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HERZ/978: Meldungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zum Europäischen Kardiologiekongress 2017 (2) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 28. August 2017

Europäischen Kardiologiekongress (ESC) 2017 in Barcelona, 26.-30. August 2017

→ Akutes Koronarsyndrom: Plättchenhemmende Medikamente sehr unterschiedlich wirksam
→ Hoher Salzkonsum erhöht Herzschwäche-Risiko deutlich
→ Katheterablation hilft Patienten mit Vorhofflimmern und Herzschwäche besser als Medikamente
→ Verkehrslärm ist schlecht für die Herzgesundheit


Akutes Koronarsyndrom: Plättchenhemmende Medikamente sehr unterschiedlich wirksam

Therapien mit P2Y12-Antagonisten, die nach einem akuten Koronarsyndrom der Wiederentstehung eines Thrombus in einem Herzkranzgefäß vorbeugen sollen, können je nach verwendetem Medikament zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen, zeigt eine neue Studie, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Barcelona präsentiert wurde.

Düsseldorf, Barcelona, 28. August 2017 - Plättchenhemmende Therapien mit P2Y12-Antagonisten, die nach einem akuten Koronarsyndrom (instabile Angina Pectoris, Herzinfarkt) der Wiederentstehung eines Thrombus in einem Herzkranzgefäß vorbeugen sollen, können je nach verwendetem Medikament zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die Häufigkeit ("kumulative Inzidenz") für einen neuerlichen Krankenhausaufenthalt mit akutem Koronarsyndrom oder Tod innerhalb von zwei Jahren betrug bei mit Clopidogrel behandelten Patienten 18,7 Prozent, bei Prasugrel 8,7 Prozent und bei Ticagrelor 12 Prozent, berichtet Studien-Erstautorin Dr. Safoura Sheikh Rezaei (Medizinische Universität Wien) über die auf dem Europäischen Kardiologenkongress (ESC) vorgestellte Studie.

Ausgewertet wurden codierte Daten aus den Jahren 2009 bis 2014 von 72.676 Patienten mit Entlassungsdiagnose eines akuten Koronarsyndroms nach einem Krankenhausaufenthalt. Erfasst wurden 32.830 Patienten mit Erstverordnung eines P2Y12-Hemmers innerhalb der ersten 30 Tage nach der Index-Diagnose eines akuten Koronarsyndroms. Der Anteil der Patienten, die mit Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor behandelt wurden, betrug 56,8 Prozent, 20,4 Prozent und 22,9 Prozent. Die mittlere Behandlungsdauer lag bei 12 Monaten. Bei 32.174 Patienten kam es innerhalb eines Beobachtungszeitraumes von 25 Monaten zu 4.975 Events.

Studien-Projektleiter Prof. Dr. Michael Wolzt: "Das Wiederauftreten von Herzereignissen scheint durch Prasugrel und Ticagrelor, die seit ihrer Markteinführung zunehmend eingesetzt werden, gegenüber Clopidogrel verringert. Clopidogrel wird bei Risikopatienten für Blutungskomplikationen oder Wechselwirkungen weiterhin häufig eingesetzt." Die optimale Behandlungsdauer mit P2Y12-Hemmern, so Prof. Wolzt, werde wegen Nutzen, Blutungsrisiko und Arzneimittelkosten kontrovers diskutiert: "Das Ziel unserer epidemiologischen Studie war es, die Behandlungsdauer und die Zahl von neuerlichen Herzereignissen bei Patienten nach akutem Koronarsyndrom zu untersuchen."

Quelle: ESC Abstract 2017 P3699 Sheikh Rezaei et.al: Clopidogrel, prasugrel, or ticagrelor use and clinical outcome in patients with acute coronary syndrome: a nationwide long-term registry analysis from 2009 to 2014; European Heart Journal (2017) 38 (Supplement) 710

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Hoher Salzkonsum erhöht Herzschwäche-Risiko deutlich

Wer sich sehr salzreich ernährt, hat ein deutlich erhöhtes Risiko, an Herzinsuffizienz zu erkranken, berichten Experten auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Barcelona. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie plädiert für mehr Lebensstil-Prävention.

Düsseldorf, Barcelona, Helsinki, 28. August 2017 - Ein hoher Salzkonsum erhöht das Risiko für eine Herzschwäche deutlich. Das zeigt eine groß angelegte finnische Studie mit mehr als 4.000 Teilnehmern, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress (ESC) in Barcelona vorgestellt wurde, berichtet die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK).

Hoher Salzkonsum ist eine wesentliche Ursache für Bluthochdruck und ein bekannter Risikofaktor für Schlaganfall und Koronare Herzkrankheit (KHK). Inwieweit Salz auch zu einem Herzinsuffizienz-Risiko beiträgt, untersuchte Prof. Pekka Jousilahti vom National Institute for Health and Welfare, Helsinki, Finnland mit seinem Team. Als Goldstandard zur Erhebung des individuellen Salzkonsums wurden 24-Stunden-Urinproben gemessen, die Forscher waren also nicht auf die Eigenangaben der Probanden angewiesen. Erhoben wurden darüber hinaus Gewicht, Größe, Blutdruck und diverse Laborparameter im Blut. Die Studienkohorte wurde über 12 Jahre nachverfolgt.

In diesem Zeitraum entwickelten 121 der insgesamt 4.630 Studienteilnehmer eine Herzinsuffizienz. Personen, die mehr als 13,7 Gramm Salz pro Tag konsumierten, hatten ein zweimal höheres Risiko, eine Herzschwäche zu entwickeln, als jene Gruppe, die am wenigsten Salz konsumierte - nämlich unter 6,8 Gramm. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt einen maximalen Salzkonsum von fünf Gramm pro Tag und definiert einen physiologischen Tagesbedarf von zwei bis drei Gramm.

"Der übliche Salzkonsum liegt auch in Deutschland weit über diesen Empfehlungen", so Prof. Dr. Eckart Fleck, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK). "Daten, wie sie diese Studie liefert, sind ein weiterer Hinweis, dass der kardiovaskulären Prävention durch geeignete Ernährung und andere Lebensstilmaßnahmen noch viel mehr Bedeutung zukommen sollte."

Einer Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zufolge nehmen Männer in Deutschland im Schnitt täglich 10 Gramm Salz und Frauen 8,4 Gramm zu sich. Etwa 80 Prozent der täglichen Salzzufuhr, so die deutsche Verbraucherzentrale, stammt aus verarbeiteten Lebensmitteln. Hauptquellen sind Brot und Brötchen (27 bis 28 Prozent der Salzzufuhr), Fleisch- und Wurstwaren (15 bis 21 Prozent), Milchprodukte und Käse (10 bis 11 Prozent). Häufig enthalten auch Fertiggerichte und Instantsuppen sehr viel Salz, ebenso salziges Knabbergebäck.

Quelle: ESC 2017 Abstract 1192 Jousilahti et al. Salt intake and the risk of her failure. European Heart Journal (2017) 38 (Supplement) 710

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Katheterablation hilft Patienten mit Vorhofflimmern und Herzschwäche besser als Medikamente

Eine Katheterablation führt bei Patienten mit einer Linksherzinsuffizienz und Vorhofflimmern zu besseren Behandlungsergebnissen als die herkömmliche medikamentöse Therapie. Das zeigt eine neue Studie unter deutscher Beteiligung, die auf dem Europäischen Kardiologiekongress in Barcelona präsentiert wurde.

Düsseldorf, Barcelona, Coburg, 28. August 2017 - Die Katheterablation sorgt bei Patienten mit linksventrikulärer Dysfunktion (Linksherz-Insuffizienz) und Vorhofflimmern zu besseren Behandlungsergebnissen. Das zeigt die neue CASTLE-AF-Studie, die jetzt auf dem Europäischen Kardiologiekongress (ESC) in Barcelona präsentiert wurde. Die Ablations-Patienten hatten eine geringere Sterblichkeit und mussten weniger häufig aufgrund der Herzinsuffizienz stationär aufgenommen werden als die Kontrollgruppe mit medikamentöser Standardtherapie.

Herzinsuffizienz (Herzschwäche) ist in Deutschland die häufigste Einzeldiagnose bei vollstationär behandelten Patienten. Lag die Erkrankungshäufigkeit 1995 noch bei 275 Fällen pro 100.000 Einwohner, stieg der Wert laut Deutschem Herzbericht bis 2015 auf 541 an, das ist nahezu eine Verdoppelung. Bei der Linksherzinsuffizienz reicht die Pumpleistung der linken Herzkammer nicht aus, um genügend Blut und damit Sauerstoff in den Blutkreislauf zu pumpen. Dadurch entsteht ein Rückstau von Blut in der Lunge. Menschen, die unter dieser Form der Herzinsuffizienz leiden, haben häufig auch Vorhofflimmern, was ihre Erkrankung und ihr Sterblichkeitsrisiko weiter verschlechtert. Bisher war die Studienlage nicht eindeutig, was die optimale Therapie für diese Patientengruppe betrifft.

Die in Barcelona präsentierte Studie wurde von Prof. Johannes Brachmann vom Klinikum Coburg und Prof. Nassir F. Marrouche, von der University of Utah Health, Salt Lake City, gemeinsam geleitet.

Eingeschlossen wurden in die CASTLE-AF-Studie 397 Patienten aus 30 Zentren weltweit mit vorübergehendem oder dauerhaftem Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz mit einer Pumpfunktion von weniger als 35 Prozent. Alle Patienten hatten einen implantierten Kardioverter-Defibrillator (ICD) mit Tele-Monitoring-Funktion. Der primäre Endpunkt der Studie war eine Kombination von Sterblichkeitsrate und ungeplanten stationären Aufnahmen aufgrund der sich verschlechternden Herzinsuffizienz.

Nach einem durchschnittlichen Follow-up-Zeitraum von 37,8 Monaten war der primäre Endpunkt in der Ablationsgruppe mit 28,5 Prozent signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe (44,6 Prozent). Einzeln ausgewertet gab es mit 13,4 versus 25 Prozent bei der Mortalität und mit 20,7 versus 35,9 Prozent bei der Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz ebenfalls jeweils deutlich bessere Ergebnisse für die Ablationsgruppe. Ein signifikanter Anteil von Ablationspatienten hatte bei Abschluss der Studie nach wie vor einen normalen Herzrhythmus. Die Tatsache, dass alle Patienten zuvor einen ICD implantiert bekommen hatten, könnte allerdings die Mortalität beeinflusst haben, räumen die Studienautoren ein. Das implantierte Gerät konnte jedoch zur Rhythmusüberwachung und damit Ablations-Therapieerfolg genutzt werden.

Die Untersuchung unterstreiche die Bedeutung der Katheter-Ablation als wirksames Verfahren, so Prof Brachmann: "Bisher gab es keine klare Evidenz dafür, ob Ablation, Medikamente oder ein anderes Therapieverfahren den anderen bezüglich Reduktion von Sterblichkeit und stationären Aufnahmen überlegen ist. Diese Studie hat das Potenzial, das Management von Patienten mit Vorhofflimmern und Herzinsuffizienz in der klinischen Praxis zu verändern."

Quelle: ESC 2017 Abstract P1148 Marrouche, Brachmann et al. Catheter ablation versus standard conventional treatment in patients with left ventricular dysfunction and atrial fibrillation: the CASTLE-AF trial. European Heart Journal (2017) 38 (Supplement) 710

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Verkehrslärm ist schlecht für die Herzgesundheit

Die Häufigkeit von ischämischen Herzerkrankungen steigt statistisch signifikant mit dem Ausmaß der Belastung durch Verkehrslärm. Das zeigt eine Meta-Analyse verfügbarer Evidenz, die ein internationales Forscherteam auf dem Europäischen Kardiologiekongress (ESC) in Barcelona präsentiert hat. Die Auswertung soll in eine Aktualisierung der Richtlinie der WHO-Region Europa zum Thema Lärmbeeinträchtigung einfließen.

Düsseldorf, Barcelona, 28. August 2017 - Eine Metaanalyse von Längsschnittstudien zum Zusammenhang zwischen Straßenverkehrslärm und durch Gefäßverengungen hervorgerufenen (ischämischen) Herzerkrankungen zeigt, dass deren Häufigkeit statistisch signifikant im Ausmaß der Lärmbelastung ansteigt. Das berichtet die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie aus Anlass des Europäischen Kardiologiekongresses (ESC) 2017 in Barcelona. "Die verfügbaren Studien sind generell von hoher Qualität, wenn auch experimentelle Arbeiten fehlen", so die Studienautoren. "Angesichts der Auswirkungen von Lärm auf die Ausschüttung von Stresshormonen und die Schlafqualität scheint ein kausaler Zusammenhang zwischen Verkehrslärm und einer ischämischen Herzerkrankung plausibel."

Ein internationales Forscherteam aus den Niederlanden, Schweden, der Schweiz und Spanien hat in Vorbereitung einer Aktualisierung der "Environmental Noise Guideline" des WHO-Regionalbüros für Europa eine systematische Analyse der verfügbaren Evidenz zu kardiologischen und metabolischen Auswirkungen von Lärmbelastung durchgeführt. Die derzeit geltende Richtlinie wurde 1999 verabschiedet und berücksichtigt wissenschaftliche Literatur bis 1995. Seither gab es zahlreiche neue Erkenntnisse über die gesundheitsschädlichen Wirkungen von langfristiger Lärmbelastung.

Ausgewertet wurden insgesamt 61 Publikationen, die seit 2000 erschienen sind, und deren Daten eine Risikoanalyse ermöglichten. Die robusteste Datenlage liegt für Straßenverkehrslärm vor, weniger hingegen für die Belastung durch Zug- oder Flugzeuglärm.

Bei einer Analyse aller Daten (7.451 Fälle von Ischämischer Herzerkrankung) errechneten die Forscher einen Anstieg des relativen Erkrankungsrisikos um 1,08 pro 10 Dezibel Anstieg der Belastung durch Straßenverkehrslärm. Das Konzept des relativen Risikos geht davon aus, dass bei einem Wert von 1 das Risiko in beiden Gruppen gleich verteilt ist. Ein Wert größer als 1 ist ein Hinweis auf einen möglichen Zusammenhang zwischen einem Risikofaktor und einer Erkrankung.

Dass verschiedene Umweltwelteinflüsse wie Lärm oder Luftverschmutzung auch die kardiovaskuläre Gesundheit stark beeinträchtigen können, ist zuletzt nicht nur zunehmend Gegenstand wissenschaftlicher Arbeiten, sondern beschäftigt verstärkt Organisationen wie die WHO, die Europäische Gesellschaft für Kardiologie ESC oder die DGK. Laut Schätzungen der WHO gehen in Westeuropa pro Jahr eine Million gesunde Lebensjahre durch Lärm verloren.

In Deutschland konnte etwa die Arbeitsgruppe Lärmwirkungsforschung an der Universitätsmedizin in Mainz um Prof. Dr. Thomas Münzel in einem experimentellen Modell Zusammenhänge zwischen Lärmbelastung und einer Dysfunktion des Endothels, also der Innenwand von Blutgefäßen, nachweisen. Eine Endotheldysfunktion gilt als wichtige Ursache von schweren kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall.

"Allein auf dem Weg über kardiovaskuläre Erkrankungen verursacht Lärm jährlich den Verlust von 61.000 gesunden Lebensjahren", so Prof. Münzel. "Gemäß einem 2014 publizierten Modell tötet Lärm sowohl durch direkte als auch indirekte Wirkungen. Gemeinsam ist beiden, dass sie Stressreaktionen im Organismus verursachen."

Quelle: ESC 2017 Abstract P3410 Pershagen et al. Traffic noise and ischemic heart disease - review of the evidence for the WHO environmental noise guidelines for the European region. European Heart Journal (2017) 38 (Supplement) 710

Raute

Informationen:
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
Pressesprecher: Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin)
Hauptstadtbüro der DGK: Leonie Nawrocki
Pressestelle: Kerstin Kacmaz, Düsseldorf
presse@dgk.org
B&K - Bettschart&Kofler Kommunikationsberatung, Dr. Birgit Kofler, Berlin/Wien
kofler@bkkommunikation.com

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 10.000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter
www.dgk.org

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgk.org
http://www.dgk.org/presse
http://www.kardiologie.org

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Prof. Dr. Eckart Fleck, 28.08.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2017

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