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KREBS/1140: Magnetresonanztomografie - Geht's auch ohne Kontrastmittel? Ja, mit Zucker (idw)


Deutsches Krebsforschungszentrum - 22.06.2017

MRT: Geht's auch ohne Kontrastmittel? Ja, mit Zucker!


Wissenschaftlern im Deutschen Krebsforschungszentrum ist es in Zusammenarbeit mit Kollegen des Universitätsklinikums Heidelberg gelungen, Gehirntumoren mit einem neuen MRT-Verfahren sichtbar zu machen. Statt der üblichen Kontrastmittel, die für den Körper belastend sein können, nutzen sie eine einfache Zuckerlösung.

Bei einer Magnetresonanztomografie (MRT) verbessern Kontrastmittel die bildliche Darstellung der Gewebestrukturen. Sie verstärken die Signale in den Blutgefäßen und im Raum zwischen den Zellen, gelangen jedoch nicht ins Zellinnere. Glukose (Traubenzucker) hingegen wird in die Körperzellen aufgenommen und dort abgebaut. Besonders Tumorzellen sind süchtig nach Zucker, um ihren hohen Energiebedarf zu decken. Die Beobachtung der Zucker-Stoffwechselaktivität könnte daher Krebsherde oder sogar besonders aggressiv wachsende Tumorareale identifizieren. Radiologen und Physikern aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum ist diese neue Art der Bildgebung nun gelungen.

Die klassische MRT beruht auf der Messung der Signale von Protonen im Wasser. Da der Körper zu über 60 Prozent aus Wasser besteht, entsteht so ein deutliches Bild. Um den viel geringer konzentrierten Traubenzucker sichtbar zu machen, benutzen die DKFZ-Forscher einen Hochfeld-Tomographen mit einer Magnetfeldstärke von 7 Tesla und eine spezielle Methode, um das Glukose-Signal selektiv zu verstärken. Damit lässt sich eine ausreichende Signalstärke erzielen, die es ermöglicht, die Änderungen der Zuckerkonzentration im Hirngewebe nach der Injektion von Glukoselösung sichtbar zu machen.

Das der Methode zu Grunde liegende physikalische Prinzip ist der "Magnetisierungstransfer-Effekt". Dieser ist seit Jahrzehnten bekannt, konnte bislang aber noch nicht für die Glukose-Bildgebung beim Menschen genutzt werden. Beim Magnetisierungstransfer wird das Signal der Glukose-Protonen auf das im MRT gemessene körpereigene Wasser übertragen. Der Effekt ist proportional zur lokalen Glukosekonzentration und bildet daher die regionale Veränderung der Zuckerkonzentration ab. Die für die Glukose-Messung benötigte Menge an Traubenzucker entspricht etwa fünf Stück Würfelzucker.

Der Physiker Patrick Schünke und der Arzt und Physiker Daniel Paech konnten in ihrer aktuellen Arbeit sowohl die Änderung des Glukosesignals von gesunden Hirnarealen als auch die krankhafte Änderung in Hirntumoren beim Menschen beobachten.

Mit einem anderen Messverfahren, der Positronenemissions-Tomographie (PET), machen Wissenschaftler bereits seit Jahrzehnten den erhöhten Zuckerverbrauch in Tumoren sichtbar. Allerdings sind dazu radioaktiv markierte Zuckermoleküle notwendig. "Unsere Glukose-MRT dagegen kommt ohne jegliche Radioaktivität und somit ohne eine Strahlenbelastung für den Patienten aus", sagt Daniel Paech, der Erstautor der Arbeit.

Am Zucker-MRT-Projekt arbeiten DKFZ-Wissenschaftler der Arbeitsgruppen von Peter Bachert, Mark Ladd und Heinz-Peter Schlemmer zusammen. Die Forscher weisen darauf hin, dass noch nicht alle Fragen zur neuen Messmethode vollständig geklärt sind. "Wir wissen noch nicht, wie die Anteile der gemessenen Glukose zwischen Gefäßen und Extrazellularraum einerseits und dem Zellinneren andererseits verteilt sind. Wenn sich bestätigt, dass wesentliche Signale vom Zucker aus dem Zellinneren herrühren, würde das für die Tumor- und funktionelle MRT-Bildgebung eine wichtige Zusatzinformation bedeuten. Das könnte die Therapieplanung und das Monitoring verbessern", sagt der Radiologe Heinz-Peter Schlemmer.


Paech, Schuenke, Koehler, Windschuh, Mundiyanapurath, Bickelhaupt, Bonekamp, Bäumer, Bachert, Ladd, Bendszus, Wick, Unterberg, Schlemmer, Zaiss, Radbruch. T1ρ-weighted Dynamic Glucose Enhanced MRI in the Human Brain. Radiology 2017, DOI: 10.1148/radiol.2017162351

Weitere Publikationen zum Thema:

Schuenke, Koehler, Korzowski, Windschuh, Bachert, Ladd, Mundiyanapurath, Paech, Bickelhaupt, Bonekamp, Schlemmer, Radbruch, Zaiss. Adiabatically Prepared Spin-Lock Approach for T1ρ-Based Dynamic Glucose Enhanced MRI at Ultrahigh Fields. Magnetic Resonance in Medicine, 2016, DOI:10.1002/mrm.26370

Schuenke, Paech, Koehler, Windschuh, Bachert, Ladd, Schlemmer, Radbruch, Zaiss. Fast and quantitative T1ρ-weighted Dynamic Glucose Enhanced MRI. Scientific Reports 7, 42093, 2017, DOI: 10.1038/srep42093

- Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Krebsforschungszentrum, Dr. Sibylle Kohlstädt, 22.06.2017
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2017

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