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FINANZEN/462: Finanzierung des Gesundheitwesens - Wissenschaftlicher Rechercheservice (idw)


Hans-Böckler-Stiftung - 19.05.2009

Finanzierung des Gesundheitwesens

Wissenschaftlicher Rechercheservice der Hans-Böckler-Stiftung


Im Vorfeld des Deutschen Ärztetages werden Vorschläge geäußert, Patientinnen und Patienten eine höhere "Eigenverantwortung" aufzuerlegen. Das soll beispielsweise durch eine deutliche Erhöhung der Praxisgebühr geschehen. Solche Idee beruhen oft auf der Annahme, die soziale Pflichtversicherung ohne direkte Kostenbeteiligung biete Versicherten einen Anreiz, ihren individuellen Nutzen auf Kosten der Allgemeinheit zu maximieren und keine Rücksicht auf die beschränkten Ressourcen im Gesundheitswesen zu nehmen. Es existiere sogar der Anreiz, die eigenen Beiträge, etwa durch häufige Arztbesuche, wieder "hereinzuholen".

Für diesen so genannten "Moral-Hazard"-Effekt gibt es aber keine belastbaren wissenschaftlichen Belege. Darauf weist Dr. Simone Leiber, Sozialexpertin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in der Hans Böckler-Stiftung (WSI) hin. Gesundheitsforscher, die in Metaanalysen die in den vergangenen Jahrzehnten angestellten Untersuchungen zu diesem Thema auswerteten, kämen zu einem anderen Ergebnis: "Gesundheitswissenschaftliche, versorgungsbezogene und klinische Studien legen vielmehr nahe, dass die Versicherten das System nicht ausnutzen wollen oder können." Wenn höhere direkte Kostenbeteiligungen kurzfristig zu weniger Arztbesuchen führten, sei dieser Effekt "mit einer Reihe bedeutender Nebenwirkungen" verbunden, referiert Leiber den Forschungsstand: So wachse die Gefahr, dass insbesondere Versicherte mit niedrigen Einkommen Krankheiten verschleppten. "Neben den beachtlichen Negativfolgen für die betroffenen PatientInnen können dadurch die erhofften Kostenersparnisse langfristig konterkariert werden", schreibt die WSI-Expertin in einer aktuellen Analyse (siehe unten, 1. Link, insbesondere ab S. 6).


Weitere Untersuchungen zur aktuellen Entwicklung des Gesundheitssystems:

- Der Gesundheitsfonds ist keine Ideallösung. Dennoch kann er als Ausgangsbasis für eine gerechtere und zukunftstaugliche Finanzierung des Gesundheitswesens dienen. Insbesondere bietet er eine Chance, Private und Gesetzliche Krankenversicherung in einem gemeinsamen System zu integrieren. Artikel aus dem Böckler Impuls zu einer Analyse von Dr. Simone Leiber (siehe unten, 2. Link).

- Krankenkassen können bald einen einkommensunabhängigen Zusatzbeitrag erheben. Der belastet Versicherte mit geringem Einkommen deutlich stärker als besser Verdienende. Zwar mildert die vorgesehene Überforderungsklausel die Ungleichheit. Sie wird aber den Wettbewerb unter den Kassen verzerren. Artikel aus dem Böckler Impuls zu einer von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung von Maral Manougian, Prof. Dr. Stefan Greß, Anke Walendzik und Prof. Dr. Jürgen Wasem (siehe unten, 3. Link).


Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.boeckler.de/pdf/p_wsi_diskp_163.pdf
http://www.boeckler.de/32014_94405.html?suche=1
http://www.boeckler.de/32014_91488.html?suche=1

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution621


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Hans-Böckler-Stiftung, Rainer Jung, 19.05.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2009