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KOMET/086: Auf Kometenjagd in Europa (ESA)


ESA Portal Deutschland - Nachricht vom 3. Januar 2014

Auf Kometenjagd in Europa



Seit Jahrhunderten verfolgen Astronomen die Spuren von Kometen am Himmel. Sie versuchen ihr Geheimnis zu entdecken, Hinweise auf die Entstehung unseres Universums zu finden. Flüchtig und strahlend sind sie, Kometen faszinieren. "Sie sind schön, sie sind auf der Durchreise. Manche sind treu, sie statten uns von Zeit zu Zeit einen Besuch ab", weiß Roger-Maurice Bonnet Professor im Ruhestand vom International Space Science Institute (ISSI) in Bern.

Angezogen in den Tiefen des Weltraums von der Gravität der Sonne, verlieren sie Staub und Gase wenn sie sich erwärmen und enthüllen dabei manche ihrer Geheimnisse.

"Ein Komet besteht aus Stein und Eis. Sie sind, grob gesagt, so etwas wie der Mont Blanc oder ein anderer der größeren Berge in den Alpen - das entspricht der Größe eines Kometen", erklärt Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Außderdem erzählen Kometen uns auch etwas über uns selbst: "Kometen sind aus verschiedenen Gründen interessant. Der wohl Interessante ist, dass sie eine Rolle bei der Entstehung von Leben auf der Erde gespielt haben", so Gerhard Schwehm, leitender Wissenschaftler des Rosetta-Projekts bei der Europäischen Raumfahrtagentur in Darmstadt.


Europaweite Kometenjagd

Um mehr darüber herauszufinden, brechen wir zu einer europaweiten Kometenjagd auf. Der erste Halt ist die Landessternwarte Thüringen in Tautenburg bei Jena in Deutschland. Es wird bald hell, die Wissenschaftler versuchen einen Blick auf den Kometen ISON zu erhaschen.

"Guten Morgen. Es ist sechs Uhr am Morgen, und wir hier in der Thüringer Landessternwarte mitten in Deutschland arbeiten mit einem Zwei-Meter-Teleskop", begrüsst uns Bringfried Stecklum, Wissenschaftler an der Thüringer Landessternwarte, "heute können wir vielleicht einen letzten Blick auf den Kometen ISON werfen."

ISON schien sich nach seinem Flug um die Sonne aufzulösen, ein Teil seines Kerns könnte aber noch intakt sein. Die einzige Möglichkeit das herauszufinden, ist einen Blick darauf zu werfen."Jeder fragte sich, was wohl mit dem Kometen passieren würde. Jetzt hoffen wir, dass wir eine Antwort finden", so Stecklum.


Hinter dem Pluto werden eine Trillion Kometen vermutet

Unser nächster Halt liegt in der Schweiz. In den Laboratorien der Universität Bern betreiben die Wissenschaftler gerade etwas eher Außergewöhnliches.

Professor Nicolas Thomas vom Physikalischen Institut schlägt vor: "Wir gehen nun hinunter ins Labor und machen uns dort selbst einen Kometen."

Hinter dem Pluto werden eine Trillion Kometen vermutet. Sie sind nicht alle gleich, bestehen nicht alle aus dem gleichen Material. Aber sie haben Eis, gefrorene Gase und Staub als Bestandteile gemeinsam. Ein recht einfaches Rezept. Wir sind im Labor der Berner Forscher angekommen.

"Zunächst einmal müssen wir eine Art Flüssigkeit herstellen. Wir mixen 50 Prozent unseres Kometen, das ist dieses Eis, mit ein wenig flüssigem Stickstoff. Dann nehmen wir ein wenig Pigmentruß, und dann kochen wir den ganzen Kometen. Der flüssige Stickstoff verweilt nun bei Minus 200 Grad Celsius. Das hindert das Eis daran, zu verdampfen und sich aneinanderzuhängen. Wir geben das Genze nun in eine Art Form. Und das ist unser falscher Komet, bereit für Experimente."

In der Sternwarte in Thüringen sollte derweil im Teleskop das auftauchen, was vom Kometen ISON übrig geblieben ist. "Das sind die Bilder, die wir hereinbekommen. Aber es sieht so aus, als sei der Himmel noch nicht nahe genug am Horizont", sagt Bringfried Stecklum, "wir werden noch ein paar Minuten weitermachen, denn es ist bereits Viertel nach Sieben, danach werden wir sehen."


Rosetta - Das ambitionierste Programm zur Jagd von Kometen weltweit

Einmal mehr sind wir auf der Autobahn, diesmal geht es ins hessische Darmstadt. Dort befindet sich das Europäische Raumfahrtkontrollzentrum. Es beherbergt das ambitionierste Programm zur Jagd von Kometen weltweit, die Rosetta-Mission der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA). Im Moment ist es ruhig im Kontrollraum, denn die Sonde schläft irgendwo in den Tiefen des Weltraums.

Rosetta soll im August 2014 als erster Raumflugkörper in eine Umlaufbahn um einen Kometen einschwenken und einen Lander auf ihm absetzen. Das Landemanöver ist für November 2014 geplant - eine noch nie dagewesene Aktion in der Raumfahrtgeschichte.

"Die Wissenschaftsgemeinschaft hat große Hoffnungen auf die Ergebnisse, die Rosetta bringen wird. Wir wissen nicht, wie ein Komet sich anfühlt", sagt Gerhard Schwehm vom Rosetta-Projekt, "ist es wie Pulverschnee, wenn man Ski fährt? Ist es hart wie Schnee, der seit ein paar Wochen bei Minus 20 Grad am Straßenrand liegt? Ist es wirklich hart? Das wissen wir nicht. Wir haben Vorstellungen darüber, wie ein Komet funktioniert, aber die Details fehlen noch, die wollen wir mit Rosetta studieren. Mit den Instrumenten, die wir hier bauen, die sind wirklich sehr ausgeklügelt. Wir werden die Details der molekularen Zusammensetzung sehen, wissen, welche Elemente dort sind. Wir werden die Isotopenverhältnisse messen. Das gibt uns eine Menge Informationen über die Evolutionsgeschichte dieses Kometen", so Schwehm.


Kometenexperimente sind Teil des Rosetta-Projekts

An der Universität Bern wird indes der künstliche Komet untersucht. Die Experimente gehören alle zum Rosetta-Projekt. Die Wissenschaftler werten sie aus, um später besser interpretieren zu können, was sie bei der echten Mission an Werten erhalten. "Kometen gelten als Relikte aus der Zeit der Entstehung des Sonnensystems. Wir haben hier etwas, das Tiefgefroren gelagert ist und seit 4,5 Milliarden Jahren darauf wartet, von uns untersucht zu werden", sagt Nicolas Thomas. "Wir nehmen also eine Probe und untersuchen sie. Wir simulieren, dass wir im Weltraum sind. Der Hauptgrund dafür, dass wir das Eis in ein Vakuum geben, ist, dass es dort gasförmig wird. Sobald die Oberfläche sich auflöst, wird es angereicherter als das nicht-flüchtige Material, reicher an Karbon, wie in dieser Simulation. Wir sehen, was tatsächlich geschieht: Verflüchtigt sich das Wasser von unterhalb der Oberfläche, wenn es austritt, oder verflüchtigt sich tatsächlich Oberflächeneis und die Oberfläche verschwindet mit der Zeit?"

In der Sternwarte in Thüringen bricht die Morgendämmerung an. Es bleiben nur ein paar Minuten, bis es hell sein wird. "Wir jagen den Kometen - oder was von ihm übrig ist. Ich meine, es war von vornherein klar, dass das unter diesen Umständen extrem schwierig sein wird", so Bringfried Stecklum. "Wir sammeln Daten, egal welche, denn wenn man keine Daten hat, kann man überhaupt nichts machen. Wir denken nicht an den Moment, wir nehmen, was wir kriegen", erklärt Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut die Mission.

Beobachtungen von der Erde aus haben schon detaillierte Ergebnisse geliefert. Die größten Sprünge nach vorn in der Kometen-Forschung brachten aber erst die Raumfahrtmissionen. Einer der größten Erfolge bislang war die Giotto-Mission, als eine Raumsonde der ESA im Jahr 1986 Bilder vom Halleyschen Kometen zur Erde schickte. Sie zeigten einen dunklen, alten Kometenkern, Milliarden Jahre alt.


Auf Kometen könnten sich Bestandteile finden lassen, die zur Entstehung von Leben beigetragen haben

Im Jahr 2006 flog die Stardust-Mission der NASA direkt durch einen Kometenschweif und brachte Proben davon zurück zur Erde. Die Wissenschaftler fanden darin etwas sehr Interessantes. Hermann Böhnhardt: "Wir haben den Staub in unseren Laboratorien analysiert und darin einige interessante Moleküle gefunden. Das Interessanteste war eine Aminosäure, wie sie in der DNA bei Lebewesen auf der Erde vorkommt, eine unserer vier grundlegenden Aminosäuren." Die Forscher waren vom Vorkommen der Aminosäure im Kometenstaub fasziniert, das brachte sie auf neue Fragen.

Böhnhardt: "Das Leben auf der Erde benutzt eine bestimmte Gruppe von Aminosäuren, die sogenannten 'Links-Aminosäuren'. Sie kommen in der Natur vor, man kann auch chemisch Links- oder Rechts-Aminosäuren herstellen. Das Leben benötigt aber Linksorientierte. Wir wollen verstehen, warum das so ist, das ist unbekannt. Wir wollen verstehen, ob die Aminosäuren in Kometen Links oder Rechts sind, denn wenn wir ausschließlich Links-Aminosäuren finden, dann könnte das ein weiterer Hinweis darauf sein, dass Bestandteile des Lebens aus dem Weltraum kamen.

Am Ende unserer Kometenjagd sollten wir keine voreiligen Schlüsse ziehen. Gerhard Schwehm meint: "Wir werden auf einem Kometen kein Leben finden, wir könnten aber Bestandteile finden, die zur Entstehung von Leben beigetragen haben." Die ESA-Raumsonde Rosetta könnte helfen, derartige Rätsel zu lösen; nicht nur über die Entstehung des Lebens, sondern auch darüber, ob Kometen Wasser auf die Erde gebracht haben.

Roger-Maurice Bonnet vom ISSI in Bern ist sicher: "Das ist die große Revolution. Wir gehen nah an die Kometen heran, jetzt landen wir auf einem von ihnen. Wenn alles gut geht, wird das mehrere Monate dauern und ein beeindruckendes Schauspiel werden. Es kann uns zeigen, was ein Komet wirklich ist." Es scheint, als sei eine ganz neue Art der Jagd nach Kometen ausgebrochen.

Seit Jahrhunderten verfolgen Astronomen die Spuren von Kometen am Himmel. Sie versuchen ihr Geheimnis zu entdecken, Hinweise auf die Entstehung unseres Universums zu finden. Flüchtig und strahlend sind sie, Kometen faszinieren. "Sie sind schön, sie sind auf der Durchreise. Manche sind treu, sie statten uns von Zeit zu Zeit einen Besuch ab", weiß Roger-Maurice Bonnet Professor im Ruhestand vom International Space Science Institute (ISSI) in Bern.

Angezogen in den Tiefen des Weltraums von der Gravität der Sonne, verlieren sie Staub und Gase wenn sie sich erwärmen und enthüllen dabei manche ihrer Geheimnisse.

"Ein Komet besteht aus Stein und Eis. Sie sind, grob gesagt, so etwas wie der Mont Blanc oder ein anderer der größeren Berge in den Alpen - das entspricht der Größe eines Kometen", erklärt Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau. Außderdem erzählen Kometen uns auch etwas über uns selbst: "Kometen sind aus verschiedenen Gründen interessant. Der wohl Interessante ist, dass sie eine Rolle bei der Entstehung von Leben auf der Erde gespielt haben", so Gerhard Schwehm, leitender Wissenschaftler des Rosetta-Projekts bei der Europäischen Raumfahrtagentur in Darmstadt.

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Quelle:
ESA Portal Deutschland - Nachricht vom 3. Januar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2014