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LEBER/073: "Leberreinigung" - Unsinnige Gallenstein-Therapie aus dem Internet (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Dienstag, 8. September 2009

"Leberreinigung": Unsinnige Gallenstein-Therapie aus dem Internet


fzm - Eine im Internet empfohlene Selbstbehandlung des Gallensteinleidens ist als medizinischer Humbug überführt. Die nach der Behandlung im Stuhlgang auftretenden Ablagerungen sind gar keine Gallensteine, sondern eine Zusammenklumpung der Mittel, welche die Patienten zur Leberreinigung eingenommen haben, berichten Mediziner in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009).

Die Selbsttherapie wird im Internet als Leberreinigung ("liver cleanse"), manchmal auch als Gallenspülung ("gallbladder flushing") propagiert. Den Patienten wird geraten, nach zwölfstündigem Fasten eine größere Menge Olivenöl und Grapefruitsaft zu trinken, gefolgt von Bittersalz und Wasser. Am nächsten Tag finden sie dann im Stuhlgang eine Vielzahl von grünlich-gelblichen, steinartigen Gebilden. Für viele Menschen ein klarer Beweis, dass die Behandlung die Gallenblase spült und Gallensteine beseitigt. Sogar einige persönlich befragte Heilpraktiker seien von dem Verfahren überzeugt, berichten Dr. Nils Ewald und Professor Dr. Philip D. Hardt vom Universitätsklinikum Gießen, die bei einer Internetrecherche mehr als 500 000 Hinweise auf die Therapie fanden.

Anlass für die Überprüfung war ein Patient, der die Leberreinigung alle vier Wochen bei sich "erfolgreich" durchführte und wegen einer vom Hausarzt daraufhin vermuteten massiven Neigung zur Gallensteinbildung an die Uniklinik überwiesen worden war. Die Autoren ließen die Ausscheidungen näher untersuchen. Diese wiesen unter dem Mikroskop weder die kristalline Struktur von Gallensteinen auf, noch enthielten sie Cholesterin, Bilirubin oder Kalzium, die typischen Bestandteile von echten Gallensteinen.

Zum weiteren Beweis führten drei Mitarbeiter der Klinik einen Selbstversuch durch. Obwohl sie selbst nicht an Gallensteinen litten, erbrachte die Prozedur der "Leberreinigung" bei ihnen Ausscheidungen wie bei dem Patienten. Die Behandlung führt somit nicht zur Passage echter Gallensteine, folgern Ewald und Hardt; die grünlich-gelblichen Gebilde seien am ehesten Verseifungsprodukte der eingenommenen Substanzen.

Nach der Erfahrung der Mediziner haben Selbstdiagnosen und Selbsttherapien dieser Art in letzter Zeit zugenommen. Die Ursache sehen sie in der leichten Verfügbarkeit medizinischer Informationen im Internet. Für Laien sei es häufig schwierig, seriöse Aussagen von persönlichen Meinungen oder gar von Scharlatanerie zu unterscheiden.


N. Ewald, P. D. Hardt:
Flushing stones? "Leberreinigung" und "Gallenspülungen".
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (36): S. 1774


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Quelle:
FZMedNews - Dienstag, 8. September 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2009