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HINTERGRUND/146: BMLO - Bayerisches Musiker-Lexikon Online (MünchnerUni Magazin)


MünchnerUni Magazin 02/2009
Zeitschrift der Ludwig-Maximilians-Universität München

BMLO - Im Netz spielt die Musik
Bayerisches Musiker-Lexikon Online

Von Marcus Simon


Musikgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, digital aufbereitet und für jeden Interessierten gebührenfrei einsehbar - das Bayerische Musiker-Lexikon Online (BMLO) bietet einen einzigartigen Fundus an Materialen.


Im Januar gab Marschmusik den Takt an beim Bayerischen Musiker-Lexikon Online (BMLO). Ganz oben auf der Beliebtheitsskala rangierte bei den Nutzern Wilhelm Legrand (1769-1845), seines Zeichens Komponist und Armee-Musikdirektor. Der Grund für das Interesse an Legrand, der damit noch vor Mozart oder Richard Strauss rangiert, heißt "Im Gleichschritt - Fortschritt - Marsch". Unter diesem Motto fand in Innsbruck eine Tagung zur Geschichte der Militärmusik statt. "Wilhelm Legrand hat die Anfänge der Militärmusik in Bayern wesentlich mitgestaltet", erläutert Dr. Josef Focht, am Department für Kunstwissenschaft als Leiter der BMLO-Redaktion tätig. Oft sind - wie im Fall Legrands - musikwissenschaftliche Tagungen dafür verantwortlich, dass ein Name besonders häufig nachgefragt wird. Manchmal aber geben die Nutzer den Machern des Online-Lexikons auch Rätsel auf. "Wir verzeichnen die meisten Zugriffe immer donnerstags zwischen zehn und elf Uhr", sagt Josef Focht und ist ratlos, woran das liegen könnte.

Einen enormen Schub bekam das Portal im Herbst 2008: Innerhalb kürzester Zeit schossen die Zugriffszahlen um mehr als das Doppelte in die Höhe. Damals wurden erstmalig sogenannte Digitalisate, also originalgetreue Faksimiles oder Volltexte, in das Online-Lexikon eingebunden. Seitdem steigen die Zugriffszahlen kontinuierlich um etwa zwei Prozent auf derzeit 5.300 unterschiedliche Nutzer pro Monat. Diese rufen rund 400.000 Einzelseiten auf. "41 Prozent der Besucher verweilen länger, wollen also tatsächlich lesen, hören und arbeiten", sagt Josef Focht. Stolze 30 Prozent der Nutzer verbringen sogar länger als fünf Minuten auf der Seite - für Internet-Verhältnisse ein erstklassiger Wert. Und ein schöner Erfolg für die BMLO-Redaktion.

Die viele Arbeit, die notwendig war, um die Datenbank mit multimedialen Elementen, zahlreichen Biographien und Informationen zu Personen der bayerischen Musikgeschichte zu füllen, trägt jetzt Früchte. Seit 2004 recherchierten, sammelten und digitalisierten Mitarbeiter des Instituts für Musikwissenschaft der LMU in Kooperation mit der Bayerischen Staatsbibliothek und der Gesellschaft für Bayerische Musikgeschichte Daten für die in Deutschland einmalige Musikerdatenbank. Unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft entstand auf diese Weise ein beispielgebendes Modell für ein zeitgemäßes musikwissenschaftliches Lexikon auf Internetbasis.

Gemeinsam mit der Digitalen Bibliothek der Bayerischen Staatsbibliothek wurden mehrere Standardwerke der Musikwissenschaft vom 18. bis zum 20. Jahrhundert hochwertig digitalisiert. Das Angebot stützt sich dabei nicht nur auf die Auswertung musikwissenschaftlicher Forschungsarbeiten, sondern auch auf solche der Landesgeschichte und der benachbarten Geschichts- und Kunstwissenschaften. Die Materialfülle der Datenbank ist beachtlich: Etwa 25.000 Datensätze, von denen über 20.000 bereits ediert sind, lassen sich abrufen. Rund 10.000 Personen wurden im BMLO erstmals lexikalisch gewürdigt. Damit leistet das Projekt einen erheblichen Beitrag zur Erweiterung des musikwissenschaftlichen Kanons.

Zum Jahreswechsel wurde der Probebetrieb offiziell beendet und das Portal mit allen seinen Besonderheiten und Vorteilen einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. So kann man etwa im BMLO anders als in Printmedien nicht nur nach Namen suchen. Auch Personengruppen lassen sich anhand gemeinsamer Charakteristika identifizieren, etwa alle Personen, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Pianisten oder Flötisten in Augsburg oder Nürnberg konzertiert haben. Neben Texten wie Lexikoneinträgen finden sich dabei auch Hörbeispiele, Notenblätter oder auch ganze Videosequenzen. Wer etwa beim Komponisten Wolfgang Jacobi nachschlägt, findet dort neben der Audiodatei "Musik für zwei Klaviere" auch einen etwa zehnminütigen Film von Andreas Ullrich mit dem Titel "Wolfgang Jacobi: Tonkünstler 1894-1972". Der Film gibt einen anschaulichen Überblick über das Schaffen des Komponisten und lässt seine Tochter zu Wort kommen. So erfährt der Nutzer beispielsweise, dass Jacobi im nationalsozialistischen Deutschland unter Berufs- und Aufführungsverbot litt. In München überdauerte er im inneren Exil, wobei ihm die gesellschaftliche Ächtung die Schaffenskraft abschnürte und ihn auch musikalisch verstummen ließ. Nach dem Krieg blieb er in der Stadt, gründete das Studio für neue Musik und fand zu seiner Kreativität zurück. In seiner späten Werkphase hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, den Konzertsaal dem Akkordeon zu öffnen. Interessierte Laien erfahren also viel Nützliches und für Forscher ist besonders von Vorteil, dass alle Personendatensätze im BMLO auch über individualisierte Internet-Adressen für wissenschaftliche Arbeiten zitierfähig sind; für Wolfgang Jacobi ist dies
www.bmlo.lmu.de/j0012.

Die Resonanz auf das Angebot kann sich sehen lassen: "Wir verzeichnen einen großen Rücklauf von den Nutzern", sagt Josef Focht. Besonders freut er sich über Rückmeldungen, die helfen, den Datenfundus zu erweitern. Da ruft beispielsweise jemand an und sagt, dass der Datensatz XY in unserer Datenbank seinen Großvater betreffe und er dazu noch weitere Materialien beisteuern könne. "Oder ein Fachkollege meldet sich und bietet zusätzliche Informationen zu einem Komponisten an, etwa dass er zudem auch Instrumente gebaut hat." Die meisten Zugriffe registrieren die BMLO-Redakteure aus den USA, Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Niederlande und China. "Das BMLO ist als lebende Ressource der Musikwissenschaft gut eingeführt, das zeigen uns die Rückmeldungen", resümiert Josef Focht.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine weiteren Ziele gäbe. Das BMLO-Projekt soll erweitert und vertieft werden. Auch haben sich bereits Interessenten gemeldet, die etwas Ähnliches für andere geographische Räume umsetzen wollen. So gibt es aus Baden-Württemberg eine Kooperationsanfrage und auch mit der Österreichischen Akademie für Wissenschaften und der Universität Zürich sind die BMLO-Macher im Gespräch. In Planung ist zudem ein Online-Portal zur Instrumentenkunde, das erstmals auch Daten von Museen berücksichtigen soll.

www.bmlo.de


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Quelle:
MünchnerUni Magazin 02/2009, Seite 22-23
Herausgeber: Präsidium der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München
Redaktion: Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München
Tel.: 089/21 80-34 23, Fax: 089/33 82 97
E-Mail: mum@lmu.de
Internet: www.lmu.de/presse/mum


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2009