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PSYCHOLOGIE/120: Gelotologie - Auswirkungen des Lachens auf die körperliche und psychische Gesundheit (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 2/2015

Gelotologie
Humor ist ein ernstes Fachgebiet

Von Uwe Groenewold


Die Auswirkungen des Lachens auf die körperliche und psychische Gesundheit werden untersucht.


Alle 14 Tage treffen sich in Lübeck die "Lach-Schoten" zum gemeinsamen Lachen, in Kiel die "Freunde des Lach-Yogas" gleich zweimal die Woche und an der Volkshochschule Meldorf finden regelmäßig Tageskurse zum gemeinsamen Lachenlernen statt. Beim Lachen, beschreibt es Psychotherapeut Dr. Michael Titze aus dem badischen Tuttlingen, wird der Mund nach oben gezogen, die Nasenlöcher weiten sich, die Augen werden geschlossen. 17 Gesichtsmuskeln spannen sich - darunter die des Tränensacks, weshalb so häufig Tränen fließen beim herzhaften Lachen -, die Stimmbänder werden in Schwingung versetzt, das Zwerchfell hüpft. "Lachen ist Ausdruck reiner Befreiung, vollkommener Spannungslösung. Im Lachen steigen wir aus jeglicher Selbstkontrolle aus. Damit kann die ursprünglichste und reinste Lebensfreude fließen."

Gelotologie nennt sich das Fachgebiet, das die Auswirkungen des Lachens auf die körperliche und psychische Gesundheit untersucht; Titze gehört zu den bekanntesten Verfechtern des noch jungen wissenschaftlichen Zweigs. Am letzten Februarwochenende treffen sich Experten aus aller Welt im westfälischen Bad Meinberg, um bei einem Kongress "20 Jahre Lach-Yoga" zu feiern. Die Gründerväter Madhuri und Dr. Madan Kataria aus Indien sind dort ebenso vertreten wie zahlreiche weitere Lach-Forscher und Humortherapeuten, die ihr Fachgebiet - allen humoristischen Tendenzen zum Trotz - ernst nehmen.

Ausreichend wissenschaftlich untersucht sind die Auswirkungen des Lachens auf den Organismus noch nicht. Belege gibt es etwa dafür, dass regelmäßiges Lachen Stress und Schmerzempfinden reduziert und den Stoffwechsel von Diabetikern positiv beeinflusst. Auch depressive oder demente Patienten profitieren offensichtlich vom therapeutischen Humoreinsatz. In der Medizin wird Lach-Yoga heute unter anderem in der Krebs- und Schmerztherapie und in der Psychotherapie eingesetzt.

Was sich beim Lachen konkret im Gehirn abspielt, lässt sich allerdings kaum untersuchen: Die dafür notwendige MRT-Untersuchung erfordert einen stillen, unbeweglichen Probanden. Beim Lachen ist jedoch der gesamte Organismus in Aufruhr, mehr als 100 Muskeln des Körpers werden beansprucht. Die Atmung wird stark angeregt, Verbrennungsvorgänge im Körper werden gefördert, der Herzschlag wird zunächst beschleunigt, um sich bald deutlich zu verlangsamen, sodass der Blutdruck gesenkt wird. Die Skelettmuskulatur entspannt sich, wird besser durchblutet. Stresshormone werden abgebaut und die Verdauungsdrüsen angeregt, das Immunsystem wird aktiviert. Michael Titze: "Erste kontrollierte Untersuchungen amerikanischer Gelotologen haben ergeben, dass Lachen eben jene Blutinhaltsstoffe vermehren hilft, die der Immunabwehr dienen. Dazu gehören die T-Lymphozyten und T-Helferzellen, die bei der Abwehr von Krebs und kardiovaskulären Krankheiten von Bedeutung sind."

Schließlich kommt es zu einer Ausschüttung von schmerzlindernden Hormonen, den Endorphinen, die sich sonst nur selten, zum Beispiel nach langem Joggen, im Blut nachweisen lassen. Von William Fry, dem Begründer der Gelotologie, stammt der Ausspruch: "Lachen ist Joggen im Sitzen." Untersuchungen haben ergeben, dass eine halbe Stunde herzhaftes Lachen am Stück einen ähnlichen Effekt auf den Organismus hat wie 20 Kilometer Laufen, so Titze: "Laufen und Lachen sollten also im Hinblick auf die allgemeine Gesunderhaltung eine ähnliche Wertigkeit haben. Wir wissen inzwischen: Wer regelmäßig ausgiebig lacht, wird statistisch gesehen älter und ist weniger krank."

Ein humorbezogenes Vorgehen, so die Verfechter des therapeutischen Lach-Yoga, kann etwa bei psychotherapeutischen Verfahren eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Dabei gehe es nicht darum, den Patienten um jeden Preis zum Lachen zu bringen. Vielmehr solle ein Prozess angeregt werden, der zu einer selbstbejahenden, mutigen Einstellung führt, die auch Heiterkeit und Lebensfreude beinhaltet. Titze: "In meiner Arbeit als Psychotherapeut habe ich die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen dazu neigen, die Wirklichkeit zu ernst zu nehmen. Misserfolge im Leben wie soziale Zurücksetzungen, Fehlleistungen in der Arbeit oder familiäre Enttäuschungen werden für so gravierend eingeschätzt, dass es zum Erleben von negativen Gefühlen wie Niedergeschlagenheit, Gekränktsein, Mutlosigkeit, Scham und Angst kommt. Da versuche ich gegenzusteuern. Der Patient soll lernen, das Leben aus einer anderen, heiteren Perspektive anzupacken."

Vor allem wird Lachen von immer mehr Menschen präventiv eingesetzt. Der erste Lach-Yoga-Club wurde 1995 in Mumbai/Indien gegründet. Nach Aussagen des Begründers Dr. Madan Kataria haben sich Lach-Clubs auf allen Kontinenten ausgebreitet; es sollen circa 6.000 Lach-Clubs in 72 Ländern existieren; mehrere Hundert davon in Deutschland. Beim Lach-Yoga werden die Teilnehmer mit einfachen, spielerischen Übungen zum Lachen angeregt, um Körper und Geist positiv zu beeinflussen.

Mehr Informationen gibt es bei der Fachgesellschaft HumorCare oder dem Verband der deutschen Lach-Yoga-Therapeuten (www.lachverband.org).


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 3/2015 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2015/201503/h15034a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
68. Jahrgang, Nr. 2/15, Februar 2015, Seite 10
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2015

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