Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → SOZIALES


INITIATIVE/122: Entwicklungshilfe - Einsatz am Kilimanjaro (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2019

Entwicklungshilfe
Einsatz am Kilimanjaro

von PM/RED


Chefarzt Dr. Robert Keller leistete zwei Wochen Entwicklungshilfe und bringt die minimalinvasive Chirurgie in die Savanne Ostafrikas, in einem Krankenhaus am Fuße des Kilimanjaro.


Wird Dr. Robert Keller über seine Arbeit in Tansania befragt, fallen ihm die sechs Jungen ein. Im Staub sitzen sie auf der Straße und spielen zusammen - mit einer einzigen Murmel. "Was wirklich Armut heißt, konnte ich an solchen Szenen beobachten. Und trotzdem habe ich selten so viel Freude und Zuneigung erlebt wie in den zwei Wochen in Afrika", erzählt der Chefarzt der Klinik für Chirurgie in Bad Segeberg. Keller ist eigentlich keiner, der sich in seiner Funktion in Entwicklungsprojekten engagiert oder sich anderweitig als Arzt in die Dritte Welt begibt. "Ich war bisher immer der Meinung, es wäre ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn ich mich in einem Projekt engagieren würde. Diese Meinung hat sich geändert. Ich habe hier erfahren, wie nachhaltige Hilfe möglich ist."

Auf eigene Kosten hat Keller zwei Wochen in der afrikanischen Savanne Tansanias verbracht und den dortigen Kollegen die minimalinvasive Chirurgie vermittelt. Der Kontakt lief über Dr. Ali Kombo, der 2019 in seiner Klinik hospitiert hat, und seinen alten Doktorvater, Prof. Norbert Guldner aus Lübeck. Der Afrikafan lebt seit mehreren Jahren teilweise auf dem Kontinent. Hier im Norden Tansanias, zwischen afrikanischen Bergen und dem Kilimanjaro, liegt eine Klinik einsam in der Savanne. 2007 startete man hier als Krankenstation für Schwangere. Unter der Initiative der Österreicherin Dr. Christina Wallner und ihrer Tochter Cornelia, die in Lübeck praktiziert hat, ist bis heute ein Komplex gewachsen, zu dem neben der Klinik mit diversen Fachrichtungen ein Waisenhaus, mehrere Schulen und Ausbildungsstätten sowie zahlreiche soziale Projekte gehören. 280 Menschen arbeiten hier und versorgen die gesamte Region mit Medizin und Bildung. Africa Amini Alama heißt der gemeinnützige Verein der Medizinerinnen, dessen Deutschlandvertretung in Lübeck angesiedelt ist.

Kellers Aufnahme in der Einrichtung beginnt blutig. Als er im Sommer 2019 im Health Center Momella ankommt, bereiten die Massai dem deutschen Arzt ein traditionelles Fest. Dazu gehört der gemeinsame Genuss von frischem Rinderblut. Doch Keller macht dabei eine gute Figur, wird schnell integriert und macht sich an die Arbeit - jedoch mit Verzögerung. "Zunächst saß ich drei Tage nur herum und wartete. Es kamen keine Patienten. Das lag allerdings daran, dass man sich in der Klinik doch erst an mich gewöhnen wollte. Danach ging es richtig los." Acht Operationen à 30 Minuten liefen dann Tag für Tag. Die afrikanischen Kollegen lernten schnell. Hernie, Leber- und Eierstockzysten, Blinddarm, Gallensteine, die einbestellten und von einem westeuropäischen Gastroenterologen bereits vor Monaten diagnostizierten Patienten reihten sich ein, denn es sprach sich herum, dass "der deutsche Doktor" da ist. Wo vorher keine Operationen dieser Art vorgenommen wurden, waren es nun über 40 Eingriffe in nur zwei Wochen.

Für Safaris und Sightseeing blieb Keller kaum Zeit. Nur ein kurzer Trip mit einem Massai in die atemberaubende Natur Ostafrikas und die Übernachtung in einer der urtümlichen Lodges für Touristen wollte er nicht missen. Ansonsten lernte er in den zwei Wochen die weiteren sozialen Einrichtungen kennen. Besonders nachhaltig beeindruckte ihn das Waisenhaus. Wer keine Eltern mehr hat oder unter zwölf Geschwistern zu kurz kommt, darf hier bleiben und ist gut versorgt. "Das führt bei einigen Einheimischen zu Neid und Missgunst, die sich in Gewalt gegen die Kinder äußert, denn den jungen Menschen hier geht es gut. Sie haben zu essen, Kleidung, ein solides Dach über dem Kopf und werden ausgebildet", berichtete Keller. Ihn begeisterte die Grundschule mit angeschlossener Berufsausbildung in verschiedenen Professionen. Und er legte selbst Hand an, reparierte die defekte Schulglocke.

Nach 14 Tagen fuhr der Viszeralchirurg mit zahlreichen traditionellen Geschenken nach Hause zurück. Reich an persönlichen Erlebnissen, hatte sich seine Einstellung zur Dritten Welt gewandelt. "Ich empfinde es als einen nachhaltigen Gewinn, meine Fähigkeiten einzubringen und den Nutzen für die Menschen so schnell sehen zu können, wie ausgeprägt sie die Hilfe zur Selbsthilfe umsetzen", sagte der Chirurg. Innerlich plant er schon die nächste Reise zum Kilimanjaro. (PM/Red)

*

Info

Africa Amini Alama bedeutet "Ich glaube an Afrika". Die Wienerin Dr. Christina Wallner gründete die Einrichtung 2007 als Versorgungsstation für Schwangere. Heute können Patienten in den Fachrichtungen Zahnmedizin, Augenheilkunde, Innere und Gynäkologie, Chirurgie sowie Naturheilkunde versorgt werden. Es kamen mehrere Grundschulen, Ausbildungseinrichtungen für Maurer, Mechatroniker und Tischler sowie das Waisenhaus hinzu. www.africaaminialama.com


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201911/h19114a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, November 2019, Seite 27
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.de
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang