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HERZ/625: 1000. Patient in Deutschland bekommt Kunstherz "Heartmate II" (idw)


Medizinische Hochschule Hannover - 26.03.2013

1000. Patient in Deutschland bekommt Kunstherz "Heartmate II"

Kontinuierliches Herzunterstützungssystem pumpt bis zu zehn Liter Blut pro Minute / Bedeutung der Geräte steigt angesichts fehlender Spenderorgane



Es ist kein Ersatz für das Herz, aber es hilft das Blut durch den Körper zu pumpen, wenn das eigene Herz zu schwach ist, allein eine ausreichende Pumpleistung zu erbringen: das Kunstherz. Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) ist eines der größten Zentren Europas, die derartige Unterstützungssysteme einsetzen. Seit 2004 hat die MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie 389 Patienten mit einem Kunstherz versorgt. Es gibt verschiedene Herzunterstützungssysteme. Das am weitesten verbreitete Linksherzunterstützungssystem (Left Ventricular Assist Device, LVAD) ist das "Heartmate II". An der MHH wurde jetzt das deutschlandweit 1000. Kunstherz dieses Typs implantiert. Der Patient ist ein 18-jähriger Mann aus Papenburg.

"Herzunterstützungssysteme werden entweder zur Überbrückung der Zeit bis zur Transplantation oder zur Dauertherapie von Patienten, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustandes nicht transplantiert werden können, eingesetzt", erklärt Privatdozent Dr. Jan Schmitto, Oberarzt und Bereichsleiter Herzunterstützungssysteme und Herztransplantation an der MHH-Klinik. Bei dem Kunstherz "Heartmate II" handelt es sich um eine Axialpumpe, die die Pumpfunktion des geschwächten linken Ventrikels übernimmt. Das Gerät wird neben dem natürlichen Herz des Patienten implantiert und befördert bis zu zehn Liter Blut pro Minute. Ein Kabel verbindet das Kunstherz mit der Steuerelektronik und den Batterien, die der Patient außerhalb des Körpers in einem Gürtel trägt. "Patienten, die unter schwerer Herzinsuffizienz leiden, fühlen sich mit einem Kunstherz wieder leistungsfähiger und haben eine deutlich höhere Lebensqualität", sagt Dr. Murat Avsar, ebenfalls Oberarzt und Bereichsleiter Herzunterstützungssysteme und Herztransplantation der MHH-Klinik.

Jan-Lukas H. ist der 1000. Patient in Deutschland, dem ein "Heartmate II" implantiert wurde. Seine Herzschwäche machte sich durch Fieber und eine hartnäckige Bronchitis bemerkbar. "Ich hatte Husten und bei größeren Anstrengungen blieb mir die Luft weg", erinnert sich der 18-jährige Tiefbaufacharbeiter. Seit Anfang Dezember war er bei seinem Hausarzt in Behandlung, er nahm ein starkes Antibiotikum. "Doch trotz der Medikamente ließen die Beschwerden nicht nach, sie wurden nur noch schlimmer", erinnert sich der junge Mann. Kurz vor Weihnachten brachte seine Mutter ihn in ein Krankenhaus in Papenburg. Dort stellten die Ärzte unter anderem einen Wasserstau in der Lunge, Leberversagen und eine schwerwiegende Herzschwäche fest. Das Herz hatte eine Leistung von nur noch 13 Prozent. Kurz nach Weihnachten wurde Jan-Lukas H. in die MHH eingeliefert. Am 4. Januar dieses Jahres bekam er ein Kunstherz, knapp zwei Wochen später zusätzlich einen Defibrillator - als Backup für den Notfall. Danach folgte der Aufenthalt in einer Reha-Klinik. Jetzt ist er wieder zu Hause. "Ich fühle mich noch etwas schwach, aber insgesamt natürlich viel besser als vor der OP", erklärt er. Er kann ein normales Leben führen - mit einigen Einschränkungen. So sind beispielsweise Schwimmen und Saunagänge tabu, die Gefahr, sich über den Zugang des Kabels in den Bauch mit einem Keim zu infizieren, ist zu groß.

"Vor dem Hintergrund, dass es in Deutschland viel zu wenig Spenderherzen gibt, gewinnen Herzunterstützungssysteme an Bedeutung", sagt Professor Dr. Axel Haverich, Direktor der MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie. "Mit dem Einsatz von Kunstherzen können wir in vielen Fällen verhindern, dass Patienten auf der Warteliste sterben." In Deutschland wurden im vergangenen Jahr insgesamt 345 Herzen transplantiert. Der tatsächliche Bedarf liegt aber sehr viel höher. Allein an der MHH standen 2012 mehr als 60 Patienten auf der Warteliste, aber für nur etwa 20 stand ein Spenderherz zur Verfügung. Im Vergleich dazu implantierten die Herzchirurgen der MHH 2012 insgesamt 80 Kunstherzen.

Ursprünglich zur Überbrückung einer kurzen Zeitspanne gedacht, haben sich Kunstherzen inzwischen auch in der Dauertherapie bewährt. "Es gibt viele Menschen, die schon sehr lange mit einem Kunstherzen leben", bestätigt Dr. Schmitto. "In der Region Hannover leben etwa 170 Patienten mit einem herzunterstützenden System. Einige von ihnen haben bereits ihren achten Kunstherz-Geburtstag gefeiert." Der Chirurg und seine MHH-Kollegen haben eine eigene minimal-invasive Implantationstechnik für Kunstherzen entwickelt. "Durch das schonende Operationsverfahren wird das chirurgische Trauma reduziert, es treten weniger Komplikationen auf und die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus ist deutlich geringer", erläutert Dr. Schmitto. Er geht davon aus, dass die Implantationszahlen von Kunstherzen in Zukunft noch steigt und sich die Lebensqualität und die Lebensdauer der Menschen mit Kunstherz weiter verbessern werden.


Weitere Informationen erhalten Sie bei
PD Dr. Jan Schmitto
MHH-Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie
schmitto.jan@mh-hannover.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution121

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Medizinische Hochschule Hannover, Stefan Zorn, 26.03.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2013