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AUSLAND/1878: Brasilien - Banken für Muttermilch, Technologie international gefragt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. September 2012

Brasilien: Banken für Muttermilch - Technologie international gefragt

von Fabiola Ortiz


Muttermilch ist gerade für Frühchen wie dieses überlebenswichtig - Bild: © Manipadma Jena/IPS

Muttermilch ist gerade für Frühchen wie dieses überlebenswichtig
Bild: © Manipadma Jena/IPS

Rio de Janeiro, 27. September (IPS) - Die Brasilianerin Cíntia Rose Regis hat vor 16 Monaten eine Tochter zur Welt gebracht. Seit einem Jahr gibt sie einen Teil ihrer Muttermilch an eine Milchbank ab - für einen guten Zweck. Denn mit der nahrhaften Milch werden frühgeborene Säuglinge gefüttert. Jede Woche spendet Regis 600 Milliliter. "Solange ich meine Tochter stille, werde ich mit den Milchspenden weitermachen", versichert sie.

"Ich selbst habe nie ein Frühchen gesehen", sagt Regis. "Doch schon der Gedanke, dass ich vielleicht ein Leben retten könnte, macht mich glücklich. Warum nicht geben, was reichlich vorhanden ist?" Sie werde auch nach der Geburt eines weiteren Kindes ganz sicher wieder einen Teil ihrer Milch spenden.

Brasilien verfügt über ein gut ausgebautes Netz an Milchbanken. Das über die Jahre erworbene technologische Know-how hat sich inzwischen zu einem Exportschlager entwickelt. 23 Länder werden bereits mit der vergleichsweise kostengünstigen Errungenschaft beliefert, die im Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit eine wichtige Rolle spielt.

238 Milchbanken nehmen in unterschiedlichen lateinamerikanischen Ländern, auf der iberischen Halbinsel und in Afrika Milchspenden entgegen. Allein 210 gibt es in Brasilien. Im diesem Jahr haben 86.000 Frauen 97.000 Liter gespendet, mit denen 108.000 Säuglinge genährt werden konnten. Im vergangenen Jahr kamen mehr als 165.000 Liter zusammen. Die Milch von insgesamt 166.000 Frauen wurde 170.000 Babys verabreicht.

Nach dem brasilianischen Gesetz kommen als Spenderinnen gesunde Frauen in Frage, die keine Medikamente einnehmen. Sie müssen einfache Hygienemaßnahmen berücksichtigen, ihre Milch also an sauberen Orten abpumpen, ein steriles Auffanggefäß verwenden und die abgezapfte Milch kühlen.


Muttermilch wird aufbereitet und verschickt

Die die Banken gelieferte Milch wird selektiert, klassifiziert und pasteurisiert, das hochwertige Erzeugnis dann an die Frühchenstationen im ganzen Land verteilt. Brasilien mit seinen 192 Millionen Einwohnern habe ein komplexes Netz an Muttermilchbanken aufgebaut, sagt João Aprígio Guerra de Almeida vom Brasilianischen und Iberoamerikanischen Netzwerk der Banken für menschliche Milch.

In den letzten 30 Jahren haben die verschiedenen brasilianischen Regierungen die Muttermilchforschung unterstützt. 1985 baute die Oswaldo-Cruz-Stiftung (Fiocruz), die führende Forschungsanstalt des Landes, das erste lateinamerikanische Zentrum zur Erforschung der biologischen, physiochemischen und immunologischen Charakteristika der menschlichen Milch auf.

"Uns war schnell klar, dass wir durch diese Arbeit ein Instrument zur Hand bekommen haben, das damals gehäuft auftretende und sinnlose Sterben von Säuglingen zu beenden", sagt der Fiocruz-Forscher Almeida. "Die Säuglingssterblichkeit lag damals deutlich über dem weltweiten Wert."

Seit den 90er Jahren konnte das Land die Sterblichkeit von Säuglingen um 73 Prozent verringern. In diesem Jahr wird das südamerikanische Land das Millenniumsentwicklungsziel erreichen, indem es die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren zwischen 1990 und 2015 um zwei Drittel verringert haben wird.

Sein Land sei damals von dem technologischen Know-how des Nordens abhängig gewesen, sagt Almeida "Um die Milch weiterzuverarbeiten, mussten wir das Equipment aus Europa und USA zu Kosten in Höhe von 35.000 US-Dollar einführen." Seit 2007 transferiere man eigene Anlagen in andere Länder.

Heute verfügen Argentinien, Bolivien, Ecuador, Paraguay, Venezuela und Uruguay über die notwendige Infrastruktur, um Muttermilchspenden zu sammeln und zu verteilen. "Wir leisten beim Aufbau der Banken Unterstützung und Beratung und unterweisen die Experten", erläutert Almeida.


Technologietransfer von Süd nach Nord

Portugal und Spanien kamen durch die Ausweitung der Initiative in den Genuss eines Süd-Nord-Technologietransfers. Die erste Muttermilchbank erhielt Madrid, die zweite die Alfredo-da-Costa-Geburtsklinik in Lissabon. Auf dem diesjährigen Gipfeltreffen in der chilenischen Hauptstadt Santiago wurde das iberoamerikanische Programm der Muttermilchbanken aufgelegt.

Das erste afrikanische Empfängerland der brasilianischen Technologie waren die Kapverden. Doch nahm die erste Muttermilchbank im August 2011 ihre Arbeit auf. 2010 und 2011 hatten sich Fiocruz-Delegationen nach Mosambik und Angola aufgemacht, in denen sich bereits der Technologietransfer in der Umsetzungsphase befindet.

Die Projekte leben von der Spendenbereitschaft stillender Mütter. Brasilien hat vor, den 19. Mai zum Welttag für Muttermilchspenden zu erklären. Das Datum markiert den Tag im Jahr 2005, an dem das erste Kooperationsabkommen mit 13 Ländern und internationalen Organisationen für den Aufbau des internationalen Netzwerks von Muttermilchbanken unterzeichnet wurde.

In Rio de Janeiro ist das Nationale Fernandes-Figueira-Institut für die Gesundheit der Frau, des Kindes und Heranwachsender (IFF) diejenige Fiocruz-Einrichtung, die auf die Betreuung von Neugeborenen und die Entgegennahme der Milch spezialisiert ist. Rosane Xavier arbeitet dort als Krankenschwester, die Patientinnen dazu ermuntert, ihre Säuglinge zu stillen und wenn möglich, Milch zu spenden. "Denn gerade Frühgeborene brauchen die wertvolle Muttermilch", sagt die 35-Jährige. Sie fördert ihre geistige Entwicklung, Sprachfähigkeit und Zahnbildung und stärkt ihr Immunsystem." (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2012