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FINANZEN/452: Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2008 (BMG)


Bundesministerium für Gesundheit - Dienstag, 3. März 2009

Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2008

Solide Ausgangsbasis zum Start des Gesundheitsfonds


Die gesetzliche Krankenversicherung (einschließlich der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung) hat nach den jetzt vorliegenden vorläufigen Finanzergebnissen des 1. bis 4. Quartals im Jahr 2008 bei Einnahmen von rd. 161,7 und Ausgaben von rd. 160,8 Mrd. Euro mit einem bereinigten Überschuss von rd. 730 Mio. Euro abgeschlossen. Damit konnte die GKV im fünften Jahr hintereinander ein positives Finanzergebnis verbuchen. Im vergangenen Jahr hatten viele Kritiker des Gesundheitsfonds eine defizitäre Finanzentwicklung für 2008 behauptet, um eine angebliche Unterfinanzierung für 2009 zu belegen. Diese interessengeleitete Kritik wurde von der Realität widerlegt.


Kassen sind ohne Schulden in den Fonds gestartet

Die bei den Krankenkassen bis Ende 2003 aufgelaufenen Schulden wurden in den letzten Jahren Schritt für Schritt abgebaut. Während bis Ende 2003 bei allen verschuldeten Kassen Bruttoschulden in Höhe von 8,3 Mrd. Euro vorhanden waren, hatten die Kassen bis Ende 2008 wieder ein Vermögen von über 4 Mrd. Euro aufgebaut. Dieses Finanzpolster dient als notwendige Reserve und ist eine solide Basis zum Start des Gesundheitsfonds. Die vergleichsweise hohen Überschüsse der AOKen, bei denen die Entschuldung einiger Mitgliedskassen bis Ende 2007 noch nicht komplett erfolgt war, sind das Resultat erfolgreicher Sanierungsbemühungen, die sich in der vollständigen Entschuldung zum Ende des Jahres 2008 widerspiegelt. Auch die Ersatzkassen und Betriebskrankenkassen stehen nach deutlichen Überschüssen insgesamt wieder auf einem soliden Fundament. Ungünstigere Finanzergebnisse sind nur bei kleineren Kassenarten wie den Innungskrankenkassen und der Knappschaft Bahn See aufgetreten, die im vergangenen Jahr deutlich unterdurchschnittliche Beitragssätze erhoben hatten, aber Ende 2008 ebenfalls noch über Finanzreserven verfügten.


Deutliche Einnahmezuwächse auch im 4. Quartal

Im vergangenen Jahr hat die positive Beschäftigungsentwicklung, die noch nicht von der Finanz- und Wirtschaftskrise getrübt war, zu steigenden Einnahmen der Krankenkassen geführt. Das hat sich auch im 4. Quartal günstig bemerkbar gemacht, in dem üblicherweise die Verbeitragung der Einmalzahlungen zu deutlichen Zusatzeinnahmen führt. Die Beitragseinnahmen sind je Mitglied um 3,1 v.H. gestiegen. Bei den beitragspflichtigen Einnahmen (Grundlöhne der Mitglieder der Krankenkassen), die dem Beitragsaufkommen zugrunde liegen, gab es je Mitglied einen Zuwachs von 2,1 v.H. Dies war der stärkste Anstieg seit der ersten Hälfte der 90er Jahre.

Die positive Entwicklung der Einnahmeseite im Jahr 2008 wird auch deutlich, wenn man sich die Vorjahreszahlen zum Vergleich ansieht: Im 1. bis 4. Quartal 2007 lag der Grundlohnzuwachs lediglich bei 0,7 v.H. Die Lohnabschlüsse des vergangenen Jahres, ein weiterer deutlicher Rückgang der Arbeitslosenzahlen und steigende Beschäftigung führten zu zusätzlichen Beitragseinahmen. So waren im Dezember 2008 rd. 430.000 mehr beitragszahlende Personen als erwerbstätige Pflicht- oder freiwillige Mitglieder mit sechswöchigem Entgeltfortzahlungsanspruch in der GKV registriert als im Vorjahresmonat. Gleichzeitig ging die Zahl der beitragsfrei mitversicherten Personen um rd. 450.000 deutlich zurück. Deshalb fiel auch der absolute Zuwachs bei den beitragspflichtigen Einnahmen mit 2,8 v.H. deutlich höher aus.


Abflachung der Ausgabenzuwächse im Jahresverlauf

Die Leistungsausgaben sind im Gesamtjahr 2008 mit 4,0 % je Mitglied gestiegen. Der Anstieg hat sich dabei im Vergleich zur Veränderungsrate des 1. Halbjahres (4,5 %) und des 1. bis 3. Quartals (4,2 v.H.) weiter abgeflacht. Bei den Verwaltungskosten, die im 1. Halbjahr je Mitglied noch um 2,2 v.H. gestiegen waren, gab es im Gesamtjahr nur noch einen Zuwachs von 1,2 v.H.

In den einzelnen Leistungsbereichen ist die Entwicklung der Ausgaben sehr unterschiedlich verlaufen:

Der Anstieg der Arzneimittelausgaben (ohne Impfkosten) von 4,5 v.H. zeigt, dass die konsequente Nutzung von Einsparmöglichkeiten durch Rabattverträge, die das GKV-WSG eröffnet hat, weiterhin dringend geboten ist. Durch die Umsetzung weiterer Festbeträge ab 1. Juli 2008 konnten offenkundig in diesem Marktsegment zusätzlich vorhandene Einsparpotenziale auf der Preisseite ab Beginn der zweiten Jahreshälfte realisiert werden, wie die Abflachung des Anstiegs gegenüber dem 1. Halbjahr (plus 5,7 v.H.) verdeutlicht. Im Januar 2009 lag der Anstieg nach den neuesten Monatsdaten der ABDA einschließlich der Impfstoffe nur bei 0,6 v.H. Ein Trend für das Gesamtjahr lässt sich daraus allerdings noch nicht ableiten und darf keinesfalls dazu führen, bei den notwendigen Sparbemühungen nachzulassen.

Eine wirksame Steuerung der Arzneimittelausgaben darf sich nicht auf die erfolgreiche Ausschöpfung von Preissenkungsspielräumen im Festbetragsmarkt beschränken. Vielmehr sollte auch die mit dem GKV-WSG geschaffene Möglichkeit zur Kosten-Nutzen-Bewertung vor allem bei Arzneimitteln mit geringem therapeutischen Zusatznutzen genutzt und damit überflüssige Arzneimittelverordnungen vermieden werden. Gerade im Bereich der neuen, hochwirksamen und teuren Arzneimittel ist es wichtig, dass diese zielgenau und evidenzbasiert eingesetzt werden.

Der Anstieg bei den Krankenhausausgaben lag 2008 je Mitglied bei 2,8 v.H. und damit deutlich höher als im Vorjahr mit 0,6 v.H. Der absolute Zuwachs, der letztendlich bei den Krankenhäusern ankommt, lag in 2008 bei 3,5 v.H. Den Krankenhäusern sind damit bereits im vergangenen Jahr Mehreinnahmen in einer Größenordnung von ca. 1,8 Mrd. Euro allein aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zugeflossen. Mit dem Krankenhausfinanzierungsreformgesetz werden ab 2009 die für die Jahre 2008 und 2009 tariflich vereinbarten Personalkostensteigerungen, soweit sie über die Grundlohnentwicklung hinausgehen und tatsächlich bezahlt werden, zu 50 % durch die Krankenkassen refinanziert.

Auch zur Verbesserung der Situation im Pflegebereich der Krankenhäuser sind zusätzliche Finanzierungsmöglichkeiten (90%-Anteil der Kassen) für bis zu 17.000 Neueinstellungen von Pflegekräften in den nächsten Jahren vorgesehen.

Insgesamt können die Kliniken durch das neue Reformgesetz und auf Basis des geltenden Rechts von den gesetzlichen Krankenkassen 2009 rund 3,5 Mrd. Euro mehr erhalten als 2008. Das bedeutet im Laufe von zwei Jahren ein zusätzliches Finanzvolumen von über 5 Mrd. Euro allein von der GKV. Weitere Einnahmen anderer Kostenträger wie Beihilfe und PKV kommen noch dazu. Zum Vergleich: im gesamten Zeitraum 2002 bis 2007 erzielten die Krankenhäuser einen Zuwachs von 4,7 Mrd. Euro. Darüber hinaus erhalten die Krankenhäuser im Rahmen des Konjunkturpakets II in diesem und im kommenden Jahr zusätzliche Mittel zur Finanzierung dringend erforderlicher Krankenhausinvestitionen. Der Bund beteiligt sich an zusätzlichen Investitionen der Länder mit 75 %.

Der Zuwachs von 4,3 v.H. je Mitglied bei den Ausgaben für ambulante ärztliche Behandlung betrug damit bereits 2008 ein Mehrfaches des Zuwachses der beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenkassen. Der absolute Zuwachs lag sogar bei 5,0 v.H. Diese Entwicklung zeigt, dass sich die Honorarsituation für die Ärzte, anders, als von diesen immer beklagt, bereits 2008 deutlich verbessert hat. Die zusätzlichen Ausgaben für ärztliche Früherkennungsuntersuchungen, die einen Anstieg von 17,2 v. H. ausweisen, sind dabei noch nicht einbezogen. Damit hat die Honorarreform im Bereich der vertragsärztlichen Vergütung bereits im vergangenen Jahr den Ärzten gut 1,4 Mrd. Euro Mehreinnahmen verschafft. Auf Basis der Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses erhalten die Ärzte 2009 gegenüber 2007 voraussichtlich Honorarzuwächse von insgesamt gut 3 Mrd. Euro - und damit - unter Berücksichtigung der Praxisgebühr - ebenfalls mehr als im gesamten Zeitraum von 2002 bis 2007.


Aufwertung von Prävention und Rehabilitation

Die aktuelle Ausgabenentwicklung der Krankenkassen dokumentiert auch die gesundheitspolitische Aufwertung von Präventions- und Rehabilitationsleistungen. Zweistellige Ausgabenzuwächse von absolut rd. 13 v.H. bei den Ausgaben für Präventionsleistungen und Schutzimpfungen sind gesundheitspolitisch geboten und weisen in die richtige Richtung.

Gerade bei Schutzimpfungen stehen den höheren Ausgaben erhebliche Verbesserungen im Impfschutz der Bevölkerung gegenüber. Der Ausgabenzuwachs von rd. 10 v.H. bei den Schutzimpfungen hat sich im Vergleich zur Zuwachsrate des 1. Halbjahres von 38 v.H. deutlich abgeflacht. Seit Mitte 2007 ist es nicht mehr den einzelnen Krankenkassen überlassen, welche Impfleistungen sie ihren Mitgliedern zur Verfügung stellen. Damit hat sich das Ausgabenniveau in diesem Bereich offensichtlich weitgehend dem hohen Niveau des Vorjahres angepasst. Dabei besteht weiterhin die Notwendigkeit, dass die Verbesserungen beim Impfschutz in enger Kooperation mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst umgesetzt werden und es nicht zu Ausgabenverlagerungen zum Nachteil der gesetzlichen Krankenversicherung kommt. Außerdem müssen auch bei den Impfstoffen verstärkt preiswerte Verordnungsalternativen zur Anwendung kommen.

Weiterhin positiv verläuft auch die Entwicklung bei den Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen, die nach Jahren mit rückläufiger Entwicklung durch die Umwandlung dieser Leistungen von Ermessens- zu Regelleistungen wieder Zuwächse verzeichnen. So sind beispielweise die Mütter/Väter/Kind-Kuren nach bereits zweistelligen Zuwächsen in 2007 im Jahr 2008 nochmals um 9,7 v.H. gestiegen.

Die Krankengeldausgaben, die in den letzten Jahren bei ungünstiger konjunktureller Entwicklung stark rückläufig waren, haben Zuwächse von 8,4 v. H. Diese Zuwächse beruhten bei leicht gestiegenem, aber immer noch niedrigem Krankenstand und hoher Beschäftigungsquote in 2008 vor allem auf einer Anbindung an die gestiegenen Löhne.

Die Verwaltungskosten der Krankenkassen sind nach längerer Stabilität in den Vorjahren mit 1,2 v.H. je Mitglied insgesamt geringfügig gestiegen, wenn auch mit unterschiedlichen Entwicklungen bei den einzelnen Kassenarten.


Solides Fundament für den Start des Gesundheitsfonds

Die aktuelle Finanzentwicklung zeigt: Die gesetzliche Krankenversicherung ist mit einer soliden finanziellen Grundlage in den Gesundheitsfonds gestartet. Die Ausgangsbasis 2008 ist nach den vorläufigen Finanzdaten günstiger als die Einschätzungen, die der Schätzerkreis im Konsens als voraussichtliche Entwicklung für das Jahr 2008 Anfang Oktober und Anfang Dezember abgegeben hatte.

In diesem Jahr stehen den Kassen (ohne Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Krankenkassen (LKV), die nicht am Gesundheitsfonds teilnehmen) Zuweisungen in Höhe von rd. 167,6 Mrd. Euro für die Versorgung ihrer Versicherten zur Verfügung. Im Vergleich zum vorläufigen Ausgabenvolumen des Jahres 2008 sind dies rd. 11 Mrd. Euro mehr. Bei einem nunmehr um 3,2 Mrd. Euro erhöhten Bundeszuschuss in Höhe von 7,2 Mrd. Euro im Jahr 2009 und einem allgemeinen paritätischen Beitragssatz von 14,6 % in der 1. Jahreshälfte bzw. einer - durch das Konjunkturpaket II der Bundesregierung bewirkten - Absenkung des allgemeinen paritätischen Beitragssatzes auf 14,0 % ab dem 1. Juli 2009 sind diese Ausgaben solide finanziert. Mögliche Einnahmeverluste, die dem Gesundheitsfonds aufgrund der sich verschärfenden Wirtschafts- und Finanzkrise entstehen können, werden erforderlichenfalls im Jahr 2009 durch ein Liquiditätsdarlehen des Bundes aufgefangen, das erst bis Ende 2011 zurückgezahlt werden muss.

Für jeden Monat im Jahr fest zugesagte Zuweisungen bedeuten somit, dass die Krankenkassen nicht mehr wie in der Vergangenheit in den ersten drei Quartalen regelmäßig weniger Einnahmen hatten als sie zur Finanzierung ihrer Ausgaben benötigten. Durch diesen Liquiditätsvorteil der Kassen werden auch die unterjährigen Finanzergebnisse der GKV ab 2009 die Finanzentwicklung der Krankenkassen wesentlich zuverlässiger widerspiegeln als bislang. Damit gehören auch wiederkehrende Fehlinterpretationen in der Öffentlichkeit, die die GKV bei einem unterjährig ungünstigen Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben der Kassen regelmäßig in einem "großen" Finanzloch sahen, der Vergangenheit an.


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Quelle:
Bundesministerium für Gesundheit, Pressestelle
Pressemitteilung Nr. 17 vom 3. März 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. März 2009