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MELDUNG/272: Verein "Freie Apothekerschaft" fordert mehr Zeit für Patienten! (Freie Apothekerschaft)


Freie Apothekerschaft e.V. - 9. Oktober 2012
Unabhängiger Zusammenschluss von selbstständigen Apothekerinnen und Apothekern

Freie Apothekerschaft fordert: Endlich wieder Zeit für unsere Patienten!



Mit immer neuen Rabattverträgen vergrößern die Gesetzlichen Krankenkassen ständig das ohnehin schon fast unübersehbare Chaos bei der Arzneimittelversorgung und in den Apotheken. Da gibt es Rabattverträge, Lieferverträge, Portfolioverträge, Sortimentsverträge, Exklusivverträge, vorgeschriebene Packungsgrößen, Alt-Normgrößen, Normgrößen, Normbereiche, Gebietslose und und und. Die Freie Apothekerschaft bemängelt, dass dabei die dringend erforderliche Zeit für die Betreuung der Patienten auf der Strecke bleibt.

Die Warenlager der deutschen Apotheken haben mit den seit 1. Januar 2012 geltenden neuen Rabattverträgen an Wert und Umfang deutlich zugenommen. Im Gegenzug wurden hunderte von Arzneimitteln mit einem Wert von etlichen -zig Millionen Euro faktisch über Nacht wertlos. Denn die Apotheken können diese Medikamente weder an den Großhandel noch an die Hersteller zurückgeben. Ein wirtschaftlicher Irrsinn erster Güte und eine Enteignung der Apothekerschaft, welche die Kosten für diesen gesetzlich "verordneten" Irrwitz zu tragen hat, ohne dass diese dafür auch nur im Ansatz einen entsprechenden Ausgleich in Aussicht gestellt bekämen.

Zum 1. Januar 2013 wird das gleiche Szenario mit den neuen Rabattverträgen der AOK folgen. Das nicht aufhören wollende Prozedere dieser anscheinend äußerst lukrativ sprudelnden Geldquelle mit dem Namen "Rabattverträge" führt in den Apotheken nur zu einem Ergebnis: Sie haben immer weniger Einkommen - und, weitaus schlimmer, es bleibt bei dem bürokratischen Verwaltungsaufwand, der mittlerweile bei der Abgabe von Medikamenten notwenig geworden ist, absolut keine Zeit mehr für die dringend notwenige Beratung der zunehmend verunsicherten Patienten und Versicherten!

Die Zeit zur Betreuung der Patienten fehlt

In erster Linie sind für diese Missstände der GKV-Spitzenverband, die für das Gesundheitswesen in Deutschland verantwortlichen Ministerien und die zuständigen Politiker verantwortlich. Eine sachkundige und absolut erforderliche Beratung zu den verordneten Arzneimitteln, kompetente Erklärungen und Hinweise zur Einnahme, das "sich-Kümmern" im klassischen und besten Wortsinne: Nichts davon ist mehr möglich, seit sich Politik und Krankenkassen im Schröpfen der Apotheken einig sind.

Das Pauschalhonorar für die Abgabe von Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ist vorne und hinten nicht kostendeckend. So ist den Apotheken die Einstellung zusätzlichen Fachpersonals nicht (mehr) möglich - aber nur mit diesem Personal wäre es möglich, den nachvollziehbaren und höchst verständlichen Bedürfnissen der Patienten in der Arzneimittelberatung gerecht zu werden.

Bereits im Vorfeld sind die neuen Verhandlungen der so genannten "Standesvertretung" der Apotheken, der ABDA, mit dem GKV-Spitzenverband über den Kassenabschlag, also den Rabatt, den die Apotheken auf das Honorar von 8,35 Euro pro verschreibungspflichtige Arzneimittelpackung geben müssen, von neuen Begehrlichkeiten der Gesetzlichen Krankenkassen gekennzeichnet. Und das, obwohl der Kassenabschlag aus den Jahren 2009 und 2010 bis heute noch nicht einmal gerichtlich entschieden ist - und wohl auch in diesem Jahr nicht mehr entschieden werden wird. Dass Unternehmen - wie es Apotheken nun einmal auch sind - über einen Zeitraum von vier Jahren hingehalten werden und immer noch nicht wissen, was sie verdient haben, dürfte weltweit wohl einmalig sein. Die Ursachen für diesen untragbaren Zustand liegen in der deutschen Gesundheitspolitik und bei Parlamentariern, welche minutenschnell Gesetze verabschieden, sich um die Auswirkungen und Konsequenzen nicht kümmern und stattdessen jahrelange juristische Auseinandersetzungen provozieren.

Freie Apothekerschaft fordert Wegfall des Krankenkassen-Rabattes

Sollte bei den anstehenden Verhandlungen nicht eine deutliche Rücknahme, besser noch ein kompletter Wegfall des Krankenkassen-Rabattes herauskommen, hält die Freie Apothekerschaft weitere flächendeckende Streikmaßnahmen der Apotheken in Deutschland für nicht ausgeschlossen. Die Politik hat entschieden, dass einerseits Apotheken für verschreibungspflichtige Arzneimittel keinen Rabatt von pharmazeutischen Großhandlungen und Herstellern erhalten dürfen. Da kann es andererseits nicht sein, dass die Krankenkassen bei zur Zeit vollen Einnahmetöpfen einen Rabatt von fast 26 Prozent des ohnehin mehr als dürftigen Apothekenhonorars fordern. Erschwerend kommt hinzu, dass viele apothekenfremde Leistungen wie etwa das Inkasso der Rezept-Zuzahlungen, die Vorfinanzierung der Arzneimittel, die Überprüfung von Befreiungen der Versicherten und vieles mehr von den Apothekern ohne jegliche Kostenerstattung erbracht werden.

Für die Politik und die Krankenkassen muss es vorrangiges Ziel sein, dass sich die Apotheker ausreichend Zeit für die Beratung der Patienten und Versicherten nehmen können, speziell bei der ständigen, durch die Rabattverträge bedingten Umstellung der Patienten auf "neue" Arzneimittel. Zu diesem Zweck müssen dringend ausreichende finanzielle Mittel bereitgestellt werden. Nur so lassen sich viele zusätzliche, durch die Rabattverträge entstehenden Fehleinnahmen und Dosierungsprobleme vermeiden und der Gesundheitszustand einer Vielzahl kranker Menschen dauerhaft verbessern.

Theoretisch stehen den Apotheken dafür genügend Möglichkeiten zur Verfügung. Aber durch die überbordende Bürokratie und die Gier der Krankenkassen nach immer mehr finanziellen Einnahmen aus den Kassen der Apotheken können diese Ressourcen bei weitem nicht hinreichend genutzt werden.


(Die Freie Apothekerschaft ist zwischen dem 10. und 13. Oktober 2012 mit einem Infostand auf der diesjährigen Expopharm in München, Halle 5, Stand G15, vertreten.)

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Quelle:
Freie Apothekerschaft e.V.
Pressemitteilung vom 9.10.2012
Obere Hauptstraße 1, 76863 Herxheim
Telefon: 0 72 76 - 8578, Fax: 0 72 76 - 71 16
E-mail: hgh@freie-apothekerschaft.de
Internet: www.freie-apothekerschaft.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2012