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FORSCHUNG/847: Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung - neue Wirkstoff-Kandidaten gegen Entzündungen (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 27.05.2014

Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung

Pharmazeuten der Universität Jena entwickeln drei neue Wirkstoff-Kandidaten gegen Entzündungen



Es ist so etwas wie die Schutzpolizei unseres Körpers: das Immunsystem. Eindringende Krankheitserreger werden von ihm unschädlich gemacht, verletztes Gewebe abgebaut und die Wundheilung gefördert. Bei dieser Form der "Selbstverteidigung" spielen Entzündungsreaktionen eine entscheidende Rolle. Doch manchmal läuft die Verteidigungsstrategie des Immunsystems aus dem Ruder und Zellen oder Gewebe des eigenen Körpers geraten ins Visier: "Dann kann es zu überschießenden Entzündungsreaktionen kommen und Krankheiten entstehen", weiß Prof. Dr. Oliver Werz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und nennt Asthma, Rheuma, Arteriosklerose oder Krebs als Beispiele. Und: "Für viele dieser Erkrankungen gibt es bisher nur wenige wirksame Therapien ohne massive Nebenwirkungen."

Doch das Forscherteam um den Jenaer Pharmazeuten hat jetzt gleich drei neue Wirkstoffe entwickelt, mit denen sich Entzündungserkrankungen künftig vielleicht besser behandeln lassen. In renommierten Fachzeitschriften stellen die Forscher die potenziellen Therapeutika vor, die ein Schlüsselenzym der körpereigenen Entzündungskaskade drosseln.

"Das Enzym mit dem Namen 5-LOX spielt eine zentrale Rolle in der Synthese von sogenannten Leukotrienen, die an zahlreichen immunologischen und entzündlichen Prozessen beteiligt sind", erläutert Prof. Werz. Schon lange stehe daher der Versuch, die Leukotrien-Synthese zu verhindern, im Fokus der internationalen Forschung zur Entzündungstherapie. "Tausende Publikationen sind dazu in den vergangenen Jahren entstanden", weiß Werz. Doch bis auf eine Ausnahme, habe es bisher keiner dieser Ansätze bis zur Medikamentenentwicklung geschafft. Entweder sei die Wirksamkeit der Substanzen zu gering oder von unerwünschten Nebeneffekten begleitet.

Ursache für diesen unbefriedigenden Forschungsstand sieht der Jenaer Pharmazeut in dem bisher unzureichenden Verständnis der zellulären Regulation der Leukotrien-Biosynthese und der fehlenden Kenntnis der molekularen Mechanismen der Interaktion von Wirkstoff und Zielmolekül. "Statt eine Vielzahl von Substanzen zu testen um zu sehen, ob eine davon vielleicht eine Wirkung zeigt, haben wir uns 5-LOX genau angeschaut und gefragt, an welchen Stellen dieses Enzym überhaupt angreifbar ist und wie Wirkstoffe aussehen müssten, die mit unserem Zielmolekül wechselwirken können", beschreibt Werz den grundlagenorientierten Ansatz. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler der Uni Jena gemeinsam mit Partnern aus Österreich, Italien, der Türkei und Griechenland drei geeignete Wirkstoffkandidaten identifizieren.

So erweist sich ein sogenanntes Benzochinon als wirksamer Hemmer der 5-LOX. Dabei handelt es sich um eine Substanz, die von dem Naturstoff Embelin aus dem "Falschen schwarzen Pfeffer" (Embelia ribes) abgeleitet ist. Die Pharmazeuten konnten zeigen, dass sich diese Substanz passgenau in das aktive Zentrum des Enzyms einfügt und so dessen Funktion blockiert. "Das geschieht sehr spezifisch nur bei 5-LOX", sagt Werz und betont, das Benzochinon deshalb praktisch kaum Nebenwirkungen zeigen dürfte.

Ähnlich vielversprechend hat sich eine Substanzverwandte des rotvioletten Farbstoffs Indirubins, namens 6-BIO, gezeigt. Auch für diese Substanz haben die Jenaer Forscher den Wirkmechanismus aufgeklärt: das 6-BIO hemmt das Enzym 5-LOX, in dem es für seine Funktion notwendige Andockstellen für andere Moleküle blockiert. "Zusätzlich greift 6-BIO auch in die Synthese von Entzündungsfaktoren - den Zytokinen - ein, so dass es zusätzliche Synergieeffekte gibt." Dies mache 6-BIO etwa für die Therapie der Alzheimer-Krankheit interessant, bei der Zytokine ebenfalls eine Rolle spielen.

Der dritte Wirkstoffkandidat aus dem Jenaer Uni-Labor hemmt die 5-LOX nicht selbst, sondern schaltet ein Helfer-Eiweiß aus, das das Enzym für seine Wirkung in der Zelle braucht. Diesen Wirkstoff, ein Benzimidazol mit der Kurzbezeichnung BRP-7, haben die Forscher durch ein virtuelles Screening in einer fast drei Millionen Substanzen umfassenden Bibliothek identifiziert. "Alle drei Kandidaten sind aus unserer Sicht für eine weitere Medikamentenentwicklung sehr gut geeignet", fasst Prof. Werz zusammen. Allerdings sei dafür nun die Unterstützung der Pharmaindustrie gefragt.


Original-Publikationen:

Schaible AM et al. Elucidation of the molecular mechanism and the efficacy in vivo of a novel 1,4-benzoquinone that inhibits 5-lipoxygenase. British Journal of Pharmacology 2014 (DOI:10.1111/bph.12592)
Pergola C et al. Indirubin core structure of glycogen synthase kinase-3 inhibitors as novel chemotype for intervention with 5-lipoxygenase.
Journal of Medical Chemistry 2014 (DOI:10.1021/jm401740w)

Pergola C et al. The novel benzimidazole derivative BRP-7 inhibits leukotriene biosynthesis in vitro and in vivo by targeting 5-lipoxygenase-activating protein (FLAP). British Journal of Pharmacology 2014 (DOI:10.1111/bph.12625)


Kontakt:
Prof. Dr. Oliver Werz
Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Philosophenweg 14, 07743 Jena
E-Mail: oliver.werz[at]uni-jena.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-jena.de


Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

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Neue Medikamente gegen Entzündungserkrankungen sind das Ziel der Forschungsarbeiten der Pharmazeuten der Uni Jena.

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Das Team um Prof. Dr. Oliver Werz von der Uni Jena hat drei neue Wirkstoff-Kandidaten gegen Entzündungen entwickelt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution23

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Ute Schönfelder, 27.05.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2014