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FORSCHUNG/183: Gleichstromsimulation als Behandlungsoption für depressive Patienten (idw)


Universitätsklinikum Tübingen - 08.01.2013

Gleichstromsimulation als Behandlungsoption für depressive Patienten



Menschen mit Depressionen gelingt es meist nur schlecht, den Einfluss negativer Informationen auf ihr Denken und Empfinden zu begrenzen. Diese mangelnde Selbstkontrolle über die Verarbeitung negativer und belastender emotionaler Signale wird als eine wesentliche Ursache depressiver Erkrankungen betrachtet und ist von einer geringeren Aktivität des linken Stirnhirns begleitet.

Prof. Dr. Christian Plewnia von der Tübinger Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Dr. Dipl.-Psych. Larissa Wolkenstein von der Abteilung Klinische Psychologie der Universität Tübingen konnten mit der aktuell im renommierten Wissenschaftsjournal Biological Psychiatry veröffentlichten Studie zeigen, dass es durch die Steigerung dieser beeinträchtigten Aktivität im linken Stirnhirn mit transkranieller Gleichstromstimulation gelingt, dieses Defizit der kognitiven Kontrolle bei Patienten mit Depressionen zumindest vorübergehend in der Zeit der 20-minütigen Stimulation zu beseitigen.

Bei der transkraniellen Gleichstromstimulation wird ein schwacher elektrischer Strom verwendet, der für den Patienten kaum spürbar ist, aber eine aktivierende Wirkung auf den stimulierten Hirnbereich haben kann. Bei den depressiven Patienten, die an der Tübinger Untersuchung teilnahmen, wurde wie erwartet eine stärkere Ablenkung durch emotional bewegende im Vergleich zu emotional neutralen Abbildungen festgestellt, was zu schlechteren Leistungen in einem einfachen Gedächtnistest führte. Diese erhöhte Ablenkbarkeit durch emotionale Informationen ließ sich unter der Behandlung mit transkranieller Gleichstromstimulation nicht mehr feststellen. Die Patienten mit Depression haben mit der Stimulation die Fähigkeit wiedererlangt, den erhöhten Einfluss emotionaler Informationen auf ihr Denken und Handeln zu kontrollieren und unterschieden sich damit nicht mehr von den gesunden Versuchspersonen.

Mit diesen Erkenntnissen kann die Wirkweise antidepressiver Hirnstimulation wie z.B. auch der transkraniellen Magnetstimulation besser verstanden werden. Diese Verfahren können damit in Zukunft gezielter und effektiver eingesetzt werden. Bestätigt sich ihre Effektivität in weiteren klinischen Studien, werden sich antidepressive Hirnstimulationsverfahren neben der Psychotherapie und der medikamentösen Behandlung als weitere Möglichkeit zur Behandlung von depressiven Störungen etablieren.


Originaltitel der Publikation
Wolkenstein L, Plewnia C.
Amelioration of Cognitive Control in Depression by Transcranial Direct Current Stimulation.
Biol Psychiatry. 2012 Dec 6.
doi:pii: S0006-3223(12)00898-0. 10.1016/j.biopsych.2012.10.010.
[Epub ahead of print]

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution82

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 08.01.2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2013