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AUSLAND/2020: Äthiopien - Beschneidung von Männern im Kampf gegen Aids (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. November 2013

Äthiopien: Beschneidung von Männern im Kampf gegen Aids - Ablehnung in Gambella nimmt ab

von Ed McKenna



Gambella, Äthiopien, 28. November (IPS) - In Gambella, einer abgelegenen äthiopischen Provinz an der Grenze zum Sudan, ist es unüblich, dass Männer beschnitten werden. Doch Chiang Both hat sich für den Eingriff entschieden.

Äthiopien ist das afrikanische Land mit dem höchsten Anteil beschnittener Männer. Wie aus einer nationalen Demografie- und Gesundheitsuntersuchung von 2005 hervorgeht, liegt er bei 93 Prozent. Doch den in Gambella lebenden ethnischen Nuer und Anuak war der Eingriff lange Zeit suspekt. Sie hielten ihn für einen Versuch, ihre Kultur zu unterlaufen. Auch fürchteten sie, dass sie impotent werden könnten.

"Viele von uns hegen auch heute noch den Verdacht, dass man sie kulturell umkrempeln will. Doch einige uns wissen inzwischen um die Vorteile einer Beschneidung", meint Both gegenüber IPS und führt Hygiene und HIV/Aids-Prävention als zwei wichtige Gründe an.

"Die meisten äthiopischen Männer werden in frühester Kindheit aus religiösen oder kulturellen Gründen beschnitten", erläutert Kelly Curran, Leiterin der Non-Profit-Organisation 'Jhpiego', die über HIV/Aids und andere Infektionskrankheiten aufklärt. "Gambella ist eine Ausnahme."


Pro-Beschneidungs-Kampagne wirkt

Doch inzwischen nimmt die Ablehnung in der Provinz ab - die Folge einer 2009 gestarteten Kampagne, die für die freiwillige Beschneidung von Männern aus gesundheitlichen Gründen wirbt und sich zum Ziel gesetzt hat, den Anteil beschnittener Männer in der Provinz von derzeit 46,8 Prozent auf 80 Prozent zu steigern.

"Als die Kampagne gestartet wurde, war Gambella die einzige Region Äthiopiens, in der weniger als die Hälfte der Männer beschnitten waren. Die HIV-Infektionsrate betrug dort 6,5 Prozent und lag um das Dreifache höher als der nationale Durchschnittswert", sagt Curran.

Die französische Nationalbehörde für die Erforschung von Aids und viraler Hepatitis und die US-amerikanischen Nationalen Gesundheitsinstitute hatten in Kenia, Uganda und Südafrika Untersuchungen durchgeführt, die zeigten, dass die männliche Beschneidung die Risiken einer sexuell bedingten HIV-Übertragung von Frau zu Mann um gut 60 Prozent verringert.

Diese Erkenntnisse veranlassten das UN-Aidsprogramm (IUNAIDS) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2007 dazu, 13 Länder im östlichen und südlichen Afrika mit einer hohen HIV-Prävalenz für Pro-Beschneidungs-Programme auszuwählen, die inzwischen in 14 Staaten umgesetzt werden. Die Betroffenen werden zudem beraten, wie sie einer Ansteckung vorbeugen können, HIV-Tests unterzogen und mit Kondomen ausgestattet.

Die HIV-Infektionsgefahr in Gambella wird allgemein auf ein geringes Risikobewusstsein sowie den Zustrom von Wanderarbeitern und südsudanesischen Flüchtligen zurückgeführt, "Viele Menschen hier sind der Meinung, dass das Virus durch Kondome übertragen wird", sagt Ajim Othow, der für Gambella zuständige Beamte für HIV/Aids-Prävention und -kontrolle. "Sie wissen, dass es HIV gibt, nehmen die Krankheit jedoch nicht wirklich ernst."

2009 hatte Jhpiego mit Unterstützung der US-Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention in Zusammenarbeit mit dem regionalen Gesundheitsbüro in Gambella erwachsene Männer angesprochen, um sie von den positiven Seiten einer Beschneidung zu überzeugen.

Bevor sich die drei Partnerorganisationen zusammengeschlossen hatten, gab es in Gambella gerade einmal einen einzigen Chirurgen. Inzwischen wurden 71 Ärzte fortgebildet, mehr als 32.000 Männer beschnitten und 26 Berater geschult. 129 Personen sind in der Provinz unterwegs, um für die männliche Beschneidung zu werben. "Dieses Programm versucht alles, um in Gambella ein Zeichen zu setzen. Es wurde hart daran gearbeitet, auch die unterschiedlichen ethnischen Gruppen einzubeziehen", meint Curran.


Finanzielle Vorteile

Die Beschneidungen sind für den äthiopischen Staat durchaus kosteneffektiv. Denn gerade die antiretroviralen Therapien für Aids-Infizierte sind teuer. Sie werden Schätzungen zufolge den ostafrikanischen Staat zwischen 2009 und 2025 5,8 Millionen US-Dollar kosten. Modellrechnungen zufolge kann durch jeweils fünf bis 15 Beschneidungen eine HIV-Infektion in einem Umfeld mit hoher HIV/Aids-Prävalenz verhindert werden.

In Gambella-Stadt zielen Kampagnen auch auf Risikogruppen wie Schüler und Gefangene ab. Im Rahmen des Programms wird im Radio in den Sprachen der lokalen Volksgruppen für die männliche Beschneidung geworben. Alle diese Maßnahmen haben dazu beigetragen, Männer von den Vorteilen einer Beschneidung zu überzeugen.

Der 32-jährige Bang hat gemeinsam mit seiner Frau einen Kurs im Lare-Gesundheitszentrum in Gambella absolviert. "Wir haben uns das Informationsblatt zusammen durchgelesen", sagt Bang. "Es war in unserer Sprache abgefasst und leicht verständlich. Da uns der Sinn der Beschneidung klar geworden und der Eingriff kostenlos ist, gibt es keinen Grund, ihn nicht vornehmen zu lassen." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.jhpiego.org/
http://www.anrs.fr/layout/set/print/Ressources-et-publications/Publications/Publications-ANRS/The-French-National-Agency-for-Research-on-AIDS-and-Viral-Hepatitis
http://www.ipsnews.net/2013/11/creating-a-new-norm-in-non-circumcising-ethiopian-province/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. November 2013