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HERZ/980: Meldungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zum Europäischen Kardiologiekongress 2017 (4) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 30. August 2017

Europäischen Kardiologiekongress (ESC) 2017 in Barcelona, 26.-30. August 2017

→ Akutes Koronarsyndrom: Eisenmangel erhöht das Risiko um 70 Prozent
→ Hochrisikopatienten: Biomarker proBNP gibt Hinweis auf Sterberisiko
→ Langzeitstudie identifiziert niedrige Temperaturen als Herzinfarkt-Trigger
→ Herzinfarkt: Schlechtere Aussichten für Untergewichtige


Akutes Koronarsyndrom: Eisenmangel erhöht das Risiko um 70 Prozent

Patienten mit Herzinfarkt oder instabiler Angina Pectoris, die zudem an Eisenmangel leiden, haben ein deutlich höheres Risiko für einen Herztod oder einen Herzinfarkt, berichten Hamburger Kardiologen auf dem Europäischen Kardiologiekongress (ESC) in Barcelona.

Düsseldorf, Barcelona, Hamburg, 30. August 2017 - Patienten mit akutem Koronarsyndrom (Herzinfarkt, instabile Angina Pectoris), die einen Eisenmangel aufweisen, haben ein um 70 Prozent erhöhtes Risiko, innerhalb von vier Jahren einen Herz-Kreislauf bedingten Tod oder einen nicht-tödlichen Herzinfarkt zu erleiden im Vergleich zu Patienten ohne Eisenmangel. "Unsere Studie zeigt, dass Eisenmangel ein starker und unabhängiger negativer Prognosefaktor für Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom ist", berichtet Dr. med. Sarina Schäfer (Universitäres Herzzentrum Hamburg) auf dem Europäischen Kardiologiekongress (ESC) in Barcelona.

Untersucht wurden im Rahmen der AtheroGene-Studie 895 Patienten mit einem akuten Koronarsyndrom, die unmittelbar vorher einer Herzkatheter-Untersuchung unterzogen wurden. Bei einer Blutabnahme wurde der Eisenstatus bestimmt (Ferritin und Transferrinsättigung), anschließend wurden die Patienten im Durchschnitt vier Jahre nachverfolgt. Der primäre Endpunkt beinhaltete den kardiovaskulären Tod sowie das Auftreten von nicht-tödlichen Herzinfarkten.

Die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) empfiehlt in ihren aktuellen Leitlinien zur chronischen Herzinsuffizienz die routinemäßige Erhebung des Eisenstatus und bei Vorliegen eines Eisenmangels die intravenöse Therapie mittels Eisencarboxymaltose. Dieser Empfehlung liegt zugrunde, dass Eisenmangel bei bis zu 50 Prozent der Patienten mit Herzinsuffizienz auftritt. "Aktuelle Studien belegen, dass eine effektive Korrektur des Eisenmangels bei diesen Patienten zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität und der Symptome führt", erklärt Dr. Schäfer. "Das Ziel der vorliegenden Studie war es, die Relevanz des Eisenmangels im akuten Koronarsyndrom zu untersuchen." Unter dem Begriff akutes Koronarsyndrom werden alle akuten Phasen der koronaren Herzerkrankung, einschließlich Herzinfarkt, zusammengefasst.

Quelle:
ESC 2017 Abstract 5759 Schäfer et al. Iron deficiency independently and strongly predicts adverse outcome in patients with acute coronary syndrome - first report on the prospective relevance of iron deficiency et al. European Heart Journal (2017) 38 (Supplement) 710

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Hochrisikopatienten: Biomarker proBNP gibt Hinweis auf Sterberisiko

Bei Hochrisikopatienten mit Diabetes und Herzkrankgefäßerkrankung ist das vom Herzmuskel gebildete proBNP ein wichtiger prognostischer Marker für kardiovaskuläre Todesfälle. Je höher das proBNP, desto höher das Sterberisiko, zeigt eine aktuelle Studie, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Barcelona präsentiert wurde. ProBNP kann dazu beitragen, das individuelle Risiko von Patienten besser abzuschätzen.

Düsseldorf, Barcelona, 30. August 2017 - Laut einer neuen Studie ist bei Hochrisikopatienten mit der Kombination von Diabetes und Herzkrankgefäßerkrankung das vom Herzmuskel gebildete proBNP (B type natriuretic peptide) ein wichtiger prognostischer Marker für kardiovaskuläre Todesfälle, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie aus Anlass des Europäischen Kardiologie-Kongresses (ESC) in Barcelona. "Die Prognose dieser Patienten ist deutlich besser bei niedrigerem proBNP, bei hohem proBNP sterben über sechs Jahre etwa ein Viertel der Patienten", so Prof. Dr. Christoph Säly (VIVIT-Institut Feldkirch). "ProBNP ist bereits jetzt ein Routine-Parameter, der in jedem größeren Labor bestimmt werden kann. Von unseren Ergebnissen können Ärzte und Patienten deshalb bereits jetzt profitieren: Durch die Bestimmung des proBNP kann das individuelle Risiko besser abgeschätzt werden."

Der vom Herzmuskel gebildete Biomarker proBNP wird in der aktuellen Klinik zur Diagnose einer Herzschwäche eingesetzt. Prof. Saely: "Unklar war, ob proBNP auch bei Patienten mit der Kombination von Diabetes und Herzkranzgefäßerkrankung die Herzkreislaufsterblichkeit vorhersagen kann. Das ist sehr wichtig, weil Patienten mit dieser Kombination von Diabetes und Herzkranzgefäßerkrankung ein besonders hohes Risiko für ungünstige Herzkreislaufereignisse (Herzinfarkt und kardiovaskulärer Tod) haben."

Am VIVIT-Institut wurde im Rahmen einer großen Studie mit über 2.000 Teilnehmern bei 600 Patienten mit im Herzkatheter nachgewiesener Verengung der Herzkrankgefäße das proBNP bestimmt. Diese Patienten wurden über einen Zeitraum von sechs Jahren nachuntersucht, das Auftreten von Herzkreislaufereignissen wurde erfasst. Fazit: proBNP war bei Studienbeginn höher bei Patienten mit Diabetes als bei jenen, die keinen Diabetes hatten. Todesfälle durch Herz-Kreislaufereignisse traten bei 14 Prozent der Herzpatienten mit Diabetes und bei 6 Prozent der Herzpatienten ohne Diabetes auf - das Risiko von Diabetespatienten war also insgesamt mehr als doppelt so hoch wie jenes von Patienten ohne Diabetes. Sowohl bei Patienten mit als auch bei Patienten ohne Diabetes stieg das Risiko für durch Herzkreislauferkrankungen bedingte Todesfälle mit steigendem proBNP. Während Diabetes-Patienten im untersten Drittel der proBNP Werte nur ein 2-prozentiges Risiko an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu versterben hatten, lag dieses Risiko bei Diabetes-Patienten mit proBNP Werten im höchsten Drittel bei 23 Prozent. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich bei Patienten ohne Diabetes.

Prof. Säly: "Zukünftige Studien müssen zeigen, inwieweit die proBNP Werte einen Einfluss auf die Behandlung von Herzpatienten mit Diabetes haben sollen."

Quelle:
ESC 2017 Abstract P1545 Saely et al. Type 2 diabetes, chronic kidney disease, and mortality in patients with established cardiovascular disease. European Heart Journal (2017) 38 (Supplement) 710

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Langzeitstudie identifiziert niedrige Temperaturen als Herzinfarkt-Trigger

Niedrige Außentemperaturen, hohe Windgeschwindigkeit, wenig Sonnenlicht und hohe Luftfeuchtigkeit: Das sind Wetterfaktoren, bei denen es zu mehr Herzinfarkten kommt, zeigt eine große schwedische Studie, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Barcelona präsentiert wurde.

Düsseldorf, Barcelona, Lund, 30. August 2017 - Eine über 16 Jahre laufende Studie aus Schweden mit mehr als 280.000 Patienten legt nahe, dass niedrige Außentemperaturen ein Trigger für ein vermehrtes Auftreten von Herzinfarkten sein könnten. Das berichtet die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie über neue Daten vom Europäischen Kardiologiekongress (ESC) in Barcelona. "Es gibt saisonale Unterschiede bei der Herzinfarkt-Häufigkeit, mit niedrigeren Raten im Sommer und höheren im Winter", berichtet Studien-Erstautor Dr. Moman A. Mohammad, vom Skane Universitätskrankenhaus im schwedischen Lund. "Unklar ist allerdings, ob das mit den kälteren Temperaturen oder mit saisonalen Verhaltensänderungen zu tun hat."

Die von Prof. David Erlinge geleitete Studie ist die größte Untersuchung zu den Zusammenhängen zwischen Herzinfarkthäufigkeit und Wetterbedingungen wie Lufttemperatur, Sonnenstunden, Niederschlagsmenge oder Luftdruck. Verwendet wurden Daten aus dem schwedischen Herzinfarktregister SWEDEHEART und die meteorologischen Daten von hunderten schwedischen Wetterstationen.

Während der Studiendauer kam es zu insgesamt 280.873 Herzinfarkten, für 99 Prozent waren die entsprechenden Wetterdaten verfügbar. Die durchschnittliche Zahl von Herzinfarkten pro Tag war bei kalten Temperaturen deutlich höher als bei warmen - und dies in allen Regionen. Konkret bedeutete das um vier Herzinfarkte mehr, wenn die Durchschnittstemperatur unter 0 °C fiel, als bei Temperaturen über 10°C. Darüber hinaus gab es mehr Herzinfarkte bei höherer Windgeschwindigkeit, bei einer geringen Anzahl von Sonnenstunden und bei höherer Luftfeuchtigkeit.

Die Forscher analysierten die Ergebnisse auch nach Subgruppen, darunter ältere Menschen, Patienten mit Bluthochdruck oder Diabetes oder Patienten mit früherem Herzinfarkt. In allen Gruppen waren die Ergebnisse konsistent. Niedrige Temperaturen seien also als Trigger für Herzinfarkte zu sehen, so die Studienautoren.

Der Körper reagiert auf Kälte mit einem Zusammenziehen der oberflächlichen Blutgefäße, das wiederum führt zu einer verminderten Wärmeleitfähigkeit der Haut und in der Folge zu erhöhtem arteriellem Blutdruck. Andere Reaktionen auf Kälte sind Zittern und erhöhter Puls, mit einem erhöhten metabolischen Grundumsatz und erhöhten Körpertemperaturen. "Die meisten gesunden Menschen haben kein Problem mit diesen Mechanismen. Aber bei Menschen mit atherosklerotischen Veränderungen in den Koronararterien kann das einen Herzinfarkt auslösen," so Dr. Mohammad.

Nachdem es sich um eine Beobachtungsstudie handelte, könnten auch andere Faktoren das Ergebnis mit beeinflusst haben, so Dr. Mohammad. Infektionen des Respirationstrakts und Grippe sind bekannte Risikofaktoren für einen Herzinfarkt und kommen in der kalten Periode häufiger vor. Auch saisonal bedingte Unterschiede im Verhalten wie weniger Bewegung in der kalten Jahreszeit oder ein verändertes Essverhalten könnten zu der erhöhten Herzinfarktrate beitragen.

Quelle:
ESC 2017 Abstract 2949 Mohammad et al. Air temperature as an external trigger of ST-segment elevation myocardial infarction - a SWEDEHEART nationwide observational study. European Heart Journal (2017) 38 (Supplement) 710

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Herzinfarkt: Schlechtere Aussichten für Untergewichtige

Patienten mit Übergewicht überleben einen akuten Herzinfarkt häufiger als Normalgewichtige, das höchste Sterberisiko haben Untergewichtige. Diese Ergebnisse gelten für die vergangenen 15 Jahren, trotz aller Änderungen und Weiterentwicklungen in der Therapie des akuten Herzinfarkts, zeigt eine Berliner Studie mit mehr als 27.600 Herzinfarkt-Patienten.

Düsseldorf, Berlin, Barcelona, 30. August 2017 - Übergewichtige Patienten überleben einen akuten Herzinfarkt häufiger als Normalgewichtige, das höchste Sterberisiko haben Untergewichtige. Diese Ergebnisse sind unabhängig davon, ob jemand raucht, Begleiterkrankungen hat oder von der Art der Behandlung. Sie gelten für die vergangenen 15 Jahre, trotz aller Änderungen und Weiterentwicklungen in der Therapie des akuten Herzinfarkts. Dieses Ergebnis einer Berliner Studie, die Daten von mehr als 27.600 Herzinfarkt-Patienten (Berliner Herzinfarktregister) auswertet, die zwischen 2001 and 2015 in einem Berliner Krankenhaus behandelt wurden, wurden auf dem Europäischen Kardiologiekongress (ESC) in Barcelona präsentiert.

"Ein erhöhter Body-Mass-Index zählt zu den bekannten Risikofaktoren für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sollte aus herzmedizinischer Sicht vermieden werden", so Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin), Pressesprechergehört der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. "Aber wenn es bereits zu einem Herzinfarkt gekommen ist, dann hat ein hoher BMI offenbar keine zusätzlichen negativen Auswirkungen auf das Überleben."

Die Patienten wurden eingeteilt in Untergewichtige (1,3%; BMI <18.5), Normalgewichtige (32,1%; BMI 18,5 bis 25), Übergewichtige (42,6 Prozent; BMI 25 bis 30), Adipositas I (17,1%; BMI 30 bis 35), Adipositas II (4,9 Prozent; BMI 35 bis 40) und Adipositas III (2 Prozent; BMI mindestens 40). Die Daten wurden in dreijährigen Abständen analysiert. Die Ergebnisse, so Studien-Erstautor Dr. Volker Laag (Berlin): Die Gesamtsterblichkeit in einem Krankenhaus nach einem Herzinfarkt verringerte sich in diesem Zeitraum von 9,5 Prozent auf 5,4 Prozent. Herzkatheter-Behandlungen stiegen von 55,4 Prozent auf 83,3 Prozent, die Thrombolyse (Auflösung des Blut-Pfropfens, der ein Herzkranzgefäß verstopft) sank von 24,2 Prozent auf 0,8 Prozent.

Am höchsten, berichtet Dr. Laag, war die Sterblichkeit im Krankenhaus mit 13,7 Prozent bei untergewichtigen Patienten, am niedrigsten mit 4,2 Prozent in der Gruppe Adipositas II, gefolgt von Adipositas I (5 Prozent), Übergewicht (5,6 Prozent), Adipositas III (5,9 Prozent) und Normalgewicht (7,1 Prozent). Unter Berücksichtigung von für die Gesundheit bedeutenden Faktoren wie Alter, Geschlecht, vorangegangenen oder aktuellen Erkrankungen und Behandlungen, etc., hatten Patienten mit einem BMI zwischen 35 und 40 die niedrigste Sterblichkeit, die untergewichtigen die höchste. Der Zusammenhang zwischen höherem BMI und niedriger Sterblichkeit bestand im gesamten Untersuchungszeitraum von 2001 bis 2015. Veränderte Behandlungskonzepte haben auf diesen Zusammenhang keinen Einfluss.

Der BMI ist eine von mehreren Methoden, um das Gewicht einer Person einzuordnen. Er wird berechnet nach der Formel: Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. Der so errechnete Richtwert ist nur bei Erwachsenen von 18 bis 65 Jahren aussagekräftig. Es gibt auch Berechnungsarten, die zusätzlich das Geschlecht berücksichtigen.

Quelle:
ESC Abstract 2017 P4632 Laag et al: Impact of body mass index on hospital mortality in acute myocardial infarction over 15 years: Findings from 27,607 patients of a local myocardial infarction registry; European Heart Journal (2017) 38 (Supplement) 710

Raute

Informationen:
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
Pressesprecher: Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin)
Hauptstadtbüro der DGK: Leonie Nawrocki
Pressestelle: Kerstin Kacmaz, Düsseldorf
presse@dgk.org
B&K - Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung, Dr. Birgit Kofler, Berlin/Wien
kofler@bkkommunikation.com

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilungen stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution737

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 10.000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter www.dgk.org.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgk.org
http://www.dgk.org/presse
http://www.kardiologie.org

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Prof. Dr. Eckart Fleck, 29.08.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2017

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