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PFLEGE/778: Palliativmedizin - "Wir dürfen die Menschen am Lebensende nicht alleine lassen" (DKH)


Magazin der Deutschen Krebshilfe, Ausgabe Nr. 2/2019

Deutsche Krebshilfe ehrt Bonner Palliativmediziner

Interview mit Professor Dr. Eberhard Klaschik

von Susanne Kolle


Bonn (ko) - Am 12. April 2019 wurde Professor Dr. Eberhard Klaschik mit dem Deutsche Krebshilfe Preis 2018 ausgezeichnet und für seine herausragenden Verdienste geehrt.


Im Beisein zahlreicher Gäste nahm Professor Klaschik die renommierte Auszeichnung im Alten Rathaus in Bonn entgegen. Der Preisträger wurde für seine großen Verdienste beim Aufbau palliativmedizinischer Versorgungsstrukturen sowie für sein wegweisendes Engagement zur strategischen Weiterentwicklung der Palliativmedizin in Deutschland geehrt. Professor Dr. Friedemann Nauck, Direktor der Klinik für Palliativmedizin an der Universitätsmedizin Göttingen, würdigte die Verdienste des Preisträgers mit einer Laudatio.

Ziel der Palliativmedizin ist es, schwerstkranken Menschen ohne Aussicht auf Heilung eine bessere Lebensqualität sowie eine schmerzfreie und würdevolle letzte Lebensphase zu ermöglichen. Dies hat sich auch Professor Klaschik zur Lebensaufgabe gemacht. Bereits 1983 hat er mitgewirkt bei der Errichtung der bundesweit ersten Palliativstation am Universitätsklinikum Köln. Damals war der Begriff der Palliativmedizin sowohl in der Ärzteschaft als auch in der Gesellschaft noch ein Fremdwort.

Heute gilt Professor Klaschik als Wegbereiter der modernen Palliativmedizin. 1984 wurde er Chefarzt der Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin, Palliativmedizin und Schmerztherapie am Malteser-Krankenhaus in Bonn. Hier baute er ab 1990 mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe eines der bedeutendsten Zentren für Palliativmedizin in Deutschland auf mit einem ambulanten palliativmedizinischen Dienst, einer Akademie für Fort- und Weiterbildung und einer Trauerberatungsstelle. Im Jahr 1994 war Professor Klaschik beteiligt an der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin.

"Ein Wegbereiter der modernen Palliativmedizin."
Dr. Fritz Pleitgen

1999 erhielt er die erste Professur für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Bonn. 2008 ging er in den Ruhestand - in der Palliativmedizin hat er neue Maßstäbe gesetzt, die bis heute gültig sind.

Der Deutsche Krebshilfe Preis gilt als eine der bedeutendsten Auszeichnungen auf dem Gebiet der Onkologie und ist mit 15.000 Euro dotiert.

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"Wir dürfen die Menschen am Lebensende nicht alleine lassen"

Bonn (ko) - Die Palliativmedizin in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Ein Interview mit Professor Dr. Eberhard Klaschik, Arzt und ausgezeichnet mit dem Deutsche Krebshilfe Preis, über die Errungenschaften der vergangenen drei Jahrzehnte.


Sie gelten als Wegbereiter der modernen Palliativmedizin inDeutschland. Was hat Sie damals bewogen, sich in Ihrer beruflichen Laufbahn schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der Palliativmedizin zu engagieren?

Ich hatte die Gelegenheit, mit der Eröffnung der ersten Palliativstation in Köln 1983 die Betreuung der Patienten mit zu übernehmen. Hier führten wir die Symptomkontrolle, insbesondere die Schmerztherapie, aber auch die psychosoziale, spirituelle und physiotherapeutische Behandlung nach dem Vorbild des St. Christopher Hospice in London durch. Die Verbesserung der Leidenssituation der Patienten war so beeindruckend, dass für mich sofort klar war, dass die Palliativmedizin mich niemals loslassen würde.

Welche Situation haben Sie in den Anfängen der Palliativmedizin vorgefunden und welche Herausforderungen galt es zu meistern?

1983 war Deutschland ein palliativmedizinisches Vakuum. Die Deutsche Krebshilfe hat die damals mutige Entscheidung getroffen, an der Universität Köln die erste Palliativstation in Deutschland zu etablieren. Eine Herausforderung war es, den stationsinternen Standard dem englischen Vorbild anzupassen. Darüber hinaus galt es aber auch, Ärzte, Pflegekräfte, Seelsorger, Sozialarbeiter, Physiotherapeuten, Kostenträger, Politiker und Laien von der absoluten Notwendigkeit der Palliativmedizin und Hospizidee zu überzeugen, damit die Kölner Erfahrungen bundesweit umgesetzt werden konnten.

Was hat Ihnen die Kraft gegeben, Ihre Ziele trotz aller anfänglichen Hürden und Widrigkeiten beharrlich weiterzuverfolgen?

In der Zeit zwischen 1983 und 1990 hatte sich eine kleine Gruppe aus allen an der Betreuung schwerkranker Menschen beteiligten Fachdisziplinen gebildet, die sich durch Begeisterungsfähigkeit, Beharrlichkeit, Zusammenhalt, Einsatz, Arbeitsbereitschaft und Überzeugungsfähigkeit ausgezeichnet hat, und die sich von Vorurteilen, Ignoranz und Gleichgültigkeit nicht beeinflussen ließ. Von unschätzbarem Wert war für mich persönlich die vorbehaltlose und grandiose Unterstützung meiner Frau.

Die Palliativmedizin hat seit ihren Anfängen in den 1980er Jahren bis heute viel erreicht. Worin sehen Sie die Meilensteine dieser erfolgreichen Entwicklung?

Meilensteine sind für mich die erste Palliativstation an der Universität Köln 1983, die Gründung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin 1994, der erste Lehrstuhl für Palliativmedizin an der Universität Bonn 1999, die gesetzliche Verankerung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) 2007, die Zusatzweiterbildung für Palliativmedizin mit Prüfungen in den Landesärztekammern 2003 und Palliativmedizin als Pflichtlehr- und Prüfungsfach im Medizinstudium 2009.

Wo besteht aus Ihrer Sicht künftig noch Handlungsbedarf? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Neben der grundsätzlich notwendigen flächendeckenden Versorgung im ambulanten und stationären Bereich ist der weitere Ausbau der Palliativmedizin an den Universitäten zwingend notwendig. Die Deutsche Krebshilfe hat hier bereits segensreich gewirkt, indem sie sechs Lehrstühle etabliert hat, die jetzt auch alle in der Regelfinanzierung sind. Diese Förderung der Deutschen Krebshilfe hat die größtmögliche Nachhaltigkeit bewiesen.

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"Im Vordergrund steht für mich, wie ich mit dem gesamten Team den Patenten eine erlebenswerte Zeit ermöglichen kann."
Professor Dr. Eberhard Klaschik, Arzt und Inhaber des ersten Lehrstuhls für Palliativmedizin.

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Zum Schluss noch eine sehr persönliche Frage: Als Palliativmediziner haben Sie tagtäglich Menschen auf dem Weg in den Tod begleitet. Wie ist es Ihnen gelungen, mit den vielen traurigen Momenten von Leid und Abschied umzugehen?

Am Ende der palliativmedizinischen Betreuung steht natürlich auch die bestmögliche Begleitung, wenn der Sterbeprozess unmittelbar bevorsteht. Und wir wissen, dass wir hier den Patienten eine ihrer Würde entsprechende Versorgung anbieten und deren Angehörige stützen können, wenn wir sie in dieser Phase nicht alleine lassen. Wenn uns das gelingt, können auch wir von den Patienten Abschied nehmen. Ein intaktes Betreuungsteam ist die beste Voraussetzung, mit schwierigen Situationen umzugehen.

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Quelle:
Magazin der Deutschen Krebshilfe, Ausgabe Nr. 2/2019, Seite 8 - 9
Herausgeber: Deutsche Krebshilfe e.V.
Buschstraße 32, 53113 Bonn
Telefon: 0228/729 90-0, Fax: 0228/729 90-11
E-Mail: deutsche@krebshilfe.de
Internet: www.krebshilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2019

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