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POLITIK/1881: Nachbesserung bei Bewertung von Medizinprodukten gefordert (idw)


Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
Medizin / Kommunikation - 15.07.2016

AWMF mahnt zu Nachbesserung bei Bewertung von Medizinprodukten


Berlin/Düsseldorf - Eine Bewertung von Medizinprodukten ist in Deutschland aufgrund handwerklicher Fehler im Gesetzentwurf kaum möglich, so ein Ergebnis eines Arbeitstreffens der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften am 8. Juli in Berlin. In diesem Zusammenhang weist die AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften) e.V. auch auf die anwachsende Bürokratie seitens der entscheidenden Institutionen und das große ehrenamtliche Engagement der Fachgesellschaften hin. Diese Aufgabe werde sich durch EU-Regularien und vermehrte Prüfungen von Medizinprodukten noch ausweiten müssen, betont die AWMF.

Die Zahl der Verfahren zur frühen Prüfung des Nutzens von Arzneimitteln in Deutschland steigt: Im Jahr 2015 prüfte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 55 Anträge von Herstellern. Bis Ende Juni dieses Jahres waren bereits 35 in Arbeit. Da frühe Nutzenbewertung wissenschaftlich begründet sein muss und die Versorgung von Patienten beeinflusst, begleiten Fachgesellschaften die Verfahren. Der Aufwand ist erheblich. "Dieses Engagement ist nicht hoch genug zu würdigen - die Fachgesellschaften bringen sich ehrenamtlich ein, um den Institutionen die bestmögliche Expertise an die Hand zu geben", sagt Professor Dr. rer. biol. hum. Hans-Konrad Selbmann von der AWMF. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das IQWIG, ebenso wie das Institut für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (IQTIG) oder Kommissionen des Robert Koch Instituts (RKI) wandten sich in 2015 mehr als 100 mal an die AWMF und ihre Mitgliedsfachgesellschaften - Tendenz steigend.

Doch nicht nur die Verfahren zur Arzneimittelmarktneuordnung (AMNOG) spielen eine wachsende Rolle. Auch die Prüfung von Medizinprodukten nimmt Fahrt auf. Hier sind jedoch die Kriterien noch unklar: Der G-BA fordert vergleichende klinische Studien (RCT). Diese scheinen aber nicht immer der geeignete Weg, um einen Nutzen oder auch ein Potenzial anzuzeigen: "Ob neue Medizinprodukte sicher und wirksam sind, lässt sich in der Chirurgie oft nur anhand von Daten prüfen, die wir kontinuierlich in Registern sammeln. Das gilt vor allem für langfristige Beobachtung und sogenannte Sprunginnovationen, zu denen es kein Vergleichsprodukt gibt", erläutert Professor Dr. med. Ernst Klar von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie aus Rostock. Darauf deute auch die EU-Direktive zu Medizinprodukten hin. Diese spricht sich eher für weiche Empfehlungen für Medizinproduktetests aus, anders als die harten Vorgaben für Arzneimittel. Hinzu kommt, dass der G-BA Studien fordert, obwohl das Medizinprodukt in Krankenhäusern bereits verfügbar ist, sofern der G-BA es nicht ausdrücklich verboten hat. Die Erprobungsregelung des G-BA nach § 137e SGB V bleibt damit bislang folgenlos. Hier bedarf es dringend gesetzlicher Nachbesserungen.

Entsprechend bescheiden fällt die Bilanz bei der Potenzialbewertung nicht-medikamentöser Verfahren aus: Seit 2013 fasste der G-BA elf Beschlüsse zu sechs Erprobungsanträgen. Bisher brachte kein einziger Hersteller eine Studie auf den Weg, um den Nutzen zu belegen. Mehrere Verfahren wurden ausgesetzt oder eingestellt, was zeigt, dass die Firmen die Kosten für zu hoch oder die Gewinnaussichten für zu gering bewerten. "Damit erweist sich das Verfahren in großen Teilen als nicht praktikabel und wenig aussichtsreich, sinnstiftende Ergebnisse für die medizinische Wissenschaft zu liefern", meint Dr. med. Monika Nothacker, Referentin des AWMF-Präsidiums aus Berlin. Die AMWF selbst richtet jährlich Workshops für ihre Mitgliedsfachgesellschaften aus, um den Stellungnahmeprozess kontinuierlich zu verbessern.

Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. bündelt die Interessen der medizinischen Wissenschaft und trägt sie verstärkt nach außen. Sie handelt dabei im Auftrag ihrer 174 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Gegründet 1962 mit dem Ziel, gemeinsame Interessen stärker gegenüber dem Staat und der ärztlichen Selbstverwaltung zu positionieren, erarbeitet die AWMF seitdem Empfehlungen und Resolutionen und vertritt diese im wissenschaftlichen und politischen Raum. Die AWMF ist Ansprechpartner für gesundheitspolitische Entscheidungsträger, wie den Gemeinsamen Bundesausschuss, und koordiniert die Entwicklung und Aktualisierung medizinisch wissenschaftlicher Leitlinien in Deutschland. Jede gemeinnützige Fachgesellschaft in Deutschland kann Mitglied werden, sofern sie sich wissenschaftlichen Fragen der Medizin widmet. Die AWMF finanziert sich vorwiegend durch die Beiträge ihrer Mitgliedsgesellschaften und Spenden.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.awmf.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution76

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
Medizin - Kommunikation, 15.07.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2016

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