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INTERVIEW/003: Valentine & The True Believers - Rhythmus, Spiel und Liederglut (SB)


Valentine & The True Believers - Rhythmus, Spiel und Liederglut


Noch begegnet man ihnen eher zufällig, auf dem Marktplatz im schleswig-holsteinischen Heide, in einer Kieler Einkaufspassage, bei einem Streifzug durch Hamburgs Musikkneipen, einem Festival in Mainz oder auf einem der zahllosen Plätze in Frankreich oder Spanien, wenn sie mit ihrem Bus unterwegs sind und ein paar Sommerwochen ausschließlich für die und von der Musik leben.

Unwillkürlich bleibt man stehen, fasziniert von der souligen Ausnahmestimme der Leadsängerin, angesteckt vom leichten, unprätentiösen und dabei sichtbar bezogenen Miteinander der Truppe, begeistert von der Vielfalt ihrer Lieder, soulige Sounds, spanische Rhythmen, Anklänge an französische Chansons oder irischen Folk, berührt von Pop und Poesie mit deutschen, englischen und französischen Texten, die die Widersprüchlichkeiten des Lebens zum Thema haben, vom Hin- und Hergerissensein zwischen Aufbruch und Bleiben erzählen, der Ambivalenz in Beziehungen oder von der Leere und der Schwere, an der man leidet und dennoch an ihr hängt.

Gründe genug, sich auf die Spur dieser Band zu setzen. Seit drei Jahren machen sie zusammen Musik, in wechselnder und wachsender Besetzung, inzwischen sind sie zu siebt: Valentina (Gesang, Kazoo, Xylophon), Malte (Gitarre und Texte), Maik (Schlagzeug und Technik), Lena (Violine und Gesang), Tine (Akkordeon), Lars (Bass) und Petra (Schlagzeug). Maik, der vormals als Drummer, jetzt mehr als Techniker fungiert, antwortet auf die Frage danach, wer das Sagen in der Band hat: "Es bestimmt, wer gerade am meisten Energie hat, und das wechselt."

Der Schattenblick traf zwei der True Believers, Sängerin Valentina Siemsen und Gitarrist und Texter Malte Lemke in Kiel zu einem Interview vor ihren Auftritten bei "Kiels längster Nacht", zu der sich inzwischen schon traditionell am letzten Samstag im Oktober, wenn nachts die Uhren auf Winterzeit gestellt werden und man so eine Stunde dazugewinnt, mehrere tausend Besucher im festlichen Outfit zum Sehen und Gesehenwerden in Kiels größtem Konsumtempel im Sophienhof treffen.

Malte Lemke und Valentina Siemsen von den True Believers - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick Schattenblick: Euer Bandname Valentine & The True Believers ist, zumindest was den zweiten Teil betrifft, recht ungewöhnlich. Woher kommt der Name?

Valentina Siemsen: Der hat sich über einen längeren Zeitraum entwickelt. Wir hießen mal The Selfmade Strawberries oder nur Selfmade Strawberries. Es war uns dann irgendwann peinlich, das auszusprechen. Wir hatten auch immer so eine gestrickte Erdbeere mit, die habe ich dann ans Mikrophon gehängt. Irgendwann - damals waren wir zu dritt - haben wir gemerkt, daß das nicht mehr so schön ist, und dann kam unser Drummer dazu und wir haben nochmal drüber nachgedacht. Malte und ich hatten gerade so eine Phase, wo wir ganz viel Soul gehört haben, neuen Soul, und da hatten die Bands immer Namen mit "and the". Da haben wir angefangen, über eine Art Soulnamen nachzudenken, weil das auch so ein bißchen das Grund-Timbre bei mir in der Stimme ist und meiner Veranlagung und dem, was ich gerne singe, entspricht.

Malte Lemke: Es gibt zwei Erklärungen. Die einfachste kommt aus der Soulecke. Da wird die Sängerin herausgestellt mit ihrem Namen und der Rest ist der Bandname, also True Believers. Wenn's schnell gehen soll, sagen wir immer: Wir glauben eben an sie.

VS: Ja ja, wenn's schnell gehen soll. (lacht)

ML: Und dann gibt es tatsächlich eine superreligion (engl. ausgesprochen), eine Superreligion, die mal aus Jux entstanden ist. Wir sind gerade dabei, die Website der Band neu zu machen und die wird die Internetadresse superreligion.org haben. Entstanden ist das damals, zur Hochzeit der Mohammed-Karikaturen, als eine Reaktion auf die Nachrichten und auf Dinge im privaten Umfeld, wo wir Kontakt zu evangelikalen Gruppierungen hatten. Da haben wir gedacht, wir gründen jetzt auch mal eine Religion und machen da alles besser (lacht). Und weil wir damals nach einem Bandnamen gesucht haben, ist der dadurch dann auch inspiriert worden, so daß die True Believers auch was mit der superreligion zu tun haben.

Wir machen ja in gewisser Weise nette Musik und haben deshalb diese Provokanz der superreligion nie in die Öffentlichkeit getragen. Wenn wir jetzt eine politische Punk-Band wären, dann würde das dazu passen. Es ist, glaube ich, schwierig, Musik, die so oft auch die klassischen Singer-Songwriter-Themen aufgreift, mit dieser eher provokativen superreligion zusammenzubringen. Also erklären wir das nie wirklich, und jetzt nutzen wir es eher, um ein Werbekonzept daraus zu machen.

SB: Also seid ihr nicht wirklich religiös?

ML: Nein, eher religionskritisch. Als wir damals auf die Idee kamen, haben wir gedacht, das kann alles gar nicht wahr sein. Es ist eine Art Religionskritik, allerdings als Polemik verpackt. Wir haben dann auch ein Logo entwickelt, zwei ineinander verschlungene Buchstaben, ein S und ein R, und haben das als kleines Gimmick auf den CDs, die wir erstellt haben, versteckt. Auf jeder CD ist das zu finden, ohne daß irgend jemand außer uns weiß, was es bedeutet. Das macht auch ein bißchen den Charme aus, das ist sozusagen der bandinterne Witz. Man braucht auch bandinterne Kommunikationsformen und so können wir eine gewisse Distanz zu bestimmten Dingen schaffen, indem wir da unseren eigenen Witz weiterentwickeln.

Malte Lemke - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

SB: Wenn ich das richtig verstehe, habt ihr das in erster Linie für euch gemacht, weil ihr gesagt habt, wenn im Namen einer Religion Kriege geführt, Grausamkeiten verübt und Menschen unterdrückt werden - kann's das nicht sein. Sondern Religion bedeutet für euch eher die Erfüllung aller Wünsche, daß alles besser wird - und dazu braucht man weder Gott noch Mohammed noch sonst jemanden?

ML: Wir beanspruchen die alle für uns (lacht). Also wir sind natürlich verschiedene Personen in der Band. Ich bin tatsächlich religiös, bin auch evangelisch getauft, andere Mitglieder der Band sind strikte Atheisten, die würden niemals in die Kirche gehen. So gibt es auf der individuellen Ebene in der Band auch Unterschiede, wobei für mich diese Religionskritik, sich persönlich über so eine Nachrichtenlage oder über so einen moralischen Druck, der aus einer Religion kommt, selbst zu ermächtigen und so etwas zu schaffen wie zum Beispiel die superreligion, für mich nicht im Widerspruch zu meinem Glauben steht.

SB: Man muß den eigenen Verstand an der Kirchentür nicht abgeben.

ML: Genau. Auf die Band bezogen ist das so, daß wir nicht dadurch, daß wir Texte über Liebe machen, automatisch unpolitische Menschen sind. Es ist auch nicht so, daß wir als Band einer Meinung sind. Mir persönlich macht es Spaß, diese superreligion immer weiter zu treiben, weil dieses Religionskritische ist was Politisches. Wir haben ja nun nicht wirklich ein Sendungsbewußtsein und sind ja nun auch zum ersten Mal tatsächlich nach den genauen Hintergründen gefragt worden. Deswegen kommt es auch nie dazu, daß wir da groß drüber reden, aber mir macht es Freude. Ich will es ein bißchen damit vergleichen, daß Programmierer ja oft Dinge in die Spiele oder auch in andere Software hineinprogrammieren, die sie dann nicht bekanntgeben. Die kennen dann nur ganz wenige Leute oder man findet sie vielleicht zufällig mal raus. Und so ist das für mich mit der superreligion, eine diebische Freude sozusagen.

Malte Lemke und Valentina Siemsen - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblickk

SB: Es klingt ja schon etwas überzogen: "The True Believers".

ML (lacht): Das ist tatsächlich so eine Hommage an die Soul-Zeit, weil die in den Texten und den Namen auch immer diese Übertreibungen hatten: Es war nicht die Liebe, sondern immer nur die wahre Liebe.

SB: Macht euch das Sorge, diese Entwicklung zu einer neuen Religiosität hin, dieser neuerliche Ruf nach Werten, auch im Zuge und Zusammenhang einer Kapitalismuskritik? Und welche Werte sind das? Was kommt da wieder an sogenannten Tugenden, an Moral, an religiösen Zwängen auf die Menschen zu? Auf was fährt man da ab, vielleicht gerade als junger Mensch? Auch ein Nationalsozialismus ist ja mal mit Werten entstanden wie Gemeinschaft oder Volksgemeinschaft, das war ja damals kein böses Wort, worauf die Leute echt abgefahren sind. Hinterher ist man immer schlauer und in der Rückschau sagt man: Wie konnte das passieren? - Aber von der Tendenz her, so etwas toll zu finden, keine Vereinzelung, mehr Zusammenhalt ...

ML: In anderen Gesellschaften ist ja gerade dieser Zusammenhalt, die eigene Identität über das Kollektiv zu beziehen wie die Familie oder die Großfamilie oder die Stammeszugehörigkeit, viel stärker vertreten. Insofern, glaube ich, sind wir, die wir so eine Idee davon haben, unsere Identität als Individuum bestimmen zu können, weltweit gesehen eher ein Sonderfall - wobei ich das sehr schätze. Ich versuche allerdings, keine moralische Position zu solchen Dingen einzunehmen. Strukturell würde ich sagen, wenn eine Bewegung sehr stark ist, wie jetzt diese Promotion von Werten, dann macht es Sinn, auch die Kritik daran zu stärken.

Deswegen hat, ohne daß ich Leuten jetzt ihren Glauben schlecht machen möchte, dieses Übermaß einer Forderung nach Werten und das Erstarken fundamentalistischer Strömungen für mich dazu geführt, daß ich gedacht habe, man muß mit dieser superreligion was dagegensetzen. Solange das innerhalb einer Gesellschaft funktioniert, ich die Freiheit habe, die Kritik oder auch Polemik daran zu äußern, solange sehe ich diese Gesellschaft nicht gefährdet. Wenn aber auf Basis der Werte argumentiert wird, daß das, was ich mache, böse, schlecht und falsch ist, dann wird's problematisch. Dann ist es nichts mehr, was die Leute persönlich entscheiden.

SB: Von daher wäre die Polemik vielleicht auch so eine Art Temperaturfühler dafür, in welchem Zustand sich eine Gesellschaft befindet?

ML: Genau.

Valentina Siemsen - Foto: © 2011 by Schattenblick

Valentina Siemsen - Foto: © 2011 by Schattenblick

SB: Ich würde gerne auf eure Band zurückkommen. Wie im Netz nachzulesen ist, habt ihr euch "an einem der ersten fast schon warmen Abende des Hamburger Frühlings 2008 in einer der Kneipen St. Paulis getroffen", mit Karaoke angefangen und nur drei Tage später euren ersten improvisierten Auftritt gehabt. Seit dieser Nacht, heißt es, arbeitet ihr an euren Melodien und Texten. Das hört sich fast schon märchenhaft an, davon kann man ja nur träumen. Wie war das damals wirklich?

ML: Genau so.

VS: Es war wirklich so. In den ersten drei Wochen habe ich immer wieder gedacht: Wahnsinn. Endlich ist das passiert, was ich mir immer gewünscht habe. Ich war ja in Hamburg eine Zeitlang echt ohne Musik, fühlte mich total down, da fehlte mir was ganz Grundsätzliches. Ich habe vorher in Eckernförde gewohnt und einen Gospelchor gehabt. Überhaupt gab's da einfach ganz viel und man kannte sich aus und hatte viele Leute, die auch Musik gemacht haben, es war auf jeden Fall immer gefüllt im Herzen. Dann, wenn man sich beruflich entscheidet, so, ich gehe jetzt meinen Weg, und alle Wurzeln abgeschnitten sind, braucht man erstmal ganz lange, bis man die Menschen dort kennenlernt und gucken kann, mit wem man musikalisch was machen könnte. Der erste war mein Arbeitskollege, der hat Gott sei Dank auch Musik gemacht und dem habe ich es zu verdanken, daß ich Malte überhaupt kennengelernt habe. Und mit Malte war's dann richtig traumhaft.

SB: Und das war eine Musikkneipe, wo ihr euch getroffen habt?

ML: Wir waren da nicht zum Musikmachen. Es war ein Geburtstag und wir sind, wie man das auf dem Kiez halt so macht, von Kneipe zu Kneipe, und eine Kneipe war eben die Thai-Oase. Da gab's jeden Abend Karaoke. Und da haben die beiden, der Arbeitskollege, der zufällig ein Freund von mir war, und Valentina im Duett gesungen. Ich war total begeistert von Valentinas Stimme und dieser Auftritt, wo wir dann drei Tage später zusammen gespielt haben, da hat dieser Freund und Arbeitskollege von Valentina mit mir drei oder vier Stücke performt und dann habe ich ein paar Stücke alleine gemacht, und mit Valentina dann eben auch zwei Stücke.

Und das positivste Feedback kam eben zu unseren beiden Songs, da haben wir hinterher gehört: Oh, ihr müßt unbedingt weitermachen, das hat perfekt gepaßt, das war super und das hat so viel Spaß gemacht. Und dann hat sich das nach und nach so entwickelt. Wir sind ja jetzt sieben Leute in der Band und am Anfang waren wir zu zweit. Dann kam der Alex, mit dem ich zusammengewohnt habe, als Bassist hinzu, da waren wir zu dritt und dann zu viert, als noch ein anderer Freund, Christian, mitgesungen hat. Der ist dann wieder ausgestiegen, dafür kam nach einem Dreivierteljahr der Daniel mit in die Band und hat Gitarre gespielt und auch gesungen. Und dann haben wir einen Schlagzeuger bekommen, einen Freund von Alex, Maik, der immer noch dabei ist und jetzt hauptsächlich unsere Technik macht, weil wir gerade eine neue Schlagzeugerin haben, Petra. Irgendwann sind Alex und Daniel aus Zeitgründen ausgestiegen und wir haben eine Geigerin, die Lena, die auch immer noch dabei ist, dazubekommen. Vor eineinhalb Jahren hat Tina, die Frau von Maik, angefangen, Akkordeon zu lernen und ist dann unsere Akkordeonistin geworden und so hat sich die Band dynamisch entwickelt, ohne daß wir uns zerstritten haben. Wir sind mit all den Leuten immer noch befreundet, nur die Besetzung hat sich halt verändert.

Malte Lemke und Valentina Siemsen - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

SB: Und wie ist das jetzt, wenn ihr einen Song macht? Ich stelle mir vor, daß so ein kreativer Prozeß auch sehr empfindlich ist, viel Gefühl und Toleranz erfordert, aber auch Streitbarkeit braucht. Wie funktioniert das bei euch?

VS: Das Wahnsinnige war, um nochmal zum Anfang zurückzukommen, daß Malte und ich, nachdem so ein gutes Feedback kam, uns getroffen haben. - Ja, ach, du hast noch mehr Songs geschrieben? Zeig mal her, wie viele denn? - Ja, so hundert. - Wie, du hast jetzt hundert Songtexte? - Ja, hat sich irgendwie so ergeben, ich hab einfach mal so runtergeschrieben. - Er konnte schon immer ein bißchen Gitarre spielen, hatte früher klassischen Gitarrenunterricht und gab dann immer so ein paar Akkorde dazu. Und dann hat er mir auch vorgesungen - ja, ich stell mir das so vor, von der Gesangsmelodie - und dieser Prozeß hat sich größtenteils so erhalten über all die Jahre. Auch daß er immer so viel Material hatte. Von mir kam bis jetzt ein Lied dazu. Mit der Zeit wandelte sich das, nicht nur wegen der ganzen neuen Bandkollegen, die auch alle musikalisch sehr viel dazu beigetragen haben, sondern dann war noch viel mehr mit: Ja, können wir nicht mal so'ne Gesangsstruktur ausprobieren? Vor allem die Melodien waren dann viel mehr mir überlassen. Und es war wahnsinnigerweise immer ein sehr, sehr angenehmer Prozeß, wo man auch gleich am Anfang immer gemerkt hat: So, das Lied ist es jetzt und wo man sich dann entweder sofort darin verliebt hat oder: Nee, das ist jetzt vielleicht noch nicht so weit.

ML: Teilweise wandeln sich die Songs auch mit der Zeit. Dann hat man irgendwann keine Lust mehr, das auf eine bestimmte Weise zu spielen und dann denkt man sich, vielleicht ändern wir mal den Grundrhythmus oder wir spielen das einfach mal langsamer oder was. Das Arrangement der Songs ist immer in der Band passiert. Unser Drummer, der Maik, zum Beispiel hat ein wahnsinnig gutes Gespür für kleine Detailmelodien, so will ich es mal nennen, so daß er jetzt auch mal der Akkordeonistin Tina oder der Geigerin Lena sagen kann, guck mal, in dem Teil würde das und das zum Beispiel super passen, und so entwickelt sich so ein Song von einer Skizze immer mehr zu einem Lied. Und irgendwann sind dann alle zufrieden und dann spielt man das. Und wenn dann einer nicht mehr zufrieden ist oder Leute fragen: Können wir nicht mal irgendwas anderes damit machen? - dann ändert man was. Es sind auch schon Songs wieder rausgeflogen, weil wir mit uns insgesamt unzufrieden waren. Das heißt dann nicht, das es ein Scheißsong war. Zum Beispiel einen Reggae- oder Soul-Song, den wir alle unglaublich schön fanden, wo wir aber immer gedacht haben, wir bringen nicht das, was der Song eigentlich ist, ...

VS: Was der Song verdient hätte.

ML: Ja, den Kern des Songs können wir gar nicht zeigen, weil wir das musikalisch nicht umsetzen können, und da haben wir gesagt, dann spielen wir den nicht.

Malte Lemke und Valentina Siemsen - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

VS: Wir sind uns schon im Klaren darüber, daß wir nicht die Hammer-Profimusiker sind. Sondern wir sind irgendwie glücklich darüber, daß es mit dem 'learning by doing' so gut klappt. Wir helfen uns alle sehr viel gegenseitig, vor allem auch der Drummer Maik, der jetzt unser Techniker geworden ist. Der hatte so eine Engelsgeduld und irgendwie auch so ein bißchen die Lehrerposition übernommen. Bei ihm kommt überhaupt nichts über ein Musikstudium oder eine Musikschule, er hat einfach nur über die Jahre Erfahrungen gesammelt, die er auf eine tolle Art weitergeben konnte. Gut ist auch, wenn wir dann innerhalb der Band nicht die ganze Zeit in Akkorden und Harmonien und dem ganzen musiktheoretischen Kram sprechen, sondern eher so ein bißchen vereinfachter, was total gut funktioniert, wenn man sich ein bißchen die Zeit dafür nimmt.

ML: Und wir haben auch Glück. Wenn man der Lena zum Beispiel sagt, schreib doch mal die Melodielinie auf, dann kann sie das in Noten aufnotieren. Auch Petra, unsere neue Schlagzeugerin, hat eine musiktheoretische Ausbildung, und wenn es mal darum geht, einen Chor zu arrangieren und wir vielleicht alle das Gefühl haben, da klingt irgendwas schief, aber wir können nicht sagen, welcher Ton eigentlich das Problem ist, dann kann man sich auf das Fachwissen einiger Bandkollegen verlassen, die das dann irgendwie durchgehen und sagen: Okay, wenn ich's aufgeschrieben habe, sehe ich, da und da stimmt irgendwas nicht.

SB: Ihr musiziert vorwiegend auf der Straße, inzwischen europaweit. Welche Bedeutung hat die Straßenmusik für euch. Ist sie notgeborener Bühnenersatz, ist es die Hoffnung, das als Sprungbrett für eine große Karriere zu nehmen, wie es bei manch anderen Straßenmusikern der Fall war, oder ist es ein ganz bewußtes Bekenntnis zu dieser Art von Musikperformance?

VS: Darf ich ganz ehrlich sein? In allererster Linie war es: Wie verdienen wir möglichst schnell einen Groschen dazu?

ML: Nach drei Wochen Proben im Herbst 2008, also als wir zu viert waren, haben Valentina und ich, Alex, der Bassist und der Schlagzeuger Maik, der hat damals Canon gespielt, uns gesagt: Okay, wir können jetzt ein paar Lieder spielen, das läuft einigermaßen rund, wir sind zusammen auf einer Hochzeit aufgetreten, die waren alle zufrieden, jetzt gehen wir mal raus auf die Straße. Für uns ist es immer auch eine Probe. Wir sind ja nicht gebucht, wir haben niemandem irgendwas versprochen, wir können uns Fehler erlauben, wir können Lieder spielen, die wir gerade erst geschrieben haben.

VS: Wir können gucken, wie die Musik ankommt, ob es sich überhaupt lohnt, etwas weiter zu machen - und wir hatten einfach Bock drauf.

ML: Und wenn man so zurückblickt auf die letzten knapp drei Jahre, die wir das jetzt machen, dann ist das eher das Letztere, das sozusagen zu uns dazugehört, daß wir das gerne machen und teilweise auch Konzerten vorziehen.

VS: Ja.

ML: Weil wir sehr, sehr schöne Erlebnisse hatten auf der Straße. Es ist einfach noch mal eine ganz andere Hochstimmung, die sich einstellt, wenn man irgendwo anfängt und man hat dann vielleicht 200 Leute im Höchstfall, vielleicht 100, die stehenbleiben und zuhören. Hinterher kommen 10, 15 und kaufen eine CD, Leute, die nie vorhatten, zu einem Konzert zu gehen, die eigentlich was ganz anderes machen wollten und so begeistert sind, daß die das unbedingt mit nach Hause nehmen wollen - das ist dann irgendwie toll!

SB: Auch wir sind stehengeblieben. Was mir besonders gut gefallen hat, damals in Heide, ist, daß ihr Platz habt in eurem Musikmachen. Ich hatte den Eindruck, es wird nie alles ganz bis zum Ende ausgefahren, weder Deine Stimme, Valentina, noch die Instrumente - nichts geht bis zum Anschlag. Das kann sich leisten, wer was kann, aber es nicht demonstrieren muß. Ihr bleibt mit eurer Musik bei euch. Das hat mir gut gefallen, hat mich berührt und mich auch aufmerksam gemacht.

ML: Das ist eine super schöne Beschreibung, ein großes Kompliment sozusagen, daß es so ankommt. Gerade, daß wir bei uns bleiben, ist, glaube ich, allen sehr wichtig, und nicht irgendwie versuchen, etwas darzustellen, was wir nicht sind.

SB: Was bekommt ihr sonst an Reaktionen, was gefällt den Leuten an eurer Musik?

VS: So in dieser Richtung sind die Kommentare, daß wir sehr, sehr echt und ehrlich wirken und unkünstlich und manche bezeichnen uns auch als ein bißchen hippiemäßig, daß das, was wir ausstrahlen, irgendwie frei ist und schön, daß denen das gut tut, solche Menschen einfach mal zu sehen.

ML: Und dann gibt es unterschiedliche Präferenzen. Manchen sind die Texte eher egal, denen gefallen dann musikalische Details besonders gut, dann gibt es wieder Leute, die total fasziniert davon sind, daß die Instrumente teilweise selber gebaut sind. Die Basedrum zum Beispiel ist aus Wahlplakaten gemacht und dann rosa angesprüht, und über solche Details erschließen sich manche den Rest der Musik. Dann gibt's Leute, die kommen und sagen: Ich war völlig gebannt von den Texten. Es gibt auch immer wieder die Situation, daß wir nach bestimmten Liedern gefragt werden: Das Lied, das ihr zu vorletzt gespielt habt, das vor drei Liedern, ich weiß nicht wie es heißt, aber das war ungefähr so und so, ist das auf der CD? Dann muß ich die CD unbedingt kaufen. - Die Bandbreite ist unheimlich groß von technischem Interesse, musikalischem Interesse bis hin zu einer tiefen, emotionalen Berührung. Das ist für mich das Schönste, darum mache ich das so gerne; jedesmal der Versuch, eine gewisse Art von Magie zu erzeugen. Auch wenn wir jetzt bestimmte Lieder schon hunderte Mal gespielt haben, sie immer wieder neu zu spielen und dabei in dem Moment wieder drin zu sein und das zu meinen.

Malte Lemke und Valentina Siemsen - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

SB: Die wenigen Texte, die ich von euch kenne, handeln von der Widersprüchlichkeit des Lebens, beschreiben Zwiespältigkeiten und Zwischentöne. Könntet ihr für unsere Leser beschreiben, was eure Themen sind?

ML: Also die 'Widersprüchlichkeiten des Lebens' finde ich super zusammengefaßt. Oft geht es ums Aufbrechen, ums Ausreißen. Valentina hat auch mal ein Musikvideo gemacht mit einem unserer Lieder, 'Colours', da geht es um diesen ganz individuellen Aufbruch, um das sich Distanzieren von einer anderen Person, was in dem Video sehr schön visuell umgesetzt worden ist. Dann gibt es Lieder, die eher das Ausbrechen aus einer Stadt oder aus der Gesellschaft für sich thematisieren. Oft geht es ums Warten, ganz explizit in dem Song 'Counting Days' zum Beispiel, wo jemand immer wieder auf eine andere Person wartet. Oder um die verschiedenen Facetten des Zwischenmenschlichen, wobei das nicht immer die klassische Mann-Frau-Beziehung sein muß.

SB: Aber die Songschreiber seid ihr alle?

ML: Von mir kommen oft die Skizzen und in den meisten Fällen die Texte. Das Arrangieren der Lieder, das ...

VS: ... musikalische Ausfertigen ...

ML: ... machen wir alle zusammen. Wobei, ich will es auch nicht zu stark trennen, denn die Botschaft, die dann ankommt bei den Menschen, ist ja das Gesamtpaket. Die Musik würde ohne die Texte nicht funktionieren und die Texte funktionieren auch nicht ohne die Musik, so daß wir uns schon auf ein Gefühl einigen müssen, und gerade bei Gefühlen kann man es schwer in Worte packen. Ich glaube, daß es deswegen gut funktioniert, weil wir uns gut verstehen. Wir können uns hinsichtlich des Gefühls einigen, das ein Song transportiert und uns alle damit wohlfühlen, ohne daß wir sagen, wir schreiben jetzt einen Song über Trauer zum Beispiel.

VS: Gerade bei solchen traurigeren Texten, die fast ins Poetische neigen, waren Malte und ich uns immer sehr viel einiger und mußten stark für manche Lieder kämpfen. Jetzt ist zum Beispiel das Lied, über das am meisten gemeckert wurde, weil der Text einfach zu kitschig und die Wortwahl zu übertrieben erschien, absolut unser stärkstes Lied: 'Niemals schnell genug'. Das ist so großartig geworden, daß da kein einziges Sterbenswörtchen mehr jetzt drüber kommen würde wie komischer Text oder so. Und es ist von jedem verstanden worden und so angekommen.

Malte Lemke und Valentina Siemsen - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

SB: Das ist ja vielleicht auch das Besondere an Liedern oder an Musik, daß man Dinge transportieren kann und sich auch Sachen trauen kann zu sagen, die man so normal nicht kommunizieren würde.

VS: Ja. Sehr gut.

ML: Ich mag persönlich zum Beispiel Liedtexte, die ein klares Sujet haben, die sehr eng sind, weil ich der Meinung bin, es gibt für viele Lieder konkrete Anlässe. Ich vermeide aber zu sagen, das Lied handelt da oder davon. Sondern ich will, daß jemand die Stimmung richtig wahrnimmt und dann aber in der Interpretation frei ist. Das ist dann die Stärke von abstrakteren Texten, daß sie da mehr offen halten.

SB: Habt ihr vor, eure Musik irgendwann einmal professioneller zu betreiben? Wir hatten ja vorhin schon vom Geldverdienen gesprochen. Ich weiß nicht, ob man von Straßenmusik leben kann ...

VS: Diesen Sommer? Ging doch schon!

ML: Also davon leben, na ja. Es wäre schön, wenn wir ein bißchen mehr Geld verdienen könnten, daß wir bestimmte Probleme nicht mehr hätten, aber es ist nicht so, daß wir berühmt werden wollen.

SB: Das wollt ihr nicht?

ML: Nee, es wäre nur toll, wenn man sich ums Geld keine Gedanken mehr machen müßte.

SB: Ihr strebt nicht an zu sagen, Musik, das ist es - und alles andere wird sukzessive abgebaut?

VS: Wir haben so Schübe, wo wir ganz viel daran arbeiten und ganz viel einschicken und ganz viele Ideen haben und dann Durchstarten so ein paar Wöchelchen. Da kamen auch gute Sachen bei rüber, aber dann ist auch wieder Ebbe. Ich weiß wirklich nicht so genau, woran es nun liegt - aber diesen Übergang habe ich immer noch nicht verstanden.

ML: Wir haben in den jetzt knapp drei Jahren viel darüber geredet, intern und auch extern, wir hatten Gespräche mit einem kleinen Label. Aber so, wie wir das jetzt machen, sind wir völlig frei, wir sind nur uns selbst verantwortlich, wir können selber entscheiden, wann wir wo hinfahren und niemand kann es uns vorschreiben. Unsere Musik ist nicht bei der Gema angemeldet, wir sind niemandem Rechenschaft schuldig, wo wir die draufpressen, an wen wir sie verteilen. Wenn wir nach einem Konzert sagen, ok, jetzt kopiert die CDs bitte für eure Freunde und gebt sie weiter, dann ist das ernst gemeint, dann ist das nicht illegal, sondern wir können es selber entscheiden, daß wir es gut finden, wenn unsere Musik verbreitet wird.

SB: Wenn man Straßenmusik macht, ist das in den verschiedenen europäischen Ländern unterschiedlich? Kann man das beschreiben?

VS: Je weiter wir nach Süden gekommen sind, desto weniger haben wir auf jeden Fall verdient, aber desto freier hat man sich gefühlt. Die Spanier zum Beispiel haben zwar kein Geld, machen aber unglaublich gerne mit Dir zusammen Musik. (Lacht) Das war auch wirklich ein ganz, ganz tolles Erlebnis, was wir in Barcelona hatten und in Pamplona. In Frankreich haben wir schon ein bißchen mehr geguckt, daß wir auch in die Touristenorte kommen, damit wir die Chance hatten, unseren Bus abzubezahlen, unseren Sprit, unser Essen, die weitere Planung, was davon alles finanziert wird.

ML: Wir sind ganz ohne Geld auf Tour gegangen. Das heißt, daß wir uns alles erspielen mußten, deswegen hieß es zwischendurch, wenn die Kasse leer war, also heute müssen wir so lange spielen, bis das und das drin ist.

SB: Habt ihr Schwierigkeiten mit der Polizei oder den Behörden gehabt?

VS: Witzigerweise nur in Deutschland! In Frankreich hatten wir Glück, da haben wir nur so eine Art Platzverweis bekommen. Aber wir haben so den Plan gefahren, daß wir schon vorher Städte angeschrieben und gefragt haben, wie das so aussieht. Kiel war da sehr locker, da ging es irgendwie, auch von der Verstärkung gab es Dezibelgrenzen, anstatt daß man generell sagt, "Sie dürfen auf keinen Fall Verstärker mitnehmen". In Mainz gab es einen Vorfall ...

ML: ... den einzigen bisher in der gesamten Bandgeschichte, wo wir Strafe zahlen mußten. Ein Anwohner hatte bei seinem Telefon eine Liste liegen, wo konkrete Zeiten angegeben sind, wann gespielt werden darf und wann nicht. Das Witzige ist, daß der Stadtteil vormittags Zeiten hat, wo gespielt werden darf, im Jahr darauf ist es dann aber genau ab nachmittags. Aber, und damit Mainz nicht zu schlecht wegkommt, das, was wir dem Ordnungsamt dann geben mußten, hat ein Zuschauer, der das mit angesehen hat, wieder in den Hut gelegt.

VS: Das war so süß!

Valentina Siemsen - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

ML: Aber im Endeffekt, muß man sagen, haben wir sehr, sehr viele gute Erfahrungen gemacht und sehr viel Kulanz erfahren. Und wir sind auch nett! Wenn man uns sagt, ihr dürft das eigentlich nicht und ihr müßt aufhören, dann hören wir auch auf.

VS: Wir suchen keinen Streß.

ML: Genau. Wenn wir in der Fußgängerzone spielen, dann gehen wir in die Geschäfte, sprechen die vorher an und fragen nach dem ersten Set: Hat es euch gefallen? Stresst es euch? Sagt uns Bescheid! Und wenn man auf die Leute zugeht und mit denen spricht ...

VS: ... dann sind die gleich viel offener. Und das ist eine ganz andere Einstellung, wenn sie die Musik auch hören.

Auftritt der Band bei 'Kiels längster Nacht' - Foto: © 2011 by Schattenblick

Ungewöhnliche Kulisse für Valentine & The True Believers
Foto: © 2011 by Schattenblick

SB: Und wie seid ihr zu dem Auftritt heute bei "Kiels längster Nacht" gekommen? Seid ihr angefragt worden oder habt ihr euch beworben?

ML: Der Hintergrund ist der, daß wir in Kiel waren und Straßenmusik machen wollten. Es hat furchtbar geregnet, aber nun waren wir schon da und dann haben wir gesagt, wir fahren jetzt nicht einfach nach Hause, sondern wir suchen uns etwas Überdachtes. Also wir mit unserem ganzen Kram in den Sophienhof, da wollte man uns nicht und dann zur Geschäftsführung von Karstadt. Da war eine ganz nette Frau im Büro, der habe ich eine CD gegeben und gesagt: Wir fangen jetzt einfach mal an, wir werden dem Sicherheitsdienst sagen, daß wir bei Ihnen waren und wenn es Ihnen nicht gefällt, schmeißen Sie uns einfach raus. Und dann ist der Verantwortliche für die Werbung und fürs Marketing von Karstadt gekommen, hat es sich angehört, fand es gut und hat dann gesagt: "Eigentlich dürfen auf gar keinen Fall Straßenmusiker im Einkaufszentrum spielen, aber ihr dürft bis heute abend weitermachen, so lange ihr wollt, und ich würde euch gerne buchen!"

Eigentlich ist das keine Veranstaltung, die wir uns ausgesucht hätten. Aber wir können uns insofern gar nicht verbiegen, als wir nur unsere eigenen Lieder können, und wenn die so gut ankommen auch bei einem Publikum, was wir sonst nicht bespielen - es ist immer eine Herausforderung. Wir haben so viele gute Erfahrungen mit so unterschiedlichen Leuten gemacht an so unterschiedlichen Orten. Klar gibt's auch Leute, gerade auf der Straße, die sind viel ungenierter, die sagen, wenn sie vorbeigehen: "Könnt ihr auch was anderes?" Aber bei jedem Konzert gab es viele Leute, die es gut fanden, deswegen gehen wir davon aus, daß es heute auch so sein wird.

Valentina am Xylophon - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

Daß so viel positive Einstellung manchmal auf eine harte Probe gestellt wird, erfuhren die True Believers am Abend. Zwischen Foxy-Fotoautomat und Frauenklo hatte der Veranstalter ihnen die Rolle eines musikalischen Empfangskomitees zugedacht, als Aperitif sozusagen, den die Besucher auf dem Weg vom Parkhaus zur Partymeile im Vorübergehen mitnahmen, um sich dann schnell ins eigentliche Geschehen zu stürzen. Kaum jemand, der ihretwegen stehenblieb, geschweige denn zuhörte.

Über 5.000 Besucher drängten in die Einkaufspassage im Sophienhof, wo für einen stolzen Eintrittspreis von 25 Euro bis in die frühen Morgenstunden flaniert, getrunken und getanzt werden konnte und verschiedene, etwas in die Jahre gekommene Bands vorwiegend zu "Cover-Musik, die jeder kennt und die einfach fröhlich macht", so die Werbung der ebenfalls beteiligten Kieler Band Tiffany, die mit Hot Chocolate, Baccara und anderen um den größten Lärmpegel konkurrierte, der von Musik nicht viel übrig ließ, das Partyvolk in Stimmung brüllten.

Auch bei ihrem zweiten Auftritt zu fortgeschrittener Stunde in der Raucherlounge hatten die Believers wenig Glück. Zwar war die Atmosphäre ruhiger, dafür die Beleuchtung spärlich und die Luft rauchgeschwängert. Auch hier schien eher Musikuntermalung als Musik zum Zuhören gefragt. Kein Umfeld für Künstler, deren Songs eben gerade nicht für 'nur so nebenbei' sind und zur bloßen Beschallung.

Auftritt in der Raucherlounge - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

SB: Wo ist eure Grenze, wenn die Musikindustrie nach euch greift, wenn es heißt: Die sind toll, die machen wir berühmt, jetzt wollen wir sie aber so oder ein bißchen mehr so haben. Ihr könnt im Fernsehen auftreten, unter der Bedingung, daß ... und so weiter. Wo ist da eure Grenze?

VS: Die ist glaube ich ziemlich ...

ML: ... unterschiedlich bei den einzelnen Leuten.

VS: Aber worüber wir uns alle einig sind, daß es auf keinen Fall dazu kommen wird, daß wir uns umbenennen, unsere Texte umschreiben oder man uns vorschreibt, ihr dürft nur englische Lieder spielen oder nur deutsche, daß da ein Konzept auf uns zugeschustert wird, vielleicht nur für eine Sendung, wo etwas dargestellt wird, was wir gar nicht sind, das wird auf keinen Fall passieren. Dazu sind wir uns selbst gegenüber viel zu ehrlich und behalten viel zu gerne Bodenhaftung. Wir wissen, weil wir alle auch ein bißchen in der Branche arbeiten, ganz genau, was für ein Schwachsinn das ist, der um die Menschen herumgesponnen wird, was für Verträge geschlossen werden mit Leuten, die noch keine Ahnung haben, was auf sie zukommen wird. Dafür ist uns die Musik oder das, was wir jetzt damit haben, viel zu viel wert.

ML: Also ich würde mich auch fürs Fernsehen schick anziehen, solange wir da frei entscheiden können, was wir spielen und wie wir das spielen.

VS: Man kann trotzdem noch entscheiden, ob man jetzt irgendwie abgehen will oder rumspackt am Mikrofon, und trotzdem ist man dabei schick angezogen. Das ist ja völlig egal.

ML: Solange wir den Charakter der Musik wahren können, solange ist vieles okay. Ich würde mich zum Beispiel nicht verpflichten, 60 Konzerte im Jahr zu spielen für das Jahr 2012 - das ist viel zu abstrakt - wobei man sagen muß, daß wir schon jetzt im Schnitt jede Woche ein Konzert spielen.

VS: Also da würde ich zum Beispiel sagen, das würde ich auf jeden Fall machen.

ML: Da reden wir nochmal drüber, wenn klar ist, was dafür bezahlt wird.

Valentina Siemsen - Foto: © 2011 by Schattenblick

Foto: © 2011 by Schattenblick

SB: Habt ihr Visionen für eure Musik, eure Band und welche sind das?

ML: Wir haben Visionen, auch gemeinsame Visionen - wir wollen auf Festivals spielen im nächsten Jahr, da sind wir auch tatsächlich dran, das umzusetzen. Wir sind gerade dabei, endlich unsere eigene richtige Webseite zu bekommen, die sehr, sehr schön sein wird und wir wollen im nächsten Jahr wieder auf Tour gehen und in irgend einer Art und Weise Musik machen und Geld damit verdienen.

SB: Wir wünschen euch ganz, ganz viel Erfolg.


Wer Valentine & The True Believers hören möchte, dem sei die neueste CD "La plage de séjour" empfohlen. Am besten aber sind sie live, das nächste Mal am 11. Dezember in Carls Showpalast in Eckernförde um 12:00 Uhr oder am 17. Dezember um 21:00 Uhr in der Kulturkneipe Bornholdt in Meldorf.

Partystimmung im Sophienhof - Foto: © 2011 by Schattenblick

Partystimmung im Sophienhof
Foto: © 2011 by Schattenblick

10. November 2011