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ARTIKEL/381: Fälscher am Werk. Gefälschte Medikamente - gefälschte Patente (medico international)


medico international - aktuell - 15.04.2009

Fälscher am Werk
Gefälschte Medikamente - gefälschte Patente

Von Andreas Wulf, medico international


Seit es Medikamente gibt, gibt es auch Medikamentenfälschungen - zu groß ist die Versuchung, mit den teuren Heilmitteln sein Schnäppchen zu machen. Und die bestmögliche Kontrolle vor solchen Fälschungen eine medizinische Notwendigkeit: Angebliche Viagra-Angebote aus dem Internet ohne Wirkung kosten nur das Geld der leichtgläubigen Nutzer - Hustensäfte mit dem billigeren Glykol statt Glycerin bringen immer wieder Menschen um - zuletzt 2007 in Panama, wo 365 Kinder an einer solchen Lieferung aus China starben. Ein gutes Arzneimittelüberwachungssystem ist also notwendig und leider in vielen Länder der Welt nur unzureichend verwirklicht. Dies nutzen die großen multinationalen Pharmakonzerne, mit dem Thema Medikamentenfälschungen auch ihre Patentinteressen gegen kostengünstige Generikaproduktion zu verteidigen. Gezielt wird der Unterschied zwischen gefälschten und qualitativ mangelhaften Medikamenten und korrekt hergestellten Generika verwischt, und Patentstreits zu einem Gesundheitsproblem gemacht:

Die Beschlagnahmung von indischen Generika-Medikamenten im Transit in Holland auf dem Weg nach Lateinamerika wurde mit einer neuen EU Richtlinie begründet, die verstärkt gegen "Produktfälschungen" vorgehen will - vor allem nachgemachte Markenartikel sind dabei im Blick, also Nike- und Adidas-Schuhe, Vuitton-Handtaschen, Rolex-Uhren. Diese Generika-Medikamente sind allerdings weder im Herstellungsland, noch im Empfängerland patentiert, und waren natürlich auch als solche ausgewiesen; trotzdem wurden sie als "Medikamentenfälschungen" beschlagnahmt. Der Streit dauert an, und ist symptomatisch für die Versuche der Pharmaunternehmen und auch der EU Kommission, immer stärkere Patentregeln durchzusetzen, auch wenn die international vereinbarten Regeln dabei verletzt werden.

Aber nicht nur diese bewusste Verwischung der Grenzen zwischen Generika-Produktion und krimineller Medikamentenfälschung gilt es kritisch im Auge zu behalten und dagegen zu protestieren, sondern ebenso die aktuelle Praxis von Pharmafirmen, Patente auf Medikamente anzumelden, die schon Jahrzehnte auf dem Markt sind - besonders in Indien, dem wichtigsten Generika Produzenten für die Entwicklungsländer, findet das aktuell statt und könnte dramatische Folgen für die Verfügbarkeit von kostengünstigen Generika Medikamenten: die Indische Pharmazeutische Allianz, ein zusammenschluß der wichtigsten Generika Hersteller hat in einer aktuellen Studie ermittelt, dass viele Medikamente, auf die in Indien in den letzten drei Jahren Patente gewährt wurden, bereits in den Jahrzehnten vor dem offiziellen Stichtag 1995 auf den Markt gekommen sind, und damit nach dem eigenen Patentrecht nicht patentierbar wären - die Patentämter fungieren als willige Erfüllungsgehilfen der internationalen Unternehmen. Hier ist wohl der Ausdruck "Patentfälschungen" angebracht, und das Aktionsbündnis gegen AIDS und medico werden gegen diese Praxis protestieren und sie weiter im Auge behalten.

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Quelle:
medico international - aktuell - 15.04.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2009

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