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PLANET/329: Erster Vorbeiflug der NASA-Sonde "Messenger" am Merkur (DLR)


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) - 11.01.2008

Erster Vorbeiflug der NASA-Sonde MESSENGER am Merkur

Die Erforschung des "großen Unbekannten" im Sonnensystem


Er nähert sich der Erde bis auf 90 Millionen Kilometer, und dennoch ist es der Planet, von dem wir am wenigsten wissen: der Merkur. Jetzt kommt Besuch von der Erde: Am Abend des 14. Januar 2008 um 20:04 Uhr mitteleuropäischer Zeit wird die amerikanische NASA-Mission MESSENGER nach fast vierjähriger Reise in 200 Kilometer Entfernung zum ersten Mal am Merkur vorbeifliegen. Mit acht Instrumenten wird die Sonde 1200 Bilder bisher unbekannter Gebiete aufnehmen und zahlreiche Experimente durchführen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist wissenschaftlich an der Mission beteiligt.

Mit MESSENGER (MErcury Surface, Space ENvironment, GEochemistry and Ranging) fliegt nach mher als 30 Jahren erstmals wieder eine Sonde zum Merkur. Der sonnennächste und kleinste der acht Planeten bekam bislang erst einmal Besuch von einer Raumsonde. Die NASA-Sonde Mariner 10 flog 1974 und 1975 insgesamt drei Mal am Merkur vorbei. Nur knapp die Hälfte des Planeten konnte dabei fotografiert werden - der Rest ist "Neuland" für die Planetenforschung.

Erster Blick auf die noch unbekannte Merkur-Halbkugel

Mit MESSENGER soll erstmalig die bisher unbekannte Hemisphäre des Planeten aufgenommen und erforscht werden. "Mit einem Laserstrahl tasten wir die Merkuroberfläche entlang der Flugbahn ab. Auf diesem Weg erhalten wir ein Höhenprofil und erfassen außerdem die reflektierenden Eigenschaften der Oberfläche", erklärt Professor Jürgen Oberst vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin. "Mit den Daten der Sonde wollen wir die Größe und die Form des Planeten besser bestimmen, auch das Schwerefeld des Merkurs werden wir durch die Messungen bei diesem Vorbeiflug genauer berechnen können. Das ist dringend notwendig, denn Größe, Form, Schwerefeld und Rotation des Planeten sind nur unzureichend bekannt". Oberst und seine Mitarbeiter werden die Auswertung der Laser-Höhenmessungen unterstützen. Mit den gemessenen Höhenprofilen und Aufnahmen der noch nie abgebildeten Gebiete wird anschließend das existierende Kartenwerk des Planeten erweitert und verbessert.

Über die Oberflächenzusammensetzung des Merkurs herrscht noch immer große Unklarheit. "All unser Wissen über die Mineralogie der Merkuroberfläche beruht auf den mehr als 30 Jahre alten Daten der Mission Mariner 10 und bodengebundenen Beobachtungen. MESSENGER wird uns hier ein großes Stück voran bringen, aber sicher auch viele neue Fragen aufwerfen", erklärte Dr. Jörn Helbert vom Berliner DLR-Institut. Er und seine Gruppe unterstützen das amerikanische MESSENGER-Team bei der Auswertung der spektralen Daten. Hierzu werden im planetaren Labor des DLR in Berlin begeleitende Messungen durchgeführt. Helbert wird in den nächsten zwei Wochen am Applied Physics Laboratory (APL) der Johns-Hopkins-University in Laurel im amerikanischen Bundesstaat Maryland die Daten des ersten Vorbeiflugs auswerten. Die beiden DLR Wissenschaftler sind als einzige nicht-amerikanische Wissenschaftler an dieser NASA-Mission beteiligt.

Ein kompliziertes Manöver: Drei Vorbeiflüge vor dem Einschwenken in die Umlaufbahn

Wegen seiner Nähe zur Sonne ist der Merkur nur sehr schwierig von Raumsonden anzusteuern: Der im Durchmesser nicht einmal fünftausend Kilometer große Planet umrundet die Sonne in einer mittleren Entfernung von knapp 60 Millionen Kilometern. Deshalb muss bei Annäherungen an den Merkur sowohl die große Anziehungskraft des Zentralgestirns als auch die enorm hohe Strahlungsintensität berücksichtigt werden. Nach diesem ersten Vorbeiflug wird die Sonde erneut die Sonne umrunden, bis sie im Oktober dieses Jahres und im September 2009 noch zwei weitere Male am Merkur vorbeifliegen wird. Bei diesen Vorbeiflug-Manövern wird MESSENGER durch die Schwerkraft des Planeten auf genau die Geschwindigkeit abgebremst, mit der die Sonde dann am 18. März 2011 aus eigener Kraft mit ihrem Antriebssystem in eine Umlaufbahn um den Planeten einschwenken kann. Der Orbiter wird bis zu diesem Zeitpunkt die Sonne insgesamt 15 Mal umrundet und acht Milliarden Kilometer zurückgelegt haben.

MESSENGER ist eine Raumsonde des 1992 von der NASA aufgelegten "Discovery"-Programms, das der Wissenschaft die Möglichkeit gibt, mit relativ preisgünstigen und innovativen Missionen die Rätsel in unserem Sonnensystem zu lösen. MESSENGER startete am 3. August 2004 und nähert sich seinem Ziel seither auf einer komplizierten Flugbahn durch das innere Sonnensystem an. Die Sonde wurde an der Johns-Hopkins-Universität gebaut, die auch die Mission durchführt.

2013 - Start der europäisch-japanischen Merkurmission BepiColombo

Von der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der japanischen Weltraumagentur JAXA wird derzeit die Mission BepiColombo zum Merkur vorbereitet. Benannt ist diese Mission nach dem italienischen Mathematiker Giuseppe Colombo, der in den 1970er-Jahren die Flugbahn für die NASA-Sonde Mariner 10 mit berechnet hatte. BepiColombo wird auf den Ergebnissen von MESSENGER aufbauen. Das DLR-Institut für Planetenforschung entwickelt für diese Mission in Zusammenarbeit mit der Universität Bern und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau das Laser-Höhenmessgerät BELA (BepiColombo Laser Altimeter). Das Laser-Höhenmessgerät LMA auf der MESSENGER-Sonde wird hier wertvolle Grundlagen für BepiColombo liefern. "Von besonderem Interesse ist es, Erfahrungswerte für die Reflexionseigenschaften der Merkur-Oberfläche, insbesondere bei der Wellenlänge des Lasers zu erlangen, die in die Konzeption und Entwicklung von BELA einfließen könnten", erklärt Prof. Oberst. "Modelle und Karten der Oberfläche von Merkur, wie sie von MESSENGER erwartet werden, stellen eine wichtige Grundlage für die Planung des Betriebs von BELA und anderen Bordinstrumenten von BepiColombo dar."

Auch Dr. Helbert wird sowohl an der NASA-Mission MESSENGER als auch an der ESA-Mission BepiColombo beteiligt sein. Helbert betreut bei der ESA-Mission das Infrarot-Spektrometer MERTIS (Mercury Thermal Infrared Spectrometer), das Daten in einem Spektralbereich aufnehmen kann, der von keinem der MESSENGER-Instrumente abgedeckt ist. "Neben unserer Unterstützung für die amerikanischen Kollegen, werden wir durch unsere Beteiligung wichtige Erfahrungen sammeln, die uns bei der Vorbereitung der Mission BepiColombo helfen", erklärt Helbert.

Der Merkur: "Terra Incognita" des inneren Sonnensystems

Über den Merkur wissen die Planetenforscher bislang nur wenig: Der Planet ist von der Erde wegen seiner Sonnennähe mit Teleskopen und Radarantennen nur sehr schwer zu beobachten. Auch die Raumfahrt machte - abgesehen von den drei Vorbeiflügen mit Mariner 10 in den Jahren 1974 und 1975 - gewissermaßen "einen großen Bogen" um den planetaren Außenseiter: Auf den ersten Blick ähnelt der Merkur unserem Erdmond: Seine Oberfläche ist von unzähligen Einschlagkratern übersät, was darauf schließen lässt, dass der Planet seit Milliarden von Jahren von keinerlei aus dem Inneren des Körpers angetriebenen geologischen Prozessen verändert wird. Die Hinweise auf einstigen Vulkanismus auf der Oberfläche sind vage.

Wie der Mond ist auch Merkur außerstande eine Atmosphäre an sich zu binden - dennoch offenbarte das Spektrometer an Bord von Mariner 10 eine hauchdünne Gashülle aus Wasserstoff, Helium und Sauerstoff mit Spuren von Natrium und Kalium. Die gesamte Masse dieser flüchtigen Elemente beträgt jedoch nur ungefähr tausend Kilogramm. Der Ursprung der Teilchen ist unbekannt und soll mit MESSENGER geklärt werden; wahrscheinlich stammt ein großer Teil davon direkt von der Sonne und nur wenig von Ausgasungen aus dem Inneren des Planeten selber. Wegen der Sonnennähe einerseits und des Fehlens einer nennenswerten, ausgleichenden Gashülle andererseits, sind die Temperaturunterschiede auf dem Merkur extrem: auf der sonnenzugewandten Seite herrscht eine Hitze von bis zu 430 Grad Celsius - nur auf der Venus ist es noch heißer. In der Merkurnacht sinken die Temperaturen bis auf minus 170 Grad Celsius ab. Dennoch könnte es sein, dass in einigen tiefen, nie von der Sonne beschienenen und deshalb permanent kalten Kratern an den Polen des Planeten Eis vorhanden ist. Hinweise darauf lieferten Radarbeobachtungen von der Erde.

Das größte Rätsel verbirgt der Merkur in seinem Inneren: Unter der dünnen Gesteinskruste folgt ein vergleichsweise dünner Mantel aus silikatischem Gestein. Im Zentrum des Planeten befindet sich jedoch ein außergewöhnlich großer Kern aus Eisen, der auch die Ursache für ein relativ starkes Magnetfeld ist. Rätselhaft ist, warum dieser Kern weit mehr als die Hälfte des Volumens des Planeten ausmacht. Eines der Hauptziele der MESSENGER-Mission ist die Klärung dieser Frage. Die Planetenforscher versprechen sich davon auch fundamentale Erkenntnisse über die Entstehung und frühe Entwicklung der fünf erdähnlichen Körper im inneren Sonnensystem insgesamt.

Artikel mit Bildmaterial unter:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-667/7411_read-11237/


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Quelle:
Pressemitteilung vom 11.01.2008
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
Unternehmenskommunikation, Linder Höhe, 51147 Köln
http://www.dlr.de/


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Januar 2008