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AUSLAND/1454: Simbabwe - Der tägliche Tod (medico international)


medico international - rundschreiben 01/09

Der tägliche Tod
Simbabwe: Gesundheitskämpfe in den Zeiten der Cholera

Von Anne Jung


Der Zerfall des Gesundheitssystems in Simbabwe war vorhersehbar und zu vermeiden. Gegen die Tatenlosigkeit ihrer Regierung organisieren sich landesweit Gesundheitsinitiativen und Basiskomitees.


Die Cholera findet in Simbabwe ein ideales Umfeld. Ihr Ursprung liegt im Wasser, bzw. in seinem Mangel. Die Regierungspartei von Robert Mugabe, ZANU-PF, hatte bereits im Jahr 2006 die intakte Wasserversorgung nationalisiert, um die staatlichen Gewinne zu erhöhen. Seitdem wurden die maroden Leitungen nicht mehr gewartet. Auch die Müllabfuhr wurde an vielen Orten eingestellt. Inzwischen sind fast 100.000 Menschen an der Cholera erkrankt. 3.500 Menschen sind bereits an der schweren Durchfallerkrankung, die durch Bakterien verursacht wird, gestorben. Die ökonomische Krise verschärft die Gefahr einer Hungersnot und nur noch ein Prozent der HIV-Infizierten und Aids-Kranken hat Zugang zu Medikamenten. Üblicherweise sterben bei einem Cholera-Ausbruch weniger als ein Prozent der Betroffenen - in Simbabwe sind es fünf Prozent. Die durchschnittliche Lebenserwartung hatte sich in den vergangenen 20 Jahren bei jungen Erwachsenen bereits halbiert und ist inzwischen mit 34 Jahren für Männer und 37 Jahren für Frauen die niedrigste der Welt.

Itai Rusike von der landesweiten Community Working Group on Health (CWGH), dem medico-Partner in Simbabwe, gibt ein Beispiel für den Teufelskreis von krank machender Armut und arm machender Krankheit, dem die Menschen ausgesetzt sind. Nachdem die Regierung schon vor Langem Münzen als Zahlungsmittel aus dem Verkehr gezogen hatte, wurden sie inzwischen mit neuem Wert wieder eingeführt. Die Folge: "Die verarmte Bevölkerung sucht die Münzen auf den regenüberfluteten Müllkippen und infiziert sich dort mit Cholera und anderen Krankheiten. Die Menschen brauchen Geld, um ihre Angehörigen in den Privatkliniken behandeln zu lassen." Fast alle staatlichen Krankenhäuser des Landes sind geschlossen, es gibt nur selten Strom und vor allem fehlen Medikamente. Die Hyperinflationsrate von mehreren Hundert Prozent drückt die Gehälter, sodass der Weg zur Arbeit oder zum Krankenhaus einen Monatslohn kosten würde.

Und was tut die Regierung? Lediglich eine Aufklärungskampagne kündigte sie bislang an. Eine Studie der internationalen Physicians for Human Rights kommt zu dem Ergebnis, dass die Regierung Simbabwes den Cholera-Ausbruch durch unterlassene Hilfeleistung und Verharmlosung maßgeblich mitverschuldet hat. Darüber hinaus instrumentalisiert sie die Epidemie für politische Zwecke. Informationsminister Sikhanyiso Ndlovu warf der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien vor, die tödliche Durchfallkrankheit gezielt ins Land gebracht zu haben: "Die Cholera ist eine kalkulierte, rassistische Attacke auf Simbabwe, verübt durch die reuelose ehemalige Kolonialmacht, unterstützt von den amerikanischen und europäischen Verbündeten und verbunden mit dem Ziel, in unser Land einzudringen." Afrikanische Intellektuelle wiesen diesen Zynismus als "Angriff auf die menschliche Intelligenz" zurück.

Vor 20 Jahren investierte Simbabwe noch in sein Gesundheitssystem. Es galt als eines der Musterbeispiele einer partizipativen Strategie der Basisgesundheitsversorgung (Primary Health Care), mit der ein gesicherter Zugang für alle Menschen zu gesunden Lebensbedingungen und Versorgung im Krankheitsfall erreicht wurde. Dann kamen die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank, die Präsident Mugabe zu drastischen Einschnitten in der sozialen Infrastruktur und dem Gesundheitsbereich zwangen. Bis 1999 stiegen die privaten Gesundheitskosten für Patienten um 150 Prozent, das ausgebildete Gesundheitspersonal verließ das Land, vor allem in Richtung der alten Kolonialmacht Großbritannien, wo infolge der neoliberalen Privatisierungspolitik billige Arbeitskräfte im Gesundheitswesen gebraucht wurden. Im Jahr 2008 gab es nur noch ca. 300 ausgebildete Ärzte und Ärztinnen in Simbabwe. Noch in den 1980er Jahren galt das Gesundheitssystem als vorbildlich; 85 % der Bevölkerung hatten Zugang zu medizinischer Versorgung in unmittelbarer Nähe. Der "Braindrain" aus Simbabwe und anderen afrikanischen Ländern verschlechterte die Versorgung. Als die Regierung in Harare Anfang der 1990er Jahre die Investitionen im Gesundheitsbereich nahezu einstellte, brach das öffentliche Gesundheitswesen zusammen.

Für Gesundheitsorganisationen wie die Community Working Group on Health oder die Zimbabwe Association of Doctors for Human Rights (ZADHR) ist es riskant, ihre Stimme zu erheben. Immer wieder werden Proteste gegen die Schließung von Krankenhäusern und den Medikamentenmangel gewaltsam beendet. Das hält diese Aktivisten nicht davon ab, sich zusammen mit Gewerkschaften, Frauenorganisationen, Kirchen, Händlerinnen aus dem informellen Sektor und Menschenrechtsgruppen zu organisieren. Besonders wichtig ist ihnen dabei die Gesundheitsaufklärung. Das Wissen über die Krankheiten, deren Vermeidung und Behandlung ist im ländlichen Raum faktisch nicht mehr vorhanden. Die lokalen Komitees, die schon vor Jahren in den Provinzen des Landes gegründet wurden und denen neben Aktivisten und Fachpersonal auch gewählte und traditionelle Gemeindevertreter angehören, arbeiten dabei eng mit der Bevölkerung zusammen. Auch wenn die Cholera nicht mehr zu verhindern war, konnte ihre Verbreitung in einigen Provinzen durch die Aufklärungsarbeit und Nothilfe von über 300 Gesundheitsarbeitern zumindest eingedämmt werden. Mehr als 10.000 Hygiene-Kits wurden in den Provinzen verteilt, Mittel zur Wasseraufbereitung und Rehydrierung zur Verfügung gestellt und Pläne erarbeitet, wie die Versorgung von betroffenen Familien mit Lebensmitteln gewährleistet werden kann. In einem offenen Brief forderte der medico-Partner CWGH jüngst die Weltgesundheitsorganisation auf, die engagierten Gemeinden in alle Nothilfemaßnahmen zur Cholera-Bekämpfung einzubeziehen: "Die Simbabwer sind mehr als die Anzahl der Cholera-Fälle oder der Gestorbenen. Wir sind Menschen, die auf eine zunehmend schwierige Situation reagiert haben, die sich für das Recht auf Gesundheit einsetzen und die im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen sollten, das System zu erneuern." Ohne eine Lösung der politischen Konflikte ist in Simbabwe auch das Gesundheitswesen nicht wieder aufzubauen.


Projektstichwort

Die medico-Partnerorganisation Community Working Group on Health leistet alltägliche Nothilfe in Zeiten der Cholera. 400 CWGH-Aktivisten sind in Harare und 25 Distrikten ununterbrochen im Einsatz. Sie brauchen Infusionen, Wasserreinigungstabletten und Latexhandschuhe, um dem täglichen Sterben Einhalt zu gebieten. Spendenstichwort: Simbabwe


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Quelle:
medico international - rundschreiben 01/09, Seite 18-20
Herausgeber: medico international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. April 2009