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KASSEN/611: Unsere Solidarkassen werden dereguliert - wir können sie retten! (spw)


spw - Ausgabe 8/2008 - Heft 168
Zeitschrift für Sozialistische Politik und Wirtschaft

Unsere Solidarkassen werden dereguliert - wir können sie retten!

Von Wolfgang Wodarg


Seit 16 Jahren steht unsere gesetzliche Krankenversicherung (GKV) unter dem Druck eines internen Wettbewerbs. Noch sind es über 200 Kassen, die ums Überleben kämpfen. Alle Kassen müssen die gleichen gesetzlichen Leistungen bieten. Immer zahlreicher wurden aber die Möglichkeiten, wie sie dieses organisieren.

Kassen können mit Anbietern von Arzneimitteln, mit Arztpraxen, Hilfsmittelherstellern, Rehabilitationseinrichtungen und weiteren sogenannten "Leistungserbringern" jeweils einzeln oder gemeinsam Verträge abschließen. Lediglich die Krankenhäuser haben - nach Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan durch das jeweilige Bundesland - ein Recht auf einen Vertrag mit allen Kassen. Unsere Krankenkassen dürfen für die Inanspruchnahme ihrer Angebote mit Belohnungen für die Versicherten locken und sie durften bisher unterschiedliche Beiträge für gleiche Leistungen verlangen. Das ändert sich zwar vordergründig ab 2009, wird aber doch wieder über Zusatzbeiträge oder Rückerstattungen "alte Realität", sobald die Kassen mit ihren unterschiedlichen Ausgabenlasten nicht klar kommen.

Wenn die GKV-Kassen ihre Beiträge so gestalten müssten, dass damit ihre Ausgaben gedeckt wären, so lägen die Beiträge bei den billigsten Kassen unter 4 Prozent und bei den teuersten über 25 Prozent aus der Lohntüte. Eine Kasse mit großer Versorgungslast müsste also über sechsmal so viel Beitrag erheben, wie eine Kasse, die fast nur Gesunde versichert.


Durch einen Lastenausgleich, der schon mit der Einführung des Kassenwettbewerbs eingerichtet wurde (Risikostrukturausgleich, RSA), konnten die Abzüge aus der Lohntüte bis heute in einem Beitragskorridor zwischen etwa 11 Prozent und 16 Prozent zusammengehalten werden.

Fünf Prozent mehr oder weniger Lohn ist für Millionen Versicherte - besonders für solche mit höheren Einkommen - in den letzten Jahren ein Grund gewesen, in eine billigere Kasse zu wechseln. Wer alt ist, diese Möglichkeiten gar nicht versteht oder sie wegen geringem Einkommen nicht wahrnimmt, bleibt, wo er ist. Geblieben sind in den großen "Versorgerkassen" überwiegend diejenigen mit den "schlechten Risiken" - die Geringverdiener, die chronisch Kranken und Rentner.


Der RSA-Lastenausgleich ist ein komplexer Transfermechanismus, dessen einzige Funktion es ist, die Nebenwirkungen des politisch installierten Kassenwettbewerbs unterhalb der politischen Schmerzgrenze zu halten. Mit Einführung der elektronischen Datenverarbeitung in der GKV wurde das "Schwarzer-Peter-Spiel" zur Vermeidung der teuren Diabetiker, MS-Kranken, Rheumatiker, Herz-, Lungen- und Nierenkranken, jener Versicherten, die chronisch und lebenslang auf starke Hilfe aus der Solidargemeinschaft angewiesen sind, immer raffinierter.

Während immer wieder neue Möglichkeiten des Wettbewerbs und damit der Risikoselektion vom Gesetzgeber ersonnen wurden, wurde gleichzeitig der Ruf nach Risikoausgleich immer lauter. Die Details und gesetzlichen Ausgestaltungen des fragwürdigen GKV-Wettbewerbs beschäftigten eine ganze Generation von Politikern, Gesundheitsökonomen und Kassenmanagern.

Es wurde proklamiert, dass der Wettbewerb die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems fördere. Dabei wurde selbst von Ökonomen, die es eigentlich besser wissen sollten, verschwiegen, dass natürlich ein Wettbewerb unter den Leistungserbringern völlig andere Auswirkungen zeitigt als ein Wettbewerb unter den Kassen, die ja als Einkäufer den Leistungserbringern gegenüberstehen.

Wenn wir einen Wettbewerb unter den Anbietern nutzen können, zum Beispiel unter den Ärzten, Krankenhäusern und Pharmaunternehmen, so wird das deren Leistung anspornen und den Preis so niedrig wie möglich halten. Wenn der Wettbewerb aber unter den Einkäufern von Leistungen und Waren stattfindet, also unter unseren Krankenkassen, und diese sogar noch einem sich zunehmend monopolisierenden Anbietermarkt gegenüberstehen, dann gewinnen Big Pharma, Krankenhauskonzerne und Ärzteorganisationen, und der Preis steigt. Man kennt dies von Auktionen, auch dort sind die Einkäufer im Wettbewerb. Wer sich teilen lässt, wird beherrscht, kann nicht mehr gestalten.


Weit über zweihundert GKV-Kassen kaufen also ein, schließen mit Krankenhäusern, Spezialpraxen, Netzwerken, Pharmaunternehmen, Rechenzentren, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen auf Bundes-, Landes- oder auf regionaler Ebene jeweils Tausende von Verträgen ab - manchmal jede Kasse für sich, manchmal auch einige Kassen zusammen und selten alle Kassen gemeinsam.

Das Resultat ist ein für alle Verantwortlichen völlig unübersichtliches, verwildertes Versorgungssystem. Niemand hat die Übersicht, niemand prüft, ob für die Gesamtheit der Bevölkerung ein Nutzen aus diesem Vertragsflickenteppich entstanden ist. Es gibt keine Evaluation des Kassenwettbewerbs, außer jener durch den Sachverständigenrat, der unserem Gesundheitssystem ein teures und gefährliches Nebeneinander von Über-, Unter- und Fehlversorgung bescheinigt hat.

Unser Gesundheitswesen ist zwar leistungsfähig, innovativ und sehr aufwendig, doch genügt es keineswegs als Ganzes den Ansprüchen des SGBV, welches eine Versorgung einfordert, die wirksam ist, wirtschaftlich erbracht wird und alle notwendigen Maßnahmen nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zur Verfügung stellt.

Darüber hinaus müssen wir erstaunt feststellen: Es gibt in Deutschland weder auf Länder- noch auf Bundesebene, noch bei den Sachwaltern der Versichertenbeiträge eine Instanz, die für dieses teure Chaos von hoher Qualität verantwortlich zu machen wäre. Jeder tut nur seine Pflicht.

Durch unsere Gesetzgebung haben wir bewirkt, dass Länder und Bund keinen Einfluss auf die Leistungsgestaltung und damit auf die Daseinsvorsorge im Bereich Gesundheit nehmen können. Die selbstverwaltete Solidargemeinschaft zieht das Geld ein und soll die Versorgung sichern. Da sie in über 200 GKV-Kassen zersplittert ist, tut sie das auf über 200 verschiedene Weisen - jede Kasse für sich und nur für die Interessen der eigenen Mitglieder.

Der Vertragswettbewerb der Kassen lässt außerdem nur für Kenner der Szene jene impliziten Leistungsausgrenzungen sichtbar werden, mit denen die Kassen Einfluss auf ihr Versichertenprofil, auf ihre Ausgabenlast zu nehmen versuchen. Wenn ein Kassenmanager Verträge für gute Schwangerschaftsbetreuung abschließt, macht er seine Kasse für junge Familien attraktiv. Wenn er aber ein Programm für Rheumakranke auflegen sollte, würde sein Vorstand ihn feuern, weil dieser weiß, dass vermehrt Versicherte aus dieser teuren Gruppe chronisch Kranker die Ausgaben in die Höhe treiben würden.


Deshalb hat die SPD vor einigen Jahren die Kassen "zum Jagen getragen" und beispielsweise die strukturierten Behandlungsprogramme (Disease Management Programme - DMP) für chronisch Kranke ins Gesetz geschrieben. Wenn eine Patientin oder ein Patient mit Diabetes, koronarer Herzerkrankung, chronischer Bronchitis, Asthma oder Brustkrebs sich hier einschreibt, so wird seine Kasse hierdurch erheblich entlastet, da die Mehrkosten im RSA ausgeglichen werden. Die Kassen haben also die Ärzte und diese wiederum ihre PatientInnen motiviert, die neue Versorgungsform zu wählen und sich einzuschreiben.

Im Wettbewerbsstärkungsgesetz wurden u. a. der amtlich festgelegte Einheitsbeitrag, der Gesundheitsfonds, der neue morbiditätsorientierte RSA und ein neues System der Finanzverantwortung für die Kassen festgelegt. Der Fonds mit Einheitsbeitrag, Zuzahlungen oder Beitragsrückerstattungen und einem groben Risikostrukturausgleich wird ab 1. Januar 2009 in Kraft treten. Doch viele Kassen können die neuen finanziellen Verteilungsmechanismen in ihrer Wirkung noch nicht abschätzen. Deshalb kündigen sie jetzt - noch vor Inkrafttreten des Gesundheitsfonds - viele der mühsam erarbeiteten Integrations- und Strukturprojekte. Sie haben Angst, durch chronisch Kranke in Zukunft finanziell unter Druck zu kommen. Denn Kassen, die mit den für sie errechneten Budgets nicht auskommen, müssen verwaltungsaufwendig Zusatzbeiträge erheben oder Insolvenz anmelden und sich von anderen Kassen schlucken lassen. Das wollen viele Kassen auf jeden Fall vermeiden.


Man weiß auch, dass der neue Morbi-RSA für Kassen mit großer Versorgungslast in vielen Fällen erst bei fortgeschrittenen und damit kostenträchtigen Krankheitsbildern die Mehrkosten ausgleichen wird. Präventiv ansetzende Programme zahlen sich aber nicht sofort aus und werden deshalb erst einmal gekündigt. Hierzu gehören zum Beispiel:

Hausarztverträge, welche jene belohnen sollen, die nicht immer zum Facharzt laufen, sondern sich einen Hausarzt suchen, der Medizinische koordiniert, Befunde sammelt und aus dem Fachlatein in Empfehlungen übersetzt; der also eine Funktion wahrnimmt, die gerade chronisch Kranke wichtig ist.
Disease-Management-Programme (DMP) für einige chronische Krankheiten wie Diabetes, koronare Herzkrankheit, chronische Bronchitis, Asthma oder Brustkrebs, welche leitliniengestützt alles sicherstellen, was der Patient braucht, ohne dass der Kasse hierdurch höhere Kosten erwachsen würden. (Bisher haben die Hausärzte ihre Patienten überredet, sich einzuschreiben und so den Druck der Kassen einfach weitergegeben. Jetzt müssen sie ihren Patienten erklären, dass die DMPs wohl doch nicht so gut sind.)
Integrationsverträge, bei denen Kliniken und Ärzte verstärkt im Sinne einer kontinuierlichen Betreuung ihrer gemeinsamen Patienten zusammenarbeiten oder als Rehabilitation eingestufte physikalische Therapien für chronisch Kranke, die unstrittigen Nutzen für den Krankheitsverlauf haben, wie Funktionstraining oder Ergotherapie für Rheumakranke.

Es spielt derzeit keine Rolle, was gut für welche PatientInnen ist. Wichtiger in diesem absurden Wettbewerb sind die Positionierung im "Markt" und der betriebswirtschaftliche Erfolg der jeweiligen Kassen im Kampf ums Überleben. Die Kassen müssen jetzt erst einmal schauen, ob sie ab Januar mit dem Geld auskommen. Dann, in etwa einem Jahr, wird man sehen, was geht, und sich neu aufstellen - oder fusionieren.

In den vergangenen Jahren haben unsere Krankenkassen in bunter Vielfalt von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, die ihnen der Gesetzgeber zur besseren Betreuung ihrer Versicherten nahe gelegt hatte. Das Wettbewerbstärkungsgesetz hat ihnen noch mehr Instrumente geschaffen, mit denen sie sich "am Markt" platzieren können.

Wer kümmert sich eigentlich in diesem Wettbewerb um die Interessen derjenigen, die ohne solidarische Hilfe nicht auskommen? Wer trägt Verantwortung für ausreichend sinnvoll vernetzte, bedarfsgerechte medizinische Angebote von guter Qualität für alle Versicherten? Die Antwort ist einfach:

In Deutschland ist niemand für eine bedarfsgerechte
Versorgungsstruktur, für ein effizientes und wirksames Netz
von Gesundheitseinrichtungen verantwortlich.

Über-, Unter- und Fehlversorgung haben zugenommen. Sie verschlingen ohne nachweisbare Wirksamkeit für die Gesundheit der Bevölkerung immer mehr Kraft und Finanzen, die die Bevölkerung doch wahrlich für andere Bereiche der Daseinsvorsorge und für Bildung und Forschung dringend benötigt.

Die Bediensteten der Krankenhäuser gehen auf die Straße. Zu Zehntausenden sind die Belegschaften nach Berlin gefahren um für sich und ihren Klinikkonzern mehr Geld zu fordern. Es stimmt ja auch: Die Löhne sind zu niedrig, das Personal ist oft überfordert, Bausubstanz und technische Ausstattung müssen erneuert werden. Doch wir haben viel zu viele stationäre Kapazitäten und niemand ist offenbar für die Strukturfrage zuständig.

Kürzlich habe ich in einer Zentralen Notaufnahmestation wieder einmal einen zwölf Stunden-Dienst mitgemacht. Es wurden 40 Notfälle eingeliefert, von denen etwa die Hälfte nur deshalb kam, weil die ambulanten Strukturen unzureichend kooperieren und nicht flächendeckend organisiert sind.

Weshalb arbeiten außerhalb des Krankenhauses Pflegekräfte und Hausärzte nicht in vergleichbar vernetzter Arbeitsteilung rund um die Uhr zusammen wie es in den Kliniken selbstverständliche Praxis ist? In anderen Ländern klappt das besser, dort werden teure Krankenhauseinweisungen häufiger vermieden und es bleiben mehr Ressourcen für ein dichtes ambulantes Betreuungsnetz.

Eine Klinik denkt in Deutschland anders - besonders dann, wenn sie einer Kapitalvermehrungsgesellschaft gehört: Es muss für Wachstum gesorgt werden, je mehr Fälle abgerechnet werden können, umso besser das Ergebnis für die Investoren.

Der Gesundheitsmarkt gehorcht eben nicht volkswirtschaftlicher Vernunft. Er funktioniert nach den Gesetzen des Marktes, die da lauten: Je mehr Kunden (Kranke), um so besser das Geschäft! Das gilt analog auch für andere Bereiche der Leistungserbringung in unserer Gesundheitslandschaft. Prävention wäre hier geschäftsschädigend.

Weshalb ändert das niemand? Weshalb schreien alle nur nach mehr Geld oder wandern aus nach Norwegen? Wer könnte das ändern?


Die selbstverwalteten Kassen sind im Wettbewerb paralysiert und beschäftigen sich mit systematischer Drückebergerei. Es zahlt sich für sie nicht aus, langfristige Strategien zur Reduktion der Krankheitslast für chronisch Kranke anzubieten. Und auch wenn sie es wollten, so könnten sie es ja nur für ihre eigenen Versicherten versuchen. Selbst mit einem "Marktanteil" von 40 Prozent kann eine Kasse nicht allein für Kosten mindernde, effiziente, ambulante Strukturen sorgen. Das ginge nur, wenn sich die Kassen in den Versorgungsregionen zusammenschließen und mit ihrer geballten Finanzkraft gemeinsam Verantwortung für die nötigen Versorgungsstrukturen und die richtigen Anreize für alle Leistungserbringer übernehmen würden.

Ich schlage deshalb vor, die Kassen per Gesetz dazu zu bringen, dass sie sich auf Landesebene jeweils zu Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen und als solch eine Arbeitsgemeinschaft endlich, die Verantwortung für eine bedarfsgerechte Versorgung in der Fläche gemeinsam wahrzunehmen. Nicht "einheitlich und gemeinsam", aber mit einer einzigen gemeinsamen Vertragsabteilung, einer Geschäftsführung, die dann für alle Versicherten gleichermaßen wichtige, bedarfsgerechte, eng vernetzte und wirtschaftliche Strukturen "einkauft". Im Gegensatz zu einer "Einheitskasse", mit der die Freunde des "Teile und Herrsche" jeden Kritiker des Wettbewerbs mundtot zu machen versuchen, würden sich bei dieser Lösung lediglich die Schwerpunkte der Kassenarbeit verlagern. Sie wären Beistand und Lobby für ihre jeweils Versicherten im Aufsichtsgremium, welches die Vertragsgestaltung durch ihre gemeinsame Vertragsabteilung überwacht.


Die geballte Einkaufsmacht der so kooperierenden Kassen kann den Wettbewerb unter den Leistungserbringern nutzen, um mehr und bessere Versorgung zu sichern, um Über-, Unter- und Fehlversorgung abzulösen durch nachhaltige gesundheitsfördernde und präventive Strukturen. Endlich gäbe es eine verantwortliche Stelle, mit der auch die politischen Vertreter über Verbesserungsbedarf reden und verhandeln könnten. Auf diese Weise könnte aus dem Krebsgeschwür "Gesundheitsmarkt" ein Gesundheitssystem werden, welches sich nicht vor finnischen, schwedischen oder schweizerischen Modellen verstecken müsste. Nicht möglichst viele und teure abrechenbare Fälle, sondern eine gesunde Bevölkerung wäre dann die Leistung, für die den Leistungserbringern ein gutes Entgelt gezahlt werden könnte.


Das ist kein Traum, keine Vision, sondern bereits nachprüfbare Realität in Schleswig Holstein - wenn auch nur für den Bereich der Psychiatrie im Kreise Steinburg. Hier haben das Kreiskrankenhaus und die Kreisverwaltung für ihre ca. 130.000 Einwohner bei den Kassen (bei allen!) nachgefragt, was denn diese pro Einwohner pro Jahr für die Versorgung psychisch Kranker im Kreise Steinburg ausgegeben hätten. Es waren 52 Euro pro Jahr pro Einwohner. Die Kassen haben den Versorgungsauftrag dann an den Kreis komplett für etwas weniger abgegeben. Das Regionalbudget wurde von den Verantwortlichen im Kreis fortan benutzt, um psychiatrischen Behandlungsbedarf oder gar teure stationäre Einweisungen möglichst zu vermeiden. Der Kreis Steinburg verdient jetzt daran, dass er seine Einwohner vor psychischen Erkrankungen bewahrt und das schon seit über fünf Jahren mit gutem Erfolg.

Es ist wichtig, derartige Modelle auch für andere Versorgungsfelder zu formulieren und zum Beispiel die pflegerisch-medizinische Grundversorgung im Einzugsbereich einer großen Sozialstation analog zu sichern. Folgendes Beispiel sollte von den Kassen schon jetzt durchgerechnet und gefördert werden:

Eine gemeinnützige GmbH, in die niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ihre Praxis, die Wohlfahrtsorganisation, ihre Sozialstation, die Gemeinden ihre aufgewandten Sozialhilfemittel sowie weitere Anteile sozialer Daseinsvorsorge einbringen, könnte ein Regionalbudget mit allen Kassen verhandeln. Und könnte dann guten Gewissens damit verdienen, dass sie teure Heimunterbringungen und Krankenhauseinweisungen vermeidet und die Bevölkerung möglichst gesund hält.

Widerstand ist allerdings zu erwarten, und zwar von jenen, die weiter an Elend und Krankheit verdienen wollen. Davor darf Politik keine Angst haben, sonst ist sie nichts wert!


Dr. med. Wolfgang Wodarg ist MdB (SPD) für den Wahlkreis Flensburg/Schleswig und Mitglied des Ausschusses für Gesundheit.


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Quelle:
spw - Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft
Ausgabe 8/2008, Heft 168, Seite 29-34
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2009