt der Erde

Auch bei der Erforschung des tiefen Erdinneren sind Hochdruckexperimente unverzichtbar, da selbst die tiefsten Bohrungen nur bis in 12 km Tiefe reichen und an die Oberfläche geförderte Mantelminerale nur begrenzte Einblicke gewähren. Mit den Hochdruckeinrichtungen (Mult-Anvil-Pressen und Diamantstempelzellen, Abb. 3) des Bayerischen Geoinstituts ist es jedoch möglich, Drücke und Temperaturen im Innern der Erde bis zu den Bedingungen im Erdkern im Labor zu erzeugen. Ziel dieses Forschungsschwerpunkts ist es, Aufbau, Zusammensetzung, Eigenschaften und Dynamik des Erdinneren und damit die globale Funktionsweise der Erde zu verstehen. Das Verhalten des silikatischen Erdmantels wird z.B. ganz wesentlich vom Hauptmineral der Erde kontrolliert, dem Silikat-Perowskit (35 - 40 % des gesamten Erdvolumens), der in unzugänglicher Tiefe (660 - 2900 km) im unteren Erdmantel vorliegt. In experimentellen Studien wird der Einbau der Übergangsmetalle Eisen, Chrom und Titan in die sehr flexible Perowskit-Struktur und die damit verbundenen drastischen Eigenschafts- und Strukturänderungen untersucht. Diese Arbeiten tragen wesentlich zum Verständnis des Oxidationszustandes im Erdinneren und der Elementverteilung zwischen Erdkern und Erdmantel bei. So ließ sich z.B. die anomale Anreicherung einiger Übergangsmetalle im Erdmantel durch den Einbau von dreiwertigen Kationen in die Perowskit-Struktur erklären.

Die planetologischen Forschungsaktivitäten am Bayerischen Geoinstitut sollen in Zukunft weiter ausgebaut werden. Aktuelle Hochdruckexperimente konzentrieren sich z.B. nun auf die Untersuchung wasserhaltiger Minerale als mögliche Wasserspeicher im Inneren des Planeten Mars. Diese Experimente sollen Aufschluss über den Wasserhaushalt und -kreislauf unseres Nachbarplaneten liefern. Auch ist geplant, das experimentelle Repertoire am Bayerischen Geoinstitut durch Aufbau eines geomikrobiologischen Labors zu erweitern, welches auch die Studie von Mikroorganismen unter hohem Druck erlaubt. Ich würde es begrüssen, wenn sich dadurch neue fächerübergreifende Kooperationsmöglichkeiten an der Universität ergeben würden.


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person & werdegang

Prof. Falko Langenhorst

Falko Langenhorst (Jahrgang 1964) hat im Februar 2008 die Professur für experimentelle Geowissenschaften am Bayerischen Geoinstitut der Universität Bayreuth angetreten. Er studierte Mineralogie zunächst an der Universität Gießen und dann in Münster, wo er 1993 am Institut für Planetologie auch promovierte. Nach einem Jahr als Postdoktorand am Laboratoire de Structure et Propiétés de l'Etat Solide der Universität Lille war er von 1994 - 1997 als wissenschaftlicher Assistent am Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin tätig. 1997 wechselte er dann an das Bayerische Geoinstitut der Universität Bayreuth, wo er als akademischer Rat bis 2004 tätig war. 2004 folgte dann der Ruf auf eine Professur für Allgemeine und Angewandte Mineralogie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, bevor er jetzt nach Bayreuth zurückkehrte.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Darstellung der Stardust-Sonde, die aus dem Schweif des Kometen Wild 2 Staubkörnern eingefangen hat (Quelle: NASA/JPL).
Abb.2: Darstellung des gigantischen Chicxulub-Impakts auf der Halbinsel Yucatan, Mexiko (Quelle: Don Davis/NASA)
Abb. 3: Multi-Anvil-Labor des Bayerischen Geoinstituts. Mit den drei Hochdruckpressen lassen sich Drücke von bis 25 GPa (=250.000 bar) erzeugen.

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Quelle:
spektrum 2/08, Seite 9-11
Herausgeber: Der Präsident der Universität Bayreuth
Redaktion: Pressestelle der Universität Bayreuth, 95440 Bayreuth
Tel.: 0921/55-53 23, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
E-Mail: pressestelle@uni-bayreuth.de
Internet: www.uni-bayreuth.de

"spektrum" erscheint dreimal jährlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. September 2008