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SCHLAGANFALL/366: Rettung durch den Katheter? (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 12.02.2016

Schlaganfall: Rettung durch den Katheter?


Die Chancen, einen Schlaganfall zu überleben und ohne Behinderung davonzukommen, haben sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Dazu trägt ein neuartiges Katheterverfahren bei, das insbesondere bei schweren Schlaganfällen zum Einsatz kommt. Wie es funktioniert und welchen Patienten es hilft, erklärt Neuroradiologe Prof. Dr. Martin Bendszus bei Medizin am Abend am 17. Februar 2016.

Bei einem Schlaganfall, bei dem ein Blutgerinnsel eine Hirnarterie blockiert, gilt es schnell zu handeln: Der Betroffene muss umgehend blutverdünnende Medikamente erhalten, die das Gerinnsel auflösen sollen. Ist das Gerinnsel zu groß, reicht diese Behandlung jedoch nicht aus. Ein neuartiges Katheter-Verfahren, das in spezialisierten Zentren rund um die Uhr verfügbar ist, kann dann häufig helfen. "Einen solchen Entwicklungssprung in der Therapie einer Erkrankung erlebt man nur selten", sagt Prof. Dr. Martin Bendszus, Ärztlicher Direktor der Abteilung für Neuroradiologie an der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. "Quasi von heute auf morgen ist es möglich, Patienten mit schwersten Schlaganfällen mit relativ guten Erfolgschancen zu behandeln. Wir können damit in dieser Patientengruppe die Chancen auf ein Leben ohne Behinderung auf bis zu 50 bis 70 Prozent erhöhen." Wie das Verfahren genau funktioniert und was Katheter-Eingriffe am Gehirn sonst noch leisten können, erklärt Professor Bendszus in seinem Vortrag bei Medizin am Abend am Mittwoch, 17. Februar 2016. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Hörsaal der Kopfklinik, Im Neuenheimer Feld 400. Universitätsklinikum und Rhein-Neckar-Zeitung laden alle Interessierten herzlich ein.

Jedes Jahr erleiden rund 270.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Nicht selten ist eines der großen Hirngefäße verschlossen und ein großes Hirnareal von der Durchblutung abgeschnitten, was schwerste neurologische Störungen zur Folge hat. Patienten mit solch schweren Schlaganfällen kann die Standardtherapie, die sogenannte Thrombolyse, häufig nicht helfen. Sie können von dem neuen Katheterverfahren, der Thrombektomie, profitieren: Dabei führen Neuroradiologen über einen Katheter von der Leistenarterie einen feinen Draht unter Röntgenkontrolle bis in die Hirnarterie. Mit einem speziellen Drahtgeflecht ziehen sie das Gerinnsel aus dem Gefäß heraus. Offensichtlich kann diese Therapie auch länger nach Auftreten der Schlaganfall-Symptome sinnvoll sein als die Thrombolyse, welche nur in den ersten viereinhalb Stunden Wirkung zeigt. "Wie lange nach dem Schlaganfall die Thrombektomie noch in Frage kommt, entscheiden wir bei jedem Patienten nachdem wir eine Untersuchung in der Computertomographie oder der Magnetresonanztomographie durchgeführt haben", erklärt Bendszus. "Sind im betroffenen Areal noch ausreichend Nervenzellen intakt kann auch eine relativ späte Behandlung helfen."

Mehr als 200 Patienten profitierten 2015 von neuem Katheter-Verfahren

Insgesamt gilt: Je früher die Patienten behandelt werden, desto besser sind die Chancen auf ein späteres Leben ohne Behinderung. Bei Verschlüssen der großen Hirnarterien warten die Neurologen daher nicht die Wirkung der Thrombolyse ab, sondern starten möglichst schnell mit dem Katheter-Eingriff. "Mehrere Studien zu diesem Verfahren brachten so überzeugende Ergebnisse, dass wir diesen Eingriff bei bestimmten Arten von Schlaganfällen inzwischen routinemäßig vornehmen", so der Neuroradiologe. Die Heidelberger Schlaganfallstation ist mit rund 700 Patienten pro Jahr die größte "Stroke Unit" Europas. Rund 30 Prozent der Heidelberger Schlaganfall-Patienten profitieren von dem Katheter-Eingriff, Tendenz steigend. Erhielten 2015 rund 200 Patienten eine Thrombektomie, rechnet Prof. Bendszus für 2016 mit mehr als 300 Patienten, die für diesen Eingriff aus der Region ins Universitätsklinikum gebracht werden.

In seinem Vortrag wird Professor Bendszus außerdem ein Katheter-Verfahren vorstellen, das Schlaganfälle in Folge einer Hirnblutung behandeln kann. Rund 15 Prozent aller Schlaganfälle gehen auf Hirnblutungen zurück. Nicht selten reißt ein Hirngefäß an Stellen mit geschwächter und daher bereits aufgeweiteter Gefäßwand, einem sogenannten Aneurysma. Diese Aneurysmen verursachen vorher in der Regel keine Beschwerden und werden daher oft nur zufällig bei CT- oder Kernspin-Untersuchungen des Kopfes entdeckt. "Das Risiko, dass dieses Aneurysma irgendwann einreißt, ist nicht unerheblich, daher ist meistens eine Behandlung zu empfehlen. Bei den meisten Patienten können wir die Schwachstelle heute endovaskulär, also mittels eines Katheter-Eingriffs verschließen", so der Experte. Dazu platzieren füllen die Neuroradiologen die Aussackung mit hauchfeinen, spiralförmigen Platindrähten vollständig aus, so dass kein Blut mehr in das Aneurysma fließen kann "Es werden ständig neue, verfeinerte Techniken entwickelt um das Verfahren noch effektiver und sicherer zu machen", sagt Prof. Bendszus.


Weitere Informationen finden Sie unter
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Heidelberg, Julia Bird, 12.02.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2016

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