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THERAPIE/235: Bisherige Richtlinien für Schilddrüse benötigen Revision (idw)


Universitätsspital Bern - 03.04.2017

Bisherige Richtlinien für Schilddrüse benötigen Revision


Die Standard-Therapie bei Unterfunktion der Schilddrüse sind Tabletten, welche das Schilddrüsenhormon ersetzen. Die Ergebnisse der bisher grössten Studie zum Thema, welche heute im New England Journal of Medicine veröffentlicht werden, stellen diese Praxis nun aber infrage.

Eine leichte Unterfunktion der Schilddrüse (subklinische Hypothyreose) ist im Alter häufig. Etwa eine von 10 älteren Personen ist davon betroffen. Laut aktuellen Richtlinien qualifizieren neun von zehn Frauen mit dieser Diagnose für eine Therapie mit Schilddrüsenhormon-Tabletten. Typischerweise ist dies Levothyroxin, welches aktuell das am häufigsten verschriebene Medikament in den USA und das dritthäufigste in Grossbritannien ist. Die grosse fünfjährige EU-Studie TRUST zeigt nun aber, dass diese sehr verbreitete Behandlung Patientinnen und Patienten keinen offensichtlichen Nutzen bringt und demzufolge die bisherigen Behandlungsrichtlinien revidiert werden müssen. Die Resultate der Studie werden heute am Endocrine Society meeting (ENDO 2017) in Orlando, USA, vorgestellt.

Grösste europäische klinische Studie für Schilddrüsen-Unterfunktion

Ein Forscherteam aus europäischen Universitäten begleitete 737 ältere Personen mit leichter Unterfunktion der Schilddrüse, um herauszufinden, ob Levothyroxin einen klinischen Nutzen bringt. Eine Unterfunktion der Schilddrüse wird mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen in Verbindung gebracht, darunter Müdigkeit, kardiovaskuläre Erkrankungen, Muskelschwäche, verlangsamtes Denkvermögen, Bluthochdruck und Übergewicht. Allerdings ist unklar, ob eine leichte Unterfunktion der Schilddrüse ursächlich für die erwähnten Probleme verantwortlich ist. In der aktuellen Studie erhielt die Hälfte der ältere Personen über zwei Jahre ein Placebo, die andere Hälfte Levothyroxin. Die Studie zeigte, dass die Levothyroxin-Tabletten zwar die normale Schilddrüsen-Funktion wiederherstellten, die Symptome aber nicht verbesserten. Weiter konnten weder eine Verbesserung der Muskelkraft, noch ein verbessertes Denkvermögen oder eine positive Auswirkung auf Gewicht oder Blutdruck festgestellt werden.

Kein lohnenswerter Nutzen durch Levothyroxin

Basierend auf diesen Ergebnissen kommt das Studienteam zum Schluss, dass es keine stichhaltigen Beweise gibt für einen Nutzen der Levothyroxin-Therapie bei älteren Menschen mit leichter Unterfunktion der Schilddrüse. Prof. Dr.med. Nicolas Rodondi vom Inselspital, Universitätsspital Bern, und Universität Bern, leitete die Studie in der Schweiz. Er kommt zum Schluss: "Uns fehlten über 20 Jahre lang Beweise für die Wirksamkeit des Screenings und einer Behandlung von leichter Unterfunktion der Schilddrüse, und dennoch wurden viele dieser Patienten mit Levothyroxin behandelt. Unser Ziel war es, den Nutzen dieser Behandlung für ältere Personen definitiv zu untersuchen. In unserer Studie, welche fünfmal grösser ist als vorherige Studien zu diesem Thema, konnten wir zeigen, dass die Therapie keinen offensichtlichen Nutzen für diese ältere Personen bringt und daher für diese Situation nicht mehr verschrieben werden sollte."

• Über das TRUST Forschungsprojekt
Thyroid Hormone Replacement for Subclinical Hypo-Thyroidism Trial (TRUST) ist ein europäisches Forschungsprojekt, in welchem Experten für Allgemeine Innere Medizin, Altersmedizin, Schilddrüsenprobleme und Gefässerkrankungen die aktuelle Therapie-Praxis bei leichter Schilddrüsen-Unterfunktion erforschen. Spezielle Empfehlungen für ältere Personen über 80 Jahre werden nächstes Jahr zur Verfügung stehen, wenn die TRUST-Resultate mit einer laufenden Studie mit über 80-Jährigen kombiniert werden. Prof. David Stott aus Schottland koordinierte die Studie unter Mitwirkung der Schweiz (Leitung Prof. Nicolas Rodondi), den Niederlanden (Leitung Prof. Jacobijn Gussekloo), Irlands (Leitung Prof. Patricia Kearney) und Dänemarks (Leitung Prof. Rudi Westendorp). Die Datenverarbeitung fand am Robertson Centre for Biostatistics der Universität Glasgow statt (Leitung Prof. Ian Ford). Die Studie wurde von der Europäischen Union finanziert und in der Schweiz durch den Schweizerischen Nationalfonds unterstützt. In der Schweiz wurde die Rekrutierung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern dank 443 Hausärzten ermöglicht, mit der Unterstützung des Berner Instituts für Hausarztmedizin (BIHAM) der Universität Bern (Prof. Nicolas Rodondi), des Instituts für Familienmedizin (IUMF) der Universität Lausanne sowie der Universitätsklinik für Endokrinologie, Diabetes und Stoffwechsel des CHUV in Lausanne (Dr. Tinh-Hai Collet).


Kontakt:

Prof. Dr. med. Nicolas Rodondi, Chefarzt
Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin
Inselspital, Universitätsspital Bern

und

Direktor Berner
Institut für Hausarztmedizin (BIHAM)
Universität Bern

Nicolas.Rodondi@insel.ch

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.trustthyroidtrial.com

Zu dieser Mitteilung finden Sie Anhänge unter:
http://idw-online.de/de/attachment57026
TRUST Studienresultate

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1809

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsspital Bern, Monika Kugemann, 03.04.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2017

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