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INITIATIVE/119: Interview - Aktiv sein im Twankenhaus ... "Wir wollen was verändern" (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 7-8/2019, Juli - August 2019

Interview
"Wir wollen was verändern"

Stephan Göhrmann im Gespräch mit Dr. Janine Römpke


Janine Römpke ist Ärztin in Weiterbildung und arbeitet in einem Kieler Krankenhaus. Nebenbei ist sie im Twankenhaus aktiv. Was das ist, erklärt sie im Interview mit Stephan Göhrmann.


Frau Römpke, in Ihrer Freizeit sind Sie im Twankenhaus aktiv. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff wer macht da mit?

Janine Römpke: Das Twankenhaus ist ein Zusammenschluss verschiedener Berufsgrupen, die sowohl stationär, als auch ambulant tätig sind. Wir kommen aus unterschiedlichen gesundheitsberuflichen Bereichen aus ganz Deutschland, hauptsächlich Ärzte, Rettungsassistenten, Pflegekräfte und Therapeuten. Wir haben auch Patienten in unseren Reihen. Das ist uns wichtig. Der Name ergibt sich aus den Worten 'Twitter' und 'Krankenhaus', denn wir sind als eine Twitter-Gruppe gestartet. Auch wenn der Name vermuten lässt, dass wir uns auf das Krankenhaus beschränken, haben wir viele Mitglieder aus dem niedergelassenen bzw. den ambulant tätigen Bereichen. Twankenhaus ist weit mehr als ein Wortspiel, es steht für die Utopie eines perfekten Arbeitsplatzes, eines Wunscharbeitsplatzes, an dem unsere Probleme, die wir im Alltag haben, nicht existieren. Wir verstehen uns als Ideenschmiede, die die Probleme der Mitarbeiter des Gesundheitswesens und der Patienten sammelt, bündelt und an konkreten Lösungsansätzen arbeitet, die wir öffentlich zur Verfügung stellen.

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18.12.18 war Startdatum für das Twankenhaus. Was als Gruppe von im Gesundheitswesen tätiger Menschen startete, hat sich ein halbes Jahr später zu einem Verein entwickelt.
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Wie ist die Bewegung entstanden?

Römpke: Den Gedanken, sich zu vernetzen, gab es schon länger. Konkret ging es im Dezember letzten Jahres mit einer Twitter-Gruppe los. Man schrieb sich und stellte fest, dass man mit ähnlichen Problemen im Alltag konfrontiert war. Es kam der Vorschlag, sich näher kennenzulernen. Der Name Twankenhaus war damals schon gefunden - klar, das Twitter-Krankenhaus. Die Gruppe wurde größer und im Februar diesen Jahres gab es ein erstes Treffen in Hamburg. Hier wurden erste persönliche Kontakte geknüpft und erste Ideen formuliert. Uns verbindet, dass wir unserer Probleme selbst in die Hand nehmen und etwas ins Rollen bringen wollen.

Welche Ziele verfolgen Sie?

Römpke: Twankenhaus möchte Probleme und Wünsche ansprechen und öffentlich diskutieren. Es gibt bislang leider keine berufsgruppenübergreifende Vertretung und wir verstehen uns auch nicht als solche. Dennoch füllen wir eine Lücke und verstehen uns als Sprachrohr für die Betroffenen auf allen Seiten. Darüber wollen wir die Gesellschaft informieren.

Dazu starteten wir auf Twitter verschiedene Themenwochen zu unterschiedlichen Inhalten. Unter den jeweiligen Hashtags #WunschUndWirklichkeit, #MeinEinsatzFürDich und #Vereinbarkeit haben wir Berichte und Lösungsvorschläge gesammelt und kommuniziert. Die erste Themenwoche befasste sich mit dem Thema Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Wir konnten relevante Inhalte in einem Positionspapier artikulieren und haben gezeigt, dass der Diskurs über das Gesundheitswesen auch über Twitter möglich ist.

Welche strukturellen Probleme sieht die Bewegung? Was kritisiert Twankenhaus am Klinikalltag?

Römpke: Im Twankenhaus werden Probleme und Kritiken an unserem Gesundheitssystem gebündelt. Da kommt schon was zusammen. Wir können eine Reihe von Problemfeldern festmachen. Etwa die personelle Unterbesetzung. Wenig Personal bedeutet, dass Patienten nur noch "abgefertigt" werden können. Gleichzeitig ist der bürokratische Aufwand enorm: Nicht dokumentiert bedeutet nicht gemacht. Hinzu kommt die Ausübung von fachfremden Tätigkeiten, da Personal gespart wird. Es bleibt selbst kaum Zeit für die eigene Fort- und Weiterbildung. Wie soll man sich da Kapazitäten für die Ausbildung anderer schaffen? Da muss sich etwas verbessern. Ein guter Kontakt zwischen Patient und behandelndem Mediziner oder Pflegekräften ist so nicht mehr möglich. Das führt zu Unbehagen, beim Personal und den Patienten. Klar muss ein Krankenhaus wirtschaftlich sein, aber im Kern ist unser Auftrag die Versorgung unserer Patienten.

Wie kann die Bewegung diesen Problemen begegnen? Wie ist die Bewegung strukturiert?

Römpke: Das Twankenhaus ist gut strukturiert. Das Kernteam besteht aus 60 Personen, wobei diese ihre unterschiedliche Expertise in den Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen einbringen. Die Gruppen sind nach Expertise aufgebaut. Wenn es also um Pflege geht, ist eine Pflegefachkraft federführend. Mitmachen kann jeder. Es stellt sich schnell heraus, in welchem Bereich man sich einbringen kann. Als Ideenschmiede sprechen wir uns ab, welche Themen wir in der Öffentlichkeit ansprechen wollen. Bei heißen politischen Themen diskutieren wir ausführlich und schauen, wie die Mehrheitsmeinung ist. Eine eindeutige Hierarchie gibt es dabei nicht. Die Accountführung wechselt, je nachdem, wer Zeit hat und welche Themen gerade kommuniziert werden.

Was unterscheidet das Twankenhaus von anderen Akteuren im Gesundheitswesen?

Römpke: Uns zeichnet aus, dass wir sämtliche Disziplinen vereinen und Patienten ins Boot holen. Durch den Kontakt zu Patienten in den eigenen Reihen und über Twitter kommt ihre Meinung direkt bei uns an. So schaffen wir die Möglichkeit der Selbstreflexion und der kritischen Auseinandersetzung mit dem eigenen Berufsstand. Außerdem ist sind wir nicht profitgesteuert. Das ist uns ganz wichtig. Ich glaube, deshalb hat der YouTuber Rezo so viel Anklang gefunden: weil er nüchtern und ohne Profitgier Probleme angesprochen und seine Inhalte verständlich und frisch vermittelt hat. Das machen wir auch. Alles, was im Twankenhaus passiert, ist privates Engagement. Jeder bringt sich soviel ein, wie er kann und möchte. Eine gute Resilienz ist wichtig, gerade in Zeiten der Arbeitsverdichtung.

Wie geht es weiter?

Römpke: Am Anfang war ganz viel auf einmal, alles war in Bewegung. Mit der Zeit wurde es ruhiger. Das ist gut - so können wir uns ordnen und unsere Arbeit strukturieren. Für die Zukunft planen wir ein größeres Treffen, nicht zuletzt, um die neuen Mitglieder kennenzulernen. Das Tempo geht zurück. Das Twankenhaus ist ein Verein in Gründung. Da wir uns nun weitgehend konsolidiert haben, möchten wir jetzt in den Dialog mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen treten. Für etablierte Interessenvertretungen liegt im Austausch mit dem Twankenhaus eine echte Chance zum Perspektivwechsel. Somit können wir wichtige Impulse und konkrete Ideen zur Verbesserung geben. Der Bevölkerung ist Gesundheit wichtig, aber vielen ist nicht klar, unter welchen Bedingungen wir teilweise arbeiten. Wir möchten also Aufklärung leisten und das Thema Gesundheit im öffentlichen Raum und nicht hinter verschlossenen Türen thematisieren.

Vielen Dank für das Gespräch.

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60 Mitglieder stehen im Zentrum des Twankenhauses, die ihre unterschiedliche Expertise in den Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen einbringen.
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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 7-8/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201907/h19074a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Juli - August 2019, Seite 8 - 9
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2019

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