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POLITIK/2060: Grundgesetzverletzung aus dem Feld geschlagen - Das neue "Epidemie-Gesetz" in Nordrhein-Westfalen (Landtag NRW)


Landtag Nordrhein-Westfalen - Pressemitteilung vom 9.4.2020

Corona-Krise: Zustimmung in zweiter Lesung für das entschärfte "Epidemie-Gesetz"


09.04.2020 / Der Landtag hat in zweiter Lesung mit den Stimmen von CDU, SPD, FDP und Grünen dem sogenannten Epidemie-Gesetz zugestimmt. Die AfD-Fraktion war dagegen und beantragte eine dritte Lesung, die voraussichtlich am Dienstag, 14. April 2020, stattfinden wird.

Vor der zweiten Lesung hatten sich die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Grünen auf Änderungen an dem Entwurf der Landesregierung für das "Gesetz zur konsequenten und solidarischen Bewältigung der COVID-19-Pandemie in Nordrhein-Westfalen und zur Anpassung des Landesrechts im Hinblick auf die Auswirkungen einer Pandemie" verständigt (17/8920, 17/8969 und 17/8971).

Laut der zwischen den vier Fraktionen vereinbarten Änderungen soll u. a. die Feststellung einer "epidemischen Lage von landesweiter Tragweite" durch den Landtag mit einer Frist von jeweils zwei Monaten versehen werden. Sie soll stets neu durch das Parlament festgestellt werden müssen. Die zunächst geplante Regelung für eine Verpflichtung von medizinischem Personal soll durch ein Freiwilligenregister ersetzt werden.

Mit dem "Epidemie-Gesetz" sollen laut Landesregierung Vorkehrungen für den Fall einer sich weiter verschärfenden Pandemie-Lage getroffen. Es schafft demnach "ein Regelwerk zur Bestimmung besonderer Handlungsbefugnisse im Rahmen einer epidemischen Lage von nationaler oder landesweiter Tragweite".

Das Parlament habe die Möglichkeit, schon im Vorfeld einer Notlage rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, "mit denen die Exekutive in die Lage versetzt wird, die nach ihrer Einschätzung notwendigen Maßnahmen zu ergreifen", sagte Peter Preuß (CDU). Genau dies geschehe mit dem Gesetzentwurf und den Änderungsanträgen. Letztere blieben jedoch hinter den Handlungsoptionen des ursprünglichen Gesetzentwurfs zurück.

Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Landesregierung habe "massive Grundrechtseingriffe" vorgesehen, sagte Lisa Kapteinat (SPD) und nannte u. a. die Zwangsverpflichtung von medizinischem Personal. Eine Zwangsverpflichtung unterwandere die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger. Namhafte Verfassungsrechtler hätten den Entwurf kritisiert. Es sei gut, dass man nun gemeinsam ein verfassungsgemäßes Gesetz auf den Weg bringe.

Ihrer Fraktion sei klar gewesen, dass der Entwurf nicht so verabschiedet werden könne, wie er eingebracht worden sei, sagte Susanne Schneider (FDP). Man habe die Bedenken von Rechtswissenschaftlern und die Sichtweisen unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure aus dem Gesundheitswesen aufgenommen. Im Vordergrund stehe, dass das Vorgehen der Exekutive selbst in Extremsituationen der Kontrolle des Landtags unterliege.

Für die Grünen-Fraktion sagte Mehrdad Mostofizadeh, es sei wichtig gewesen, im Verfahren "Stopp zu rufen". So sei die zunächst geplante Zwangsverpflichtung nicht richtig gewesen. Das nun vorgesehene Freiwilligenregister sei zielführender, weil zunächst ein Bedarf und ein Konzept entwickelt werden müssten. Es sei falsch, jemanden rekrutieren zu wollen, bevor man seine eigenen Hausaufgaben gemacht habe.

AfD-Fraktionschef Markus Wagner sagte, das Vorgehen der Landesregierung sei "blamabel und peinlich" gewesen. Gerade, wenn Politik von den Bürgerinnen und Bürgern fordere, sich an Regeln zu halten, müsse sie sich vorbildlich verhalten. Er bemängelte auch am geänderten Entwurf handwerkliche Fehler und kritisierte, seine Fraktion sei unzureichend in die Beratungen eingebunden worden.

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) begrüßte, dass der "Kern" des Gesetzentwurfs beibehalten worden sei. Das geplante Gesetz gebe der Landesregierung die Handhabe, so gut wie möglich gegen die Corona-Pandemie zu kämpfen. Die Landesregierung werde sorgsam mit den Instrumenten umgehen, die ihr an die Hand gegeben würden. Er dankte zugleich insbesondere dem medizinischen Personal. "Danke an alle, dass ihr da seid."

Die erste Lesung des Gesetzentwurfs hatte am 1. April 2020 stattgefunden. Am 6. April 2020 führten der federführende Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie der Rechtsausschuss eine Sachverständigenanhörung dazu durch. Am Morgen der zweiten Lesung waren die insgesamt elf beteiligen Fachausschüsse zu ihren abschließenden Beratungen über den Entwurf zusammengekommen.

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Quelle:
Landtag Nordrhein-Westfalen
Pressemitteilung vom 9.4.2020
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. April 2020

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