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DEMENZ/381: Interview - "Die Augenhöhe ist mir wichtig" (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 1/18
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

"Die Augenhöhe ist mir wichtig"

Interview von Helga Schneider-Schelte, DAlzG


Bernd Heise ist 63 Jahre alt und erhielt vor rund zwei Jahren die Diagnose Alzheimer. Seitdem hat er seinen Beruf als Ingenieur aufgegeben. Er ist Mitglied im Beirat "Leben mit Demenz" der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Im Interview mit dem Alzheimer Info sprechen er und seine Frau Hilde Eickhoff darüber, wie die Erkrankung ihr Leben und ihre Partnerschaft verändert hat.


Alzheimer Info: Wie hat sich Ihre Beziehung durch die Diagnose verändert?

Bernd Heise: Nicht nur die Diagnose hat unsere Beziehung verändert. Vier Monate nach der Diagnose habe ich aufgehört, zu arbeiten. Nicht lange danach musste meine Frau sich ein künstliches Kniegelenk einsetzen lassen und war fünf Wochen im Krankenhaus und in der Reha. Es gab viele Veränderungen in dieser Zeit.

Hilde Eickhoff: In der ersten Zeit haben wir viel gestritten. Ich habe mir Sorgen um die Zukunft gemacht, wollte viele Dinge geregelt haben. Ich wollte, dass Bernd möglichst viel erledigt, so lange er noch kann. Aber er wollte am liebsten den ganzen Tag Zeitung lesen. Im Nachhinein weiß ich, dass er die Diagnose erst einmal verdauen musste, aber das war eine schwierige Zeit.

Bernd Heise: In der Anfangsphase habe ich mich bevormundet gefühlt. Hilde wollte mich leiten, hat mir gesagt, was ich machen soll. Ich bin offen für Vorschläge, aber nicht für "Befehle". Die Augenhöhe ist mir wichtig.

Hilde Eickhoff: Das mit der Bevormundung ist eine Gratwanderung. Ich muss Dich doch leiten, weil Du auch viel vergisst. Ich nehme mich heute viel mehr zurück als früher. Bernd werkelt stundenlang in seinem Arbeitszimmer herum. Eigentlich finde ich, dass er dort mal aufräumen müsste, aber ich lasse ihn einfach machen.

Was hilft Ihnen im Alltag?

Bernd Heise: Ich versuche, meine Tage sehr stark zu strukturieren. Alle Termine und Aufgaben speichere ich in meinem Handy. Ich hoffe, dass ich durch diese Struktur möglichst lange selbstständig bleibe. Das ist mir sehr wichtig.

Ich habe festgestellt, wenn ich ausreichend schlafe, bin ich fitter und mein Gedächtnis ist besser. Deshalb versuche ich, zu einer festen Zeit ins Bett zu gehen.

Ich habe nach der Diagnose Kontakt zur Alzheimer Gesellschaft München aufgenommen. Der Austausch mit anderen, die sich auch mit dem Thema beschäftigen, hat mir sehr geholfen. Als Betroffener habe ich Interviews fürs Fernsehen gegeben und Firmen beraten, die technische Geräte für Alzheimer-Erkrankte entwickeln. Heute nehme ich an vielen Ausflügen und Veranstaltungen der Alzheimer-Gesellschaft teil, zum Beispiel bei Führungen und Wanderungen oder bei der Qigong-Gruppe.

Hilde Eickhoff: Bernd war immer ein sehr zurückhaltender Mensch. Außerhalb seiner Arbeit hatte er wenig Kontakt zu anderen. Bei seinem Bruder wurde vor Kurzem eine milde Form von Asperger diagnostiziert und wir gehen davon aus, dass Bernd das auch hat. Durch die Krankheit hat sich das verändert. Er ist emotionaler und offener geworden.

Was wünschen Sie sich?

Bernd Heise: Ich hätte gern mehr Austausch mit anderen Betroffenen. Die meisten sind aber älter oder in ihrer Erkrankung schon viel weiter fortgeschritten. Deshalb gehe ich auch nicht mehr zu den regulären Treffen bei der Alzheimer Gesellschaft München. Ich hätte gern Kontakt zu Betroffenen, die in einer ähnlichen Lebenssituation sind wie ich. Mich interessiert, wie andere ihr Leben strukturieren und wie sie ihre Selbstständigkeit erhalten.


Kontakt und Infos:

Der Beirat "Leben mit Demenz" berät den Vorstand der DAlzG. Die Arbeitsgruppe hat zur Zeit sieben Mitglieder und trifft sich mindestens einmal im Jahr.

Weitere Infos unter
www.deutsche-alzheimer.de → Über uns → Gremien

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 1/18, S. 4
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
Friedrichstraße 236, 10969 Berlin
Telefon: 030/259 37 95-0, Fax: 030/259 37 95-29
Alzheimer-Telefon: 030/259 37 95-14
E-Mail: info@deutsche-alzheimer.de
Internet: www.deutsche-alzheimer.de
 
Das Alzheimer Info erscheint vierteljährlich.
Jahresabonnement: 12,00 Euro, Einzelheft: 3,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2018

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