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NACHLESE/027: 50 Jahre später ... Crosby, Stills & Nash - Crosby, Stills & Nash (SB)



It's been a long time comin'
It's goin' to be a long time gone
But you know
The darkest hour
Is always, always just before the dawn

Crosby, Stills & Nash - Long Time Gone

Die 1968 in Los Angeles gegründete Band sollte von vorneherein nicht als Arbeitsmittelpunkt der drei Musiker David Crosby, Steven Stills und Graham Nash fungieren. Die bereits in verschiedenen Projekten erfolgreichen Künstler wollten weiterhin auf eigenen Pfaden wandeln, hatten aber durchaus Spaß an Kollaborationen mit gleichgesinnten Musikern. Das unter ihrem Familiennamen als Crosby, Stills & Nash firmierende Trio bildete die perfekte Quersumme aus Everly Brothers und Byrds. Der mehrstimmige Harmoniegesang, das virtuose Zusammenspiel der Gitarristen und die von akustischen Balladen bis zu rockigen Improvisationen reichende Live Performance machten Crosby, Stills & Nash, insbesondere nachdem sich 1969 Neil Young als vierter bereits über eigene Fans verfügender Musiker anschloß, zu einer der beliebtesten Live Acts der USA.

Die größte Anhängerschaft von CSNY rekrutierte sich aus den Reihen der politisch interessierten Studentenschaft, die im Kampf gegen den Vietnamkrieg und für Bürgerrechte gerne die moralische Unterstützung musikalischer Messages in Anspruch nahm. Das galt in den USA insbesondere, wenn diese im Idiom der Folk-Tradition verfaßt waren, die schon immer die musikalische Heimat der engagierten Mittelstandsjugend an den Colleges und Universitäten war. In ihrer stets melodiösen Verpackung, die allerdings manchmal so harmonieselig daherkam, daß ein Rezensent einmal warnte: Vorsicht, dieses Album kann Diabetes hervorrufen, wurde ihnen jede noch so verklärte Banalität aus den Händen gerissen. Indem sie die späte Blüte des bereits verwehenden Hippie-Traumes besangen, wurden sie später selbst mit dieser Bewegung identifiziert, obwohl sie als gutverdienende Barden eher nicht zu denjenigen gehörten, die die sozialen Kämpfe dieser Zeit zum Preis des Verlustes ihrer gutbürgerlichen Existenz bestritten.

Bei einem Free Concert der Hollies im Whiskey A Go Go in Los Angeles traten Crosby, Stills und Nash das erste Mal gemeinsam in improvisierter Form auf. Nach diesem gelungenen Debüt beschloß man, das gute musikalische und persönliche Verständnis weiter auszubauen. David Crosby war gerade bei den Byrds herausgeworfen worden, und auch Graham Nash wollte sich verändern. Er gehörte seit 1962 zur sehr erfolgreichen britischen Popband The Hollies und lag schon seit längerem mit seinen Kollegen im Clinch über den Kurs der Gruppe. Während Graham Nash experimentierfreudigere Musik im Geist der Zeit produzieren wollte, scheuten die anderen Hollies das Risiko und ließen lieber die altbewährte Hitmaschine rotieren. Cass Elliot von den Mamas & Papas hatte Graham Nash bereits zuvor in Los Angeles mit David Crosby bekannt gemacht, und als die Byrds in England tourten und mit ihrem psychedelischen Country-Rock bei der Kritik auf Granit bissen, konnte Crosby sich wenigsten von seinem neuen Freund bestätigen lassen, daß es auch unter den spröden Briten Bewunderer seiner Musik gab.

Stephen Stills machte seit Beginn der 1960er Jahre professionell Musik und verdiente sein Geld anfangs als Folksänger, der zwischen New York, New Orleans und Kalifornien hin- und hertingelte. 1966 gründete er zusammen mit Neil Young die Folkrock-Combo Buffalo Springfield, die in ihrer zweijährigen Existenz einige wegweisende Titel veröffentlichte wie etwa den Protestsong For What It's Worth. Nach dem Ende der Band 1968 spielte Stills mit Al Kooper von Blood, Sweat & Tears und dem Ausnahmegitarristen Mike Bloomfield innerhalb weniger Tage ein als Supersession vermarktetes Album ein, dessen ausschweifende Instrumentalimprovisationen sich hervorragend verkauften und das heute noch als repräsentatives Beispiel für technisch hervorragende Gitarrenmusik gilt. Einige Monate später hob er mit Crosby und Nash das Trio CSN aus der Taufe, das im Februar und März 1969 sein Debütalbum einspielte.

Nash erklärte später einmal, daß Stephen Stills eine bestimmte Vorstellung von dem Album hatte und daß Crosby und er ihn einfach machen ließen. Tatsächlich zeichnet Stills bis auf einige Gitarrenparts von Nash und Crosby sowie das Schlagzeug von Dallas Taylor, der als Studiomusiker angeheuert wurde, später aber auch die rhythmischen Akzente bei den CSNY-Konzerten setzte, für das Gros der Instrumentalparts verantwortlich. So ist das erste Stück seiner ehemaligen Freundin Judy Collins gewidmet, der er mit Suite: Judy Blue Eyes ein aufwendig komponiertes Stück in vier Sequenzen widmete. Die berühmte Folksängerin war bei der Aufnahme des Songs im Studio anwesend, doch das Ende der Beziehung war nicht mehr aufzuhalten.

In Marrakesh Express beschreibt Graham Nash seine Eindrücke, die er bei einer Zugfahrt 1966 in Marokko gesammelt hatte. Er war auf einem Ableger des Hippie Trails unterwegs, der in den Maghreb mit seinen ergiebigen Hanfplantagen führte und auf dem berühmte Autoren der Beat-Generation wie William Burroughs und Jack Kerouac späteren AusteigerInnen den Weg ebneten.

Wooden Ship war das Ergebnis einer Zusammenarbeit von David Crosby, Paul Kantner und Stephen Stills, was zur Folge hatte, daß CSN und Jefferson Airplane 1969 jeweils eine eigene Version des Liedes veröffentlichten. In seinem Text wird die Welt in die düsteren Farben einer von radioaktiver Strahlung verödeten Szenerie getaucht - was in der Rückschau als apokalyptische Anmutung aus der Zeit des Kalten Krieges erscheint, rückt gerade wieder in die Nähe einer Zukunft, vor der die Augen zu verschließen auch nicht weiterhilft.

Lady of the Island ist ein Joni Mitchell gewidmeter Song aus der Feder Graham Nashs, der nicht der einzige in der Band war, der eine Liebesbeziehung zu der kanadischen Sängerin unterhielt. Auch David Crosby hatte ihr in dem Lied Guinnevere auf dem Album ein Denkmal gesetzt, was jedoch nicht dazu führte, daß die beiden sich auseinanderlebten.

Long Time Gone ist ein düsterer Epilog auf die Widersprüche einer Zeit, die vielen Menschen heute als besser erscheint, als sie für die damals lebenden Menschen war. Auch sie waren von Krieg und Armut betroffen, von Ausbeutung und Unterdrückung heimgesucht. Allerdings wurde früher nicht so sehr darüber geschwiegen, was den einzelnen umtreibt, so konnte die individuelle Ohnmacht nicht ohne weiteres zur Besinnungslosigkeit totalen Konsums mutieren. CSN sind das Hinhören bis heute wert, denn auf der von ihnen aus Worten und Klängen errichtete Brücke können auch 50 Jahre später all diejenigen reisen, die sich die Mühe machen, die Brüche und Kontinuitäten der Zeitläufte am Beispiel des Rock und Folk zu erforschen.

13. Februar 2019


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