Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 13.07.2016
Prävention bei Typ-2-Diabetes: Wenn die Gene nicht mitlaufen
Neuherberg/Tübingen, 13. Juli 2016. Körperliche Aktivität senkt das Risiko für Diabetes - eigentlich! Bei jedem fünften Teilnehmer an entsprechenden Studien bleibt diese Wirkung aus. Was im Muskel dieser sogenannten "Non-Responder" passiert, fanden Forscher und Kliniker einer translationalen Kooperation des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) zwischen dem Helmholtz Zentrum München und dem Universitätsklinikum Tübingen heraus. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Journal "Diabetes" publiziert.
Regelmäßige körperliche Aktivität ist eine sehr effektive Maßnahme, um das Diabetesrisiko zu senken. Jedoch sprechen Patienten sehr unterschiedlich darauf an. Bei etwa jedem fünften Teilnehmer an sogenannten Trainingsinterventionsstudien bleibt die positive Wirkung von Sport auf den Stoffwechsel sogar aus.
Woran das liegt untersuchte nun ein Forscherteam um Prof. Cora Weigert von der Medizinischen Universitätsklinik Tübingen und Abteilungsleiterin am Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen. Hierzu absolvierten zwanzig Probanden mittleren Alters ein Ausdauertraining über acht Wochen, bestehend aus Radfahren und Walking in der Sportmedizin in Tübingen (Direktor Prof. Andreas Nieß). "Ziel war es die Insulinsensitivität der Teilnehmer zu verbessern und das Diabetesrisiko zu senken. Alle Teilnehmer hatten ein hohes Diabetesrisiko und waren vor der Trainingsintervention wenig körperlich aktiv", erklärt Dr. Anja Böhm vom IDM, Erstautorin der Studie.
Zusammen mit Prof. Martin Hrabe de Angelis und Prof. Johannes Beckers vom Institut für Experimentelle Genetik (IEG) am Helmholtz Zentrum München untersuchten die Forscher die molekularen Veränderungen im Skelettmuskel der Teilnehmer: Während in den Muskeln der Teilnehmer, bei denen sich die Insulinsensitivität verbessert hat, die zu erwartenden positiven Effekte auf Gene der Glukose- und Fettverbrennung zu sehen waren, waren diese Anpassungen in den Muskeln der "Non-Responder" reduziert.
Dafür zeigten Analysen aus den Muskeln dieser Teilnehmer eine Aktivierung des Botenstoffs TGFβ* nach dem Training. Die Experimente in humanen Skelettmuskelzellen, die daraufhin von Dr. Christoph Hoffmann am Universitätsklinikum Tübingen durchgeführt wurden, bestätigten, dass TGFβ das Ablesen der Gene, die für die Glukose- und Fettverbrennung wichtig sind, hemmt und die Insulinsensitivität reduziert.
"Im Moment arbeiten wir noch daran zu verstehen, warum es bei manchen Teilnehmern zur Aktivierung von TGFβ im Muskel kommt, es spricht aber einiges dafür, dass ein anderes Trainingsprogramm mit Anpassung der Trainingsintensität oder Dauer an die individuelle Trainierbarkeit auch bei unseren 'Non-Respondern' erfolgreich wäre und zur Diabetesprävention beitragen würde", so Prof. Cora Weigert. Als Freifahrtschein für Sportmuffel will sie die Ergebnisse deshalb nicht verstanden wissen: "Ich persönlich bin der Überzeugung, dass jeder mit einem geeigneten Trainingsprogramm sein persönliches Diabetes-Risiko senken kann!"
Weitere Informationen
• Hintergrund:
* TGF (Transforming growth factor) - ist ein zu den Zytokinen gehörendes
Signalmolekül und spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und
Differenzierung von Gewebe. Im adulten Muskel wird es bei Entzündungen und
Verletzungen aktiviert und ist an Regenerationsprozessen beteiligt. Eine
chronische Aktivierung von TGFβ führt allerdings unter anderem zur
Gewebsfibrose. Konkret von TGFβ beeinträchtigt zeigte sich in der Studie
u.a. die Expression der Gene PGC1α, AMPKα2 und der transcription factor
TFAM aus den Mitochondrien.
Originalpublikation:
Böhm, A. et al. (2016). TGFβ contributes to impaired exercise response by
suppression of mitochondrial key regulators in skeletal muscle, Diabetes,
DOI: 10.2337/db15-1723
http://diabetes.diabetesjournals.org/content/diabetes/early/2016/06/29/db15-1723.full.pdf
- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das
Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz
des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und
medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten
angehören.
www.helmholtz-muenchen.de
- Primäre Forschungsziele der Arbeitsgruppen im Institut für
Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz
Zentrums München an der Universität Tübingen sind die Identifizierung von
Faktoren für das individuelle Diabetesrisiko, die Diabetesprävention und
die personalisierte Diabetestherapie. Dabei stehen Untersuchungen zu
Gen-Umwelt-Interaktionen bei Typ-2-Diabetes im Vordergrund.
www.helmholtz-muenchen.de/idm
- 1805 gegründet, gehört das Tübinger Universitätsklinikum zu den führenden
Zentren der deutschen Hochschulmedizin. Als eines der 33 Universitätsklinika
in Deutschland trägt es zum erfolgreichen Verbund von Hochleistungsmedizin,
Forschung und Lehre bei. Weit über 400.000 stationäre und ambulante Patienten
aus aller Welt profitieren jährlich von dieser Verbindung aus Wissenschaft
und Praxis. Die Kliniken, Instituten und Zentren vereinen alle Spezialisten
unter einem Dach. Die Experten arbeiten fachübergreifend zusammen und bieten
jedem Patienten die optimale Behandlung ausgerichtet an den neuesten
Forschungsergebnissen. Das Universitätsklinikum Tübingen forscht für bessere
Diagnosen, Therapien und Heilungschancen, viele neue Behandlungsmethoden
werden hier klinisch erprobt und angewandt. Neurowissenschaften, Onkologie
und Immunologie, Infektionsforschung und Vaskuläre Medizin mit
Diabetes-Forschung sind Forschungsschwerpunkte in Tübingen. Das
Universitätsklinikum ist in vier der sechs von der Bundesregierung
initiierten Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung verlässlicher
Partner.
www.medizin.uni-tuebingen.de
- Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. (DZD) ist eines der sechs
Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem
Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung,
Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur
erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des
Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz
Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt,
das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für
Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für
Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum
München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das
Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner
an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München
sowie weitere Projektpartner.
www.dzd-ev.de
Fachliche Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Cora Weigert
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen
und Medizinische Klinik Tübingen
Otfried-Müller-Straße 10, 72076 Tübingen
E-Mail: cora.weigert@med.uni-tuebingen.de
Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.helmholtz-muenchen.de/presse/medien/pressemitteilungen/2016/index.html
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 13.07.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2016
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