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FORSCHUNG/354: Massereichsten Galaxienhaufen im frühen Universum entdeckt (idw)


Astrophysikalisches Institut Potsdam - 25.08.2008

Ein gewichtiger Fund

Wissenschaftler des Astrophysikalischen Instituts Potsdam entdecken den massereichsten Galaxienhaufen im frühen Universum


Mit Hilfe des Röntgensatelliten XMM-Newton und des Large Binocular Telescope (LBT) in Arizona hat eine Potsdamer Forschergruppe ein echtes Schwergewicht unter den Galaxienhaufen aufgespürt. Der Haufen mit dem Namen 2XMM J083026+524133 wurde in 7,7 Milliarden Jahren Entfernung beobachtet. Dies erlaubt den Forschern einen Blick in die Vergangenheit des Universums vor 7,7 Milliarden Jahren. Ihr Fund bestätigt kosmologische Modelle, bei denen eine so genannte "Dunkle Energie" die Entwicklung des Universums dominiert.

Seit dem Jahr 1999 umkreist der ESA-Satellit XMM-Newton, so genannt in Würdigung des englischen Physikers Isaac Newton, die Erde und hat seitdem mehr als 5000 einzelne Beobachtungen von speziell ausgewählten Himmelsregionen durchgeführt. Alle in den ersten sieben Jahren der Mission gefundenen Röntgenquellen sind heute im "2XMM Katalog" erfasst. Das sind mehr als 190.000 Objekte unterschiedlichster Natur. Der Galaxienhaufen 2XMM J083026+524133 wurde durch eine systematische Auswertung des gesamten Katalogs entdeckt.

Galaxienhaufen sind die größten Strukturen im Universum, die durch ihre eigene Schwerkraft zusammengehalten werden. Sie bestehen aus einer Vielzahl einzelner Galaxien, wobei ihre Gesamtmasse 1015 Sonnenmassen erreichen kann. Man nimmt an, dass sich diese Strukturen aus kleinsten Materiedichteschwankungen im Laufe langer Zeiträume entwickelt haben. Eines der wichtigen Forschungsthemen der modernen Astrophysik geht der Frage nach, wann und wie sich derlei große und massereiche Strukturen gebildet haben.

Georg Lamer und seine Potsdamer Kollegen durchforschten den 2XMM Katalog gezielt nach diffus leuchtenden Röntgenquellen. Denn anders als für Beobachter die mit einem optischen Teleskop arbeiten verrät sich die massive Ansammlung von Galaxien im Röntgenlicht durch fast 100 Millionen Grad heißes Gas, das zwischen den einzelnen Mitgliedsgalaxien des Haufens verteilt ist.

Lamer verglich die Positionen am Himmel der so ausgewählten Kandidaten anschließend mit den besten zur Verfügung stehenden Himmelsdurchmusterungen im sichtbaren Licht. Überall dort, wo kein optisches Gegenstück zur Röntgenquelle vorhanden war, beantragte das Forscherteam neue Beobachtungen. Mit dem LBT, dem gerade erst in Betrieb gegangenen, größten optischen Teleskop der Welt, wurden schließlich auch die extrem schwachen Galaxien von 2XMM J083026+524133 sichtbar.

Wieviel mehr solcher riesiger und weit entfernter Galaxienhaufen verbergen sich im Katalog der XMM-Beobachtungen?

"Wir haben tatsächlich die Stecknadel im Heuhaufen gefunden." erklärt Lamer. "Da Galaxienhaufen kontinuierlich wachsen, waren Objekte dieser Leuchtkraft und Masse im frühen Universum wesentlich seltener als heute. Kosmologische Berechnungen machen es unwahrscheinlich, in den vorhandenen Röntgenbeobachtungen weitere solcher Haufen zu finden." Die Entdeckung zahlreicher massereicher Haufen im frühen Universum erwarte man mit dem Start der "eROSITA" Mission, einem deutsch-russischen Gemeinschaftsprojekt unter Beteiligung des AIP, das von 2012 an in mehrjähriger Arbeit eine vollständige Karte des Röntgenhimmels erstellen soll.


Das AIP beschäftigt sich vorrangig mit kosmischen Magnetfeldern und extragalaktischer Astrophysik.
Daneben wirkt das Institut als Kompetenzzentrum bei der Entwicklung von Forschungstechnologie in den Bereichen Spektroskopie, robotische Teleskope und E-Science. Das AIP ist Nachfolger der 1700 gegründeten Berliner Sternwarte und des 1874 gegründeten Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam, das sich als erstes Institut weltweit ausdrücklich der Astrophysik widmete. Das AIP ist eine Stiftung privaten Rechts und ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören derzeit 82 außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, die wissenschaftliche Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung bearbeiten.

Der Röntgensatellit XMM-Newton wurde am 10. Dezember 1999 gestartet. Er trägt drei Röntgenteleskope mit bisher unerreichter Sammelfläche und ein optisches Teleskop ("Optical Monitor"). XMM-Newton ist eine wissenschaftliche Mission der Europäischen Raumfahrtagentur ESA mit Beiträgen der ESA-Mitgliedsländer und der NASA.

Die Partner in der LBT Corporation (LBTC) sind: University of Arizona, USA, Istituto Nazionale di Astrofisica, Italien, LBT Beteiligungsgesellschaft (LBTB), Deutschland (Max Planck Gesellschaft, Astrophysikalisches Institut Potsdam, Universität Heidelberg), Ohio State University, USA, The Research Corporation, USA (University of Notre Dame, University of Minnesota and University of Virginia). Die deutschen Partner sind, unter der Koordination des MPIA, Heidelberg, mit 25 Prozent Beobachtungszeit am LBT-Projekt beteiligt.

Weitere Informationen unter:
http://www.esa.int/esaSC/SEMY70XIPIF_index_0.html
- ESA News zu dieser Entdeckung
http://www.aip.de
- Astrophysikalisches Institut Potsdam
http://sci.esa.int/science-e/www/area/index.cfm?fareaid=23
- XMM Newton Projekt / News
http://medusa.as.arizona.edu/lbto
- Large Binocular Telescope Observatory

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution164


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Astrophysikalisches Institut Potsdam, Gabriele Schönherr, 25.08.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2008