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THERAPIE/345: Soteria als alternatives Behandlungsmodell (Soziale Psychiatrie)


Soziale Psychiatrie Nr. 152 - Heft 2/16, April 2016
Rundbrief der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.

Soteria als alternatives Behandlungsmodell
Kurze Zusammenfassung des Inputs zum Forum "Soteria-Projekte in Deutschland und Europa"

Von Wassili Hinüber


Loren Mosher war 1971 Mitbegründer des 'Soteria-House San Jose' Kalifornien, USA. Sein Ansatz war ein alternatives Behandlungsangebot in einer wohngemeinschaftsähnlichen Einrichtung, außerhalb der Klinik, für psychotische Patienten. Für ihn ging es darum, zu versuchen, das psychotische Erleben eines Menschen zu verstehen. Medikamente wurden damals in den ersten sechs Wochen nicht gegeben, bei fehlender Besserung wurden Neuroleptika nur mit Einverständnis der Patienten in niedriger Dosierung eingesetzt. 1983 musste die Soteria wegen fehlender Mittel wieder geschlossen werden.

Soteria in Europa

Die erste Soteria im europäischen Raum wurde 1984 in Bern von Luc Ciompi gegründet. Die erste Soteria in Deutschland gab es in Frankfurt (Oder) von 1997 bis 1999. Seit 1999 gibt es eine Soteria in Zwiefalten und seit 2003 eine in München-Haar. Es folgten weitere in Konstanz, Gangelt und Berlin.

Daneben entwickelten sich Soteria-Konzepte auf stationärer Ebene in Krankenhäusern. Die erste Station mit Soteria-Elementen entstand in Gütersloh unter Klaus Dörner. Nach seinem Ausscheiden wurde sie umgewidmet. Inzwischen gibt es in ganz Deutschland Stationen mit Soteria-Elementen.

2015 wurde der Verein 'Internationale Arbeitsgemeinschaft Soteria' gegründet, der es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, mithilfe eines Selbsteinschätzungsbogens die Kriterien für die Soteria-Arbeit zu überprüfen und optimieren.

Was kennzeichnet die Soteria?

Die Kriterien für die Soteria-Arbeit sind länderübergreifend die gleichen:

  • kleines, möglichst "normales" transparentes, entspanntes und reizgeschütztes therapeutisches Milieu;
  • behutsame und kontinuierliche mitmenschliche Stützung durch die Krise mit wenigen ausgewählten Bezugspersonen;
  • konzeptionelle und personelle Kontinuität von der akuten Behandlungsphase bis zur Wiedereingliederung;
  • klare und gleichartige Informationen für Patienten, Angehörige und Bezugspersonen hinsichtlich der Behandlung, Erkrankung und Prognose;
  • ständige enge Zusammenarbeit mit Angehörigen und weiteren Bezugspersonen;
  • Erarbeitung von gemeinsamen konkreten Zielen und Prioritäten auf der Wohn- und Arbeitsachse mit Induktion von realistischen, vorsichtig positiven Zukunftserwartungen;
  • Verwendung von Neuroleptika nur bei anders nicht abzuwendender akuter Selbst- oder Fremdgefährdung, bei fehlenden Besserungszeichen nach vier bis fünf Wochen oder bei nicht behebbarer Rückfallgefahr in der Nachbetreuungsphase;
  • systematische Nachbetreuung und Rückfallprophylaxe während mindestens zwei Jahren aufgrund einer vorausgegangenen Analyse von individuellen Prodromalsymptomen, Belastungssituationen und möglichen Bewältigungsstrategien mit Patienten, Angehörigen und weiteren Bezugspersonen.
Voraussetzungen für eine gelingende Soteria-Arbeit

Folgende Voraussetzungen für die Einrichtung einer Station mit weitgehend integrierten Soteria-Elementen sollten gegeben sein:

  • das Interesse der Betriebsleitung an der Implementierung von Soteria-Elementen und die Bereitstellung von Ressourcen für die Umgestaltung und den störungsfreien Betrieb ohne Aufweichung der Grundkriterien; die Integration einer solchen Station in das gesamte Akutbehandlungssetting der Klinik, um keine psychiatrische Behandlung erster und zweiter Klasse entstehen zu lassen;
  • das Interesse von Mitarbeitern an einer Veränderung ihres Arbeitsstils im Sinne einer engen und anstrengenden (aber auf Dauer befriedigenderen) Beziehungsarbeit; - regelmäßige Überprüfung der Soteria-Kriterien durch externe Supervision und interne Intervision berufsübergreifend.


Dr. Wassili Hinüber ist leitender Oberarzt der Katharina Kasper ViaNobis GmbH in Gangelt.
E-Mail:w.hinueber@vianobis.de

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Quelle:
Soziale Psychiatrie Nr. 152 - Heft 2/16, April 2016, Seite 38 - 39
veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V.
Zeltinger Str. 9, 50969 Köln
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2016

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