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AUSLAND/1570: Kenia - Todesursache nachgeburtliche Blutung, umstrittenes Medikament könnte helfen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2010

Kenia: Todesursache nachgeburtliche Blutung - Umstrittenes Medikament könnte helfen

Von Susan Anyangu-Amu


Nairobi, 6. August (IPS) - Nachgeburtliche Blutungen sind eine der Hauptursachen für die hohe Müttersterblichkeit in Kenia. Gynäkologen in dem ostafrikanischen Land machen diese Komplikation für 20 Prozent aller Todesfälle im Kindbett verantwortlich. Sie fordern die Zulassung eines bereits verfügbaren Magenkrebsmedikaments auch für gynäkologische Zwecke, können sich aber nicht durchsetzen. Dem Präparat haftet der Ruf an, eine preiswerte Abtreibungspille zu sein.

Hinter der Forderung steht die kenianische Gesellschaft der Gynäkologen und Geburtshelfer KOGS. Das umstrittene Medikament mit dem Wirkstoff Misoprostol wird in Kenia unter dem Markennamen 'Cytotec' angeboten und ist allein zur Therapie bei Magenkrebs zugelassen. Es kostet nicht mehr als umgerechnet drei US-Dollar und hat die Fähigkeit, Wehen einzuleiten und zugleich Blutungen zu stoppen.


Verrufen als Abtreibungspille

Ärzte wie Joachim Osur versprechen sich von einer Zulassung auch für gynäkologische Zwecke eine große Hilfe für Frauen, bei denen sich die Plazenta nicht löst. Schwere Blutungen, oft mit Todesfolge, könnten so verhindert werden. "Misoprostol ist ein sehr potenter Wirkstoff. Bedauerlicherweise hat die Debatte um seine Funktion als Abtreibungspille seine Renommee verdorben." Auch bei illegalen Abtreibungen, an denen in Kenia jeden Tag rund 800 Frauen sterben, könnte das Medikament eingesetzt werden.

Precious Nabwire gehört zu denen, die froh gewesen wären, hätte man ihr Misoprostol gegeben. Sie hat unlängst ihr viertes Kind zur Welt gebracht und wäre bei der Geburt um ein Haar verblutet. Wie rund 57 Prozent aller kenianischen Frauen hatte sie sich zu einer Hausgeburt entschieden. Ein Taxi zum nächstgelegenen Krankenhaus kostet rund zwölf Dollar - zu teuer für sie. Nabwire verließ sich darauf, das diese letzte Geburt so unkompliziert verlaufen wird wie die ersten drei.

"Damit habe ich völlig falsch gelegen", sagt sie heute. Ihr Kind kam in der Tat schnell zur Welt. Probleme machte die Nachgeburt. Nabwire hatte Glück im Unglück, trotz schwerster Schmerzen und Blutungen. Schließlich ging doch alles gut. Aber es folgte ein einwöchiger Krankenhausaufenthalt. Das alles wäre nicht nötig gewesen, wenn Misoprostol zur Verfügung gestanden hätte.


Plädoyer für einen kontrollierten Einsatz

Osur spricht sich vor allem für einen Einsatz des Medikaments in lokalen Gesundheitszentren aus und wirft dem kenianischen Gesundheitsministerium vor, für ein striktes Abtreibungsgesetz das Leben unzähliger Frauen aufs Spiel zu setzen. In Kenia ist der Schwangerschaftsabbruch nur in Fällen von Vergewaltigung, Inzest oder bei medizinischer Indikation gestattet. Das treibt viele ungewollt Schwangere in die Hände von Engelmachern.

"Ein kontrollierter Einsatz von Misoprostol würde einen Missbrauch zu Abtreibungszwecken und den Tod vieler Frauen im Kindbett verhindern. Vor allem für Frauen, die in entlegenen Gegenden leben und bei Blutungen auf dem Weg in die nächstgelegene Klinik zu sterben drohen, wäre Cytotec die Rettung", sagt der Arzt.

Im Februar hat Nigeria als erster afrikanischer Staat Misoprostol auch für gynäkologische Zwecke zugelassen. Allerdings darf das Medikament nur von ausgebildeten Gesundheitsarbeitern verabreicht werden - und dies auch nur in Kliniken und Gesundheitszentren. In Nigeria bringen aber 75 Prozent aller Frauen ihre Kinder daheim zur Welt. Sie verlassen sich dabei in der Regel auf die Unterstützung traditioneller Geburtshelfer.

Nach Schätzungen der US-Entwicklungshilfsbehörde (USAID) ist ein Drittel der Müttersterblichkeit in ganz Afrika auf nachgeburtliche Blutungen zurückzuführen. (Ende/IPS/hn/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2010