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KASSEN/773: Die Realität von 2011 - Beitragserhöhungen bei den Krankenkassen (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 1 vom 7. Januar 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Die Realität von 2011
Beitragserhöhungen bei den Krankenkassen

Von Hans-Peter Brenner


2011 wird das Jahr deutlicher Beitragssteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Man erinnere sich: Ab dem 1.1.11 werden die Beitragssätze für 50 Millionen zahlende Kassenmitglieder der GKV einheitlich von 14,9 auf 15.5 Prozent steigen. Der Beitrag wird nicht mehr paritätisch zwischen Unternehmern und den Versicherten aufgeteilt. 8,2 Prozent des Bruttoeinkommens zahlen die lohn- bzw. gehaltsabhängigen Versicherten und nur noch 7,3 Prozent die Unternehmer. Der Unternehmeranteil bleibt auch künftig auf diesem Niveau eingefroren, während der Versichertenanteil "flexibel" nach oben bleibt. Außerdem sind ohne weitere Begründung generell Beitragserhöhungen bis zu 2 Prozent des Bruttoeinkommens möglich.

Zum Jahresbeginn gab nun das Bundesversicherungsamt (BVA) bekannt, dass die 150 Mitgliedskassen der GKV trotz Milliarden-Zusatzeinnahmen ohne deutliche Zusatzbeiträge nicht auskommen werden. Zwar sei nach Worten von BVA-Präsident Maximilian Gaßner die Finanzentwicklung der gesetzlichen Kassen 2011 insgesamt "relativ stabil". Der Beitragssatzanstieg von 14,9 auf 15,5 Prozent, plus Einsparungen sowie Zuschüsse aus dem Steuereinkommen werden ein theoretisches Neun-Milliarden-Euro-Defizit der Kassen ausgleichen. Mit "Reform"start fließen den Kassen rund sechs Milliarden Euro Mehreinnahmen zu. Um ein befürchtetes Defizit von neun Milliarden Euro bei den Krankenkassen in 2011 zu vermeiden, kommen höhere Steuerzuschüsse sowie Einsparungen bei Arzneimitteln, Ärzten und Kliniken hinzu. Dennoch müssten bereits 2011 wahrscheinlich mehr Kassenmitglieder Zusatzbeiträge zahlen.

Die derzeit 13 bundesweit agierenden Kassen, die bereits Zusatzbeiträge erheben, werden den Aufschlag mit einer Ausnahme voraussichtlich weiter einfordern. Gaßner kündigte an: "Es werden auch noch vereinzelt welche dazukommen." Die Ausgaben der Kassen würden mit den 178,9 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds 2011 "nur im Durchschnitt" gedeckt. "Einzelne Kassen können mit ihren Ausgaben darüber liegen."

Mit dieser Prognose steht Gaßner nicht allein da. Auch der Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) rechnet damit, dass mehrere Kassen diese Beiträge neu erheben müssen. Auf die Versicherten werden alle Zusatzkosten für Ärzte, Kliniken, Medikamente abgewälzt. Die Obergrenze beim Zusatzbeitrag von bislang einem Prozent des Einkommens entfällt seit der letzten "Rösler-Reform".

Der durchschnittlich allen Kassen eingeräumte pauschale Zusatzbeitrag kann künftig bis zwei Prozent des Einkommens eines Kassenmitglieds betragen. Erst ab einem Anstieg über 2 Prozent soll ein "Sozialausgleich" einsetzen, von dem aber noch immer nicht klar ist, wie er im einzelnen aussieht.

Mittlerweile gehen die Experten aber von deutlich höheren Steigerungsraten aus als bislang gemunkelt wurde. Der durchschnittliche Beitragsanstieg bei der GKV liegt nach Experten-Berechnungen für die Springer-Zeitung "DIE WELT" bei vier Prozent.

Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), Haupteinpeitscher der "Reform", rief die Versicherten zu einem Wechsel auf, falls ihre alte Kasse zusätzliche Gebühren erhebe. Es werde ja wohl "genügend Kassen" ohne Zusatzbeiträge geben, erklärte er der "Saarbrücker Zeitung". Die von den Oppositionsparteien geforderte Bürgerversicherung lehnt Rösler als "reines Blendwerk" ab. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig kritisierte die schwarz-gelbe Reform als "Teil der größten Nettolüge, die unser Land je erlebt hat". Sie "vergaß" dabei, dass schon die "rot-schwarze" Koalition mit der langjährigen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die wichtigsten Weichenstellungen für die "Rösler-Reform" vorgenommen hatte.

Die Zahl der gesetzlichen Kassen ist unterdessen auf ein neues Rekordtief gesunken - und geht weiter zurück. "Wir werden Anfang 2011 noch circa 150 Kassen haben", sagte Gaßner. Zum Start des Gesundheitsfonds 2009 waren es rund 200. "Und es stehen noch weitere Fusionen an. Ende 2011 werden wir unter 150 Kassen kommen." Bereits heute deckten 32 Kassen rund 90 Prozent des Marktes ab. Problematisch für manche Kasse beim Zusatzbeitrag sei, dass viele Betroffene das Geld nicht überweisen. "Die Akzeptanzprobleme bei den 13 Kassen, die jetzt Zusatzbeiträge erheben, waren anfangs enorm", erläuterte der BVA-Präsident.

Dass die Beiträge auch bei den Privatkassen deutlich ansteigen werden, ist nur ein schwacher Trost für die GKV-Versicherten. Für viele der knapp 9 Millionen Privatversicherten fällt das Beitragsplus höher aus als für die rund 50 Millionen zahlenden Kassenpatienten. Im Schnitt sind es laut der Analysefirma "Morgen & Morgen" sieben Prozent, bei einzelnen Tarifen sogar bis zu 34 Prozent, berichtete "Die Welt".


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 42. Jahrgang, Nr. 1 vom 7. Januar 2011, S. 6
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2011